30. Oktober 2023

Sofareisen

Endo Anaconda: Sofareisen, Ammann,
Zürich, 2005
Am liebsten stand er auf dem Balkon seiner alten Wohnung an der Aare und schaute hinunter auf den schönen Dalmaziquai. Und dann nahm das gewohnte Leben auf einmal eine Wende. Jetzt steht er auf einem kleinen Küchenbalkon inmitten von verdorrten Zimmerpflanzen und raucht. Er blickt auf die Strasse und beobachtet die Welt an der Berner Wylereggkreuzung: Wie bei 38°C im Schatten der Teer langsam schmilzt und sich ein Jungpolitiker mit seinem Jeep vor den Mercedes des Stadtpräsidenten schiebt und dann beide im Verkehr steckenbleiben. Wie die Beamten im gegenüberliegenden Bauwrack aus Eternitverschalung Tag für Tag ihre Gummibäume giessen, während ein Securitasmann gerade wieder einmal dabei ist, einen Busszettel unter die Scheibenwischer des geliebten VW Passat zu schieben.

Anacondas Kolumnen sind Milieustudien über das Mittelmass, über Leute, die ihr Schicksal bejammern, sich besaufen und dann vom eigenen Hund in den Hintern gebissen werden, sind poetische Aperçus über die elende Dialektik des Rauchens und Trinkens, über ketchupsüchtige Kinder und alle möglichen Schweizer Psychosen. Eine grosse Sehnsucht nach dem – inneren – Paradies vibriert leise zwischen den Zeilen. Ja, diese bluesige Comédie humaine ist echt – wem sonst passiert es, dass die weggeschnippte Kippe direkt auf der Mütze des vorbeigehenden Securitasmannes landet? (Klappentex)

25. Oktober 2023

Maigret und die alte Dame

Georges Simenon: Maigret und die alte
Dame, Diogenes, Zürich, 1997
Die alte Dame ist von rührender Zerbrechlichkeit und lebt in einer Puppenvilla an der rauen Küste der Normandie. Doch als ihr Dienstmädchen vergiftet wird, beweist sie auch einen eisernen Willen, reist kurzentschlossen nach Paris und wendet sich an Kommissar Maigret. Und sie hat Erfolg. Maigret reist ans Meer. Dort herrscht an Verdächtigen kein Mangel … (Klappentext)

19. Oktober 2023

Planet Obrist

Christoph Simon: Planet Obrist, Bilger, 
Zürich, 2005
Vom Glück des Reisens erzählt Franz Obrist, der mit seinem Dachs zu Fuss in die Mongolei aufbricht. Sie passieren die Aare, den Rhein, den Inn, die Sava, die Ljubljanica. Die sechsmonatige Reise in die unbekannte Ferne wird zu einer Parabel über das Glück, den Eigensinn, die Liebe zum Leben. (Buchrückentext)

18. Oktober 2023

Verehrte Leser, sagen Sie nicht: Nein!

Josef Viktor Widmann: «Verehrte Leser,
sagen Sie nicht: Nein!», Francke im Cosmos
Verlag, Muri b. Bern, 1986


«Nie habe ich einen Menschen gekannt, der so wie er gleich bei seinem Erscheinen rundumher Freude weckte und den Lebensmut erfrischte.»

Carl Spitteler über Josef Viktor Widmann (auf der Rückseite des Buches)

16. Oktober 2023

Auswendig Wandern

Was tun, wenn du auf der Anreise zum Ausgangspunkt deiner Wanderung feststellst, dass du die Karte mit der eingezeichneten Route zu Hause vergessen und ausnahmsweise dein Handy bewusst nicht mitgenommen hast? – Du wanderst auswendig!

So geschehen am vergangenen Sonntag, als es auf einer vor gut drei Monaten geplanten Route von Schüpfen nach Jegenstorf gehen sollte. Also aktivierte ich meine Gehirnzellen und massierte die Synapsen. Sowohl meine Festplatte als auch das für ein solches Unterfangen benötigte Quäntchen Glück hielten mir die Stange. Zu Hause stellte sich in der Tat heraus, dass die absolvierte Strecke genau jener entsprach, die ich einst ausgeknobelt hatte.

Es führen fürwahr viele Wege von Schüpfen (links) nach Jegenstorf (rechts).


12. Oktober 2023

Bluescht im Nöirosegarte

Hansruedi Lerch: Bluescht im Nöirosegarte,
Fischer, Münsingen, 1999
In seinen fiktiven Erzählungen streift Hansruedi Lerch jeweils auf die eine oder andere Weise den «Nöirosegarte» – jene abstruse «Geschwürklinik» menschlicher Irrungen, die zwischen dem Berner Rosengarten und der Klinik Waldau liegt. In dieser Anstalt pfercht man sie zusammen, die anhand eines neuartigen Messverfahrens des Politikers CH.B. Locher aus der Schweizer Bevölkerung herausfiltrierten Aussenseiter und Abnormalen.

Lerchs polit- und gesellschaftskritische Geschichten sind voll hintergründigem Humor: Der «Bunte Rat» im Allgemeinen und «d Palafermäntarierlnne» im Besonderen werden augenzwinkernd unter die Lupe und auf die Schippe genommen.

«Bluescht im Nöirosegarte» ist ein sprachlich und inhaltlich eigenwilliges Werk, das sich nicht ins Schema der traditionellen Mundartliteratur pressen lässt. Irgendwie liegt das Buch genauso quer wie der Gartenzwerg unter dem Buchtitel - genau hier liegt aber auch der einzigartige Reiz, der sich durch die augenfällige Sprache verdichtet. Denn der Zeit und den Menschen einen Spiegel vorzuhalten, gelingt im «Bärndütsch» nicht nur einfacher, sondern weitaus direkter und markiger, auch wenn die kynischen Episoden weit über Bern und die Schweiz hinaus gelten können.
(Klappentext)

8. Oktober 2023

Mein Leben am Limit

Reinhold Messner: Mein Leben am Limit,
Piper, München, 2004
«Die Welt war nicht grösser als dieses Tal. Man ging auf die Almen, um Heu zu holen. Weiter ging man nicht.» – Reinhold Messner ist von Anfang an weiter gegangen als die anderen, hat immer wieder Tabus gebrochen. Früh liess er das enge Tal seiner Südtiroler Kindheit hinter sich, erreichte als erster den Gipfel des Everest ohne Sauerstoffmaske und bestieg alle vierzehn Achttausender. Nach der Felskletterei und dem Höhenbergsteigen bezwang er zu Fuss die grössten Sand- und Eiswüsten der Erde. «Ich gehe freiwillig in die Hölle», schreibt er heute.

Nach seiner Zeit als EU-Parlamentarier treibt er inzwischen in Eigenregie sein ehrgeiziges Bergmuseumsprojekt voran. Was aber beflügelt diesen Erfolgsmenschen? Woher schöpft er Kraft und Phantasie, sich immer wieder neu zu erfinden? Im Gespräch mit Spiegel-Reporter Thomas Hüetlin spricht Reinhold Messner über seine Heimat, seine Familie, Freundschaft und Egoismus, über das Scheitern und über seinen Instinkt, fast immer das Richtige zu tun. (Inhaltsangabe im Buch)