19. Dezember 2014

Die Hintergründe im Vordergrund

Andreas Haller, Zu Fuss von Bologna
nach Assisi, Wiesenburg Verlag,
Schweinfurt, 2008
Der deutsche Historiker Andreas Haller hat den Weg von Bologna nach Assisi unter die Füsse genommen. Zwanzig Tage dauerte die Reise durch die Emilia-Romagna, Umbrien und die Toskana. Mit mehr oder weniger genauen Karten, mal auf leidlich oder gar nicht markierten Abschnitten, dann wieder auf beliebten Trampelpfaden durchschritt der im wahrsten Sinne des Wortes geschichtlich bewanderte Autor ein äusserst spannendes
Stück Italiens. Im Gegensatz zu den meisten Wanderreiseberichten rückt Haller dabei das tägliche Gehprozedere dezent in den Hintergrund, um dafür den oft historisch bedingten  Hintergründen mehr Raum zu geben. So erfährt der Leser eine unglaubliche Menge an Kirchen-, Kunst- und Kulturgeschichtlichem.

Es liegt in der Natur des angepeilten Wanderzieles Assisi, dass des öfteren die Rede vom Heiligen Franz von Assisi ist. Aber nicht nur: Geschichten und Anekdoten über Päpste, Krieger, Kämpfer, Sonderlinge und andere einflussreiche Gestalten prägen den Bericht. Als Garnitur sozusagen, lässt der Autor eigene Erlebnisse während seines dreiwöchigen Unternehmens einfliessen, ohne sich selber, und das macht die Lektüre wohltuend angenehm, zu stark ins Rampenlicht zu rücken. «Es geht mir nicht ums Abenteuer. Es geht mir darum, am Leben teilzuhaben. Mitzumachen anstatt zuzuschauen. Dann ergeben sich die Abenteuer von selbst», beschreibt der Autor sein Credo. Haller liefert im zweiten Teil eine recht umfangreiche Routenbeschreibung nach, damit Sofareisende gleich selber ihre Stiefel schnüren und sich auf den Weg machen können. «Wandern ist im Grunde eine denkbar einfache Sache», ermutigt Andreas Haller seine Leserschaft.

So ausführlich der Blick hinter die Kulissen der durchwanderten Landschaft auch ist, so kärglich fällt die zu Beginn des Buches abgedruckte Routenkarte aus. Verlag und Autor befinden sich hier indes in bester Gesellschaft, weshalb hier und jetzt ein für alle Mal dazu aufgerufen wird, bei Reiseliteratur mit besseren Übersichtskarten aufzuwarten, damit beim Lesen die geografische Orientierung nicht dauernd verloren geht. Ein paar Notenzehntel Abzüge muss sich das Buch zudem punkto Bilder gefallen lassen, getreu der alten Weisheit, das gute Schreiberlinge selten gute Fotografen abgeben. Was die Bildauswahl anbetrifft, würden überdies Fotos von den im Text erwähnten Gebäuden, inbesondere die ausführlich beschriebenen Sakralbauten, gut anstehen.

Fazit: Dem Werbetext zum Buch, «ob Naturliebhaber, Kunstfreund oder Pilger: Der Weg von Bologna nach Assisi lässt keinen kalt», ist jedenfalls ohne Widerrede beizupflichten. Hallers Œuvre ist sodann bei weitem mehr als ein wohl bekömmlicher Appetizer.

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