22. April 2019

Emma-Horber-Weg



Am 20. Februar 1882 erblickte eine gewisse Emma Kern das Erdenlicht. Ihr Vater war Banquier in Paris und die Mutter eine Nachfahrin der berühmten Spiezer Familie von Bubenberg. 1908 heiratete Emma Dr. jur. Karl Horber, der unter anderem die Gründung der Stiftung Pro Juventute initiierte. Das kinderlose Ehepaar zog drei Pflegekinder auf und wohnte ab 1916 im Berner Oberland.

1923 gründete Emma Horber-Kern das Mütter- und Kinderheim Hohmad im gleichnamigen Thuner Quartier. Ihr Ziel war es, dass ledige, schwangere Frauen, die damals von der Gesellschaft geächtet und verstossen wurden, in Sicherheit gebären konnten. Nach der Geburt wurde den Müttern der richtige Umgang mit Säuglingen gelehrt. Mutter und Kind wohnten oft längere Zeit im Hohmad, wo die Mütter tatkräftig mithalfen und ihr Wissen an andere Frauen weitergaben. Emma Horbers wichtigstes Anliegen war, dass das frischgeborene Kind bei der Mutter bleiben und aufwachsen konnte. Für ledige Mütter in ihrer schwierigen Lage sollte das Hohmad eine ruhige und sichere Zufluchtsstätte werden. Aus dem Mütter- und Kinderheim Hohmad ist später die Kinik Hohmad entstanden, die heute noch existiert. Emma Horber-Kern starb am 17. Mai 1943 im Alter von lediglich 61 Jahren in Oberhofen am Thunersee.

Nach 1930 sind in Thun einige Strassen nach verdienten Persönlichkeiten benannt worden, die zeitlebens oder zeitweise in Thun gelebt haben und sich hier durch ihr Wirken bleibende Verdienste erwarben (z.B. Johannes Brahms oder Josef Viktor Widmann), so auch der Emma-Horber-Weg. Zu Recht wurde bereits 1924 gefordert, Strassen seien vor allem nach lokalen Grössen zu benennen, was eine von Ort zu Ort differenzierte Namensgebung ermöglicht. Der Emma-Horber-Weg ist schweizweit einzigartig, im Gegensatz zu Persönlichkeiten, die in der ganzen Schweiz und darüber hinaus bekannt waren und sind (z.B. Gottfried-Keller-Strasse, Gotthelfweg, Hodlerstrasse etc.

Der Emma-Horber-Weg ist ein rechtwinklig angelegtes Strässchen, dass nicht durchgehend befahren werden kann. Es verbindet die Talackerstrasse mit der Tellstrasse und dient so dem Fussgänger und allenfalls dem Velozipedisten als alternativer Verbindungsweg.

11. April 2019

Der Prinz und seine Frauen


2010 brachte der deutsche Buchmarkt das Kunststück fertig, gleich zwei Titel mit dem selben Namen herauszugeben. «Über die Alpen» nennen sich die Reiseberichte des Österreichers Martin Prinz bzw. der Berlinerin Nadja Klinger. Letztere ging zu Fuss vom Bodensee an den Lago di Como, ersterer auf der Via Alpina von Triest nach Monaco. Beide Bände umfassen insgesamt 779 Seiten, und ich habe sie alle mit grossem Interesse gelesen.


Mein Fazit: Klingers Buch empfehle ich ohne Vorbehalte zur allgemeinen Lektüre. Prinz’ Wälzer indes sei nur jenen anbefohlen, welche sich in erster Linie für die privaten Angelegenheiten eines angehenden Vaters in einer zu Ende gehenden und gleichzeitig neu beginnenden Beziehung mit zwei verschiedenen Frauen interessieren und überdies wissen möchten, wann und wo der Autor Empfangs- und andere Probleme mit seinem Allerweltshandy hatte, was die werdende Mutter – also die zukünftige Exfreundin – und was die neue Flamme in ihren SMS und E-Mails zu berichten wussten. Man lasse sich ausserdem vom unpassenden Untertitel, «Zu Fuss durch eine verschwindende Landschaft», nicht in die Irre führen. Zu verschwindend klein ist dieser inhaltliche Anteil in Prinzens Egotrip.

Feldstrasse


2. April 2019

2.4.2019

Den Huser von Ueli Zingg zu Ende gelesen und dabei einmal mehr die Unsinnigkeit von gendergerechtem Deutsch erfahren. Nein nein, keine Kritik an Zinggs sprachgewaltigem Text. Bewahre, bewahre! Ein Wort war es, das mich stutzen liess: Rennende. Ich benötigte drei Anläufe, um endlich rennende Menschen vor mir zu sehen und nicht das Ende eines Rennens. Rennende, ein Substantiv mit drei Geschlechtern! Dasselbe gilt übrigens auch für Lernende; selbstverständlich im Wissen, dass man Mann Mensch Frau Kind Hund und Katz nie ausgelernt haben. Lebensende = Lernende oder umgekehrt. Und erst recht lustig wird es, wenn sich der die das Ende vermehrt: Aus der Stimme einer Sängerin werden die Stimmen von Singenden, aus dem Lohn eines Mitarbeiters werden die Löhne von Mitarbeitenden oder noch schöner: Mitarbeitendenlöhne! Tenden, tenden, tenden. Tendenz zunehmend.

Nun aber zu Zinggs Roman. Huser möchte ganz anders sein, als er ist. Er verliert in seinen Wunschträumen den Boden der Realität unter den Füssen. Ihn fasziniert der junge Fäshion, der ihm in seiner anarchischen Buntheit als Ideal des ungebundenen, sich selbst verwirklichenden Menschen vorkommt.

Von seiner Frau wird Huser verlassen. Ihr dichtet er eine intelligente, lebenstüchtige Weltgewandtheit an, die er selbst gerne hätte. In seinem Freund K glaubt er einen Zeitgenossen zu finden, der die Problematik seines Daseins lebt, ohne andere damit zu behelligen, der sich im Hintergrund entfaltet, aber gerade deshalb einen positiven Einfluss auf andere ausübt.

Huser merkt nicht, dass sein eigenes Leben, umso leerer und banaler wird, je stärker er sich und seine Vorstellungen durch fremdes Gedankengut – Angelesenes und von anderen Menschen Erlebtes – bestimmen lässt. Er flüchtet vor der Auseinandersetzung mit sich selbst, vor dem Risiko jeder geistigen und gesellschaftlichen Anstrengung. Deshalb entzieht er sich der Selbsterkenntnis; er wehrt sich gegen alle Kriterien und Massstäbe, die ihn in seiner Trivialität entlarven könnten.

Die Geschichte spielt im Berner Milieu der 1980er-Jahre und dokumentiert am Beispiel des Protagonisten, die Befindlichkeiten vieler jungen Menschen von damals. Der real existierende Fäshion dient dem Autor als der prominentester Stellvertreter dieser bewegenden und bewegten Jahre einer unzufriedenen Jugendgeneration.

BE: Stadt Bern (Hauptschauplatz), Beatenbucht am Thunersee GE: Stadt Genf USA: New York

Flühliweg