18. September 2008

Best of Base Camp Zurich

Remo Kundert/Marco Volken: Zürcher
Hausberge, AT Verlag, Baden, 2008
«Zürcher Hausberge» nennt sich das neuste Wanderbuch des umtriebigen Autoren-Duos Remo Kundert und Marco Volken. Der Buchtitel mag auf den ersten Blick verwirren, denn weshalb soll Zürich auf einmal über mehr als einen Hausberg verfügen? Damit keine falsche Polemik aufkeimt, stellen die Autoren gleich im Vorwort des Buches klar, worum es hier geht: «Zürcher Hausberge sind Gipfel, die sich von Zürich aus mit öffentlichen Verkehrsmitteln in einem Tag erwandern lassen.» Aargauer, Schaffhauser, St. Galler, Glarner, Appenzeller, Ob- und Nidwaldner, Luzerner, Urner, Schwyzer, Zuger und vermutlich der Rest der Schweiz dürfen also beruhigt sein. Die Gisliflue, der Randen, der Alvier, der Schilt, der Säntis, das Stanserhorn, der Pilatus, der Uri Rotstock, die beiden Mythen, der Rossberg und alle anderen ausserzürcherischen Gipfel: Sie verbleiben weiterhin auf ihrem angestammten Grund und Boden, Downtown Switzerland verkommt zum Basislager.

Bei den «60 Wandergipfeln zwischen Bodensee und Brienzersee» handelt es sich keineswegs um eine revolutionäre, kundert-volkensche Neuschaffung. Ein Wanderführer «Zürcher Hausberge» erschien bereits 1968 und erreichte gar den Status eines Klassikers. Zu seinem vierzigsten Geburtstag hat das Buch durch die nur um wenige Jahre älteren Autoren ein komplett neues Gesicht erhalten. Von der  Gipfelauswahl über die Fotos bis zu den Begleittexten ist alles neu. Nebst den oben erwähnten bekannten Bergen empfehlen Kundert/Volken auch die Besteigung exotisch klingender Anhöhen wie Gonzen, Glatten, Wäspen, Wiggis, Hirzli oder den unheimlich anmutenden Gross Güslen. Die Schwierigkeitsgrade der Touren bewegen sich mehrheitlich von T2 bis T4 der SAC-Wanderskala.

Der grossformatige Führer ist indes weniger zum Mittragen gedacht. Dafür glänzt er mit weit über hundert hübschen Fotos, witzig-spannend geschriebenen Texten sowie sämtlichen notwendigen Angaben, die eigentlich jeder seriösen Gipfelbesteigung zu Grunde liegen sollten. Die klar und verständlich formulierten Routenbeschreibungen beinhalten auch Varianten. Ein Übersichtskärtchen zeigt zudem Haupt- und Alternativrouten. Mit einer Ausnahme ist jedem Berg eine schön gestaltete Doppelseite gewidmet, was dem Buch eine wohltuende Übersichtlichkeit verleiht.

Zu guter Letzt, und um besagter Ausnahme und damit der Vollständigkeit nachzukommen, sei doch noch erwähnt, dass der eigentliche Zürcher Hausberg, der Uetliberg, selbstverständlich nicht fehlen darf. Der ausführlich beschriebene Aggloberg lässt sich auf unzähligen mehr oder weniger abenteuerlichen Routen besteigen und hat somit durchaus das Zeug, zum Hausberg Basels, Berns oder Luzerns zu werden ...

Remo Kundert und Marco Volken ist einmal mehr die Schaffung eines unverzichtbaren
Wanderbuches mit Verdacht auf Klassikerpotential gelungen.

Die 60 Gipfel im Schnelldurchlauf
Üetliberg, Albishorn, Bürglen und Hochwacht, Höhronen, Etzel, Hombergegg und Gisliflue, Lägeren, Randen, Bachtel, Tweralpspitz und Schnebelhorn, Speer, Spicher und Hinterfallenchopf, Kronberg, Säntis, Wildhuser Schafberg, Zuestoll, Alvier, Gonzen, Pizol, Hochfinsler, Wissmilen und Spitzmeilen, Gross Güslen, Schilt und Fronalpstock, Gross Chärpf, Ruchi, Chamerstock, Ortstock, Leuggelstock, Vorder Glärnisch, Rautispitz und Wiggis, Hirzli und Planggenstock, Gross Aubrig, Brünnelistock, Rossalpelispitz und Zindlenspitz, Fluebrig, Forstberg und Druesberg, Silberen, Glatten, Wäspen, Hoch Fulen, Chaiserstock, Rophaien, Fronalpstock, Grosser und Kleiner Mythen, Furggelenstock, Gschwändstock und Spital, Gnipen und Wildspitz, Rigi Kulm, Rigi Hochflue, Niderbauen, Chulm, Buochserhorn, Brisen und Schwalmis, Engelberger Rotstock, Uri Rotstock, Sunnig Grat, Titlis, Salistock, Stanserhorn, Pilatus, Rickhubel, Fürstein und Miesenstock, Schrattenfluh, Höch Gumme und Giswilerstock, Hochstollen

21. Juni 2008

Simmentaler Panoptikum

Markus Schürpf: Arthur Zeller 1881–1931, Vieh- und
Wanderfotograf im Simmental, Fotografien 1900–1930,
Limmat Verlag, Zürich, 2008
In Zeiten der medialen Bilderflut mag es seltsam anmuten, dass nach wie vor Fotobücher mit historischen Aufnahmen publiziert werden. Oder ist es genau jener Umstand, dass heute, nach der digitalen Revolution und der jederzeit verfügbaren Möglichkeit, sein Handy zu zücken, und auf die Schnelle ein paar Fotos zu schiessen, der Wert von Bildern aus längst vergangenen Tagen erst recht zum Tragen kommt? Diesen Eindruck gewinnt man freilich beim Betrachten des im Zürcher Limmat Verlag erschienenen Bandes über den Simmentaler Landwirt, Viehzüchter und Fotografen Arthur Zeller. Allein die Kombination der zwei doch sehr verschiedenen Berufstätigkeiten macht neugierig, denn Zeller betrieb die Fotografie von 1900 bis 1930 nicht etwa zum Zeitvertreib. Etwa ein Viertel seines Einkommens erwirtschaftete der in Weissenbach bei Boltigen Wohnhafte mit Fotografieren, also einem zweiten Standbein, was für damalige Verhältnisse direkt als fortschrittlich bewertet werden kann.

Der Autor Markus Schürpf vom Büro für Fotografiegeschichte in Bern vermittelt in seinem ausführlich recherchierten Begleittext unzählige Fakten über die ersten dreissig Jahre des 20. Jahrhunderts. Im Zentrum stehen dabei das Schaffen Arthur Zellers, seine Lebensgeschichte sowie seine Bedeutung als Viehfotograf während der Hochblüte der Simmentaler Fleckviehzucht. Aber auch Themen wie  Fotogeschichte, Land und Leute oder die Geschichte des Simmentaler Fleckviehs ergänzen die  dokumentarisch wertvollen Aufnahmen Zellers.

Für Liebhaber des Simmentals sind vor allem die Ansichten von Dörfern, Landschaften und Viehalpen von Interesse. Das Vergleichen der heutigen Situation mit jener vor knapp hundert Jahren bringt zum Teil Erstaunliches zu Tage: Währenddem sich beispielsweise Weissenbach punkto Siedlungsbild nur wenig gewandelt hat, blieb auf dem Kulminationspunkt des Jaunpasses kein Stein auf dem anderen (siehe nachfolgende Bilder). Kundige des Viehzuchtwesens werden gespannt auf die zahlreichen Darstellungen
von ehemals namhaften Kuh- und Stiergrössen blicken und ohne Probleme feststellen können, dass sich seither einiges gewandelt hat, was Idealmasse und Aussehen der Ware anbelangen.

Als sogenannter Wanderfotograf war Arthur Zeller logischerweise viel unterwegs, da die Fotografie noch nicht sehr verbereitet war. Nichts desto Trotz begehrten die Menschen vor allem bei besonderen Ereignissen und Anlässen abgelichtet zu werden. Konfirmationen, Hochzeitspaare, Tote, Arbeitssituationen, oder Familienporträts gehörten ebenso zum Portfolio wie etwa die Eröffnung der Erlenbach-Zweisimmen-Bahn oder die Inbetriebnahme der Montreux-Oberland-Bahn. Zellers fotografische Kompetenz wurde indes auch in Viehfachkreisen ausserhalb des Simmentals sehr geschätzt, weshalb er auch immer wieder an Viehschauen oder auf Bauernhöfen in anderen Regionen beruflich zu tun hatte.

Dass Arthur Zeller erst jetzt wieder ins Bewusstsein der Öffentlichkeit rückt, haben wir der 1995 von Paul Hugger publizierten Dokumentation über das «Berner Oberland und seine Fotografen» zu verdanken. Um den zellerschen Nachlass hatte sich bis dato bedauerlicherweise niemand gekümmert. Vor vier Jahren brachte eine Sichtung des Archivs «Erschreckendes zutage», schreibt Markus Schürpf in seinem Vorwort. «Bei Aussentemperatur gelagert, waren die Negative der eindringenden Feuchtigkeit schutzlos ausgesetzt. Bei vielen Platten war die Gelatineschicht vollständig zerstört, andere wiesen partielle Schäden auf», so der Autor weiter. Beinahe die Hälfte der Negative war bis zur Unkenntlichkeit beschädigt und musste entsorgt werden. Einige der veröffentlichten Bilder zeigen denn auch kleinere Schäden, was der Qualität des vorliegenden Buches indes keinen Abbruch tut. Etliche Abbildungen belegen gar den hohen Standard der damaligen Fototechnik. Die gestochen scharfen Bilder mit den ausgewogenen Kontrasten und der
meist geringen Tiefenschärfe lassen noch heute viele digital erzeugte Fotos alt (!) aussehen.

Markus Schürpf und der Limmat Verlag haben dem leider allzufrüh verstorbenen
Fotografen Arthur Zeller ein würdiges Denkmal gesetzt.

12. Juni 2008

Der Wegrand ist das Ziel

Sabine Joss, Blütenwanderungen in
der Schweiz,
AT Verlag, Baden, 2008
Wie oft sind wir schon in der Natur herumgestreift und haben diese oder jene sonderbare, vielleicht gar seltene Pflanze bewundert, ohne dabei zu wissen, worum es sich handelt. Kaum zu Hause nimmt man den Pflanzenführer zur Hand, um alsdann vor lauter ähnlichen Abbildungen eine eindeutige Bestimmung ratlos in den Wind zu schlagen. Für zumindest 30 besagter Pflanzen könnte nun durchaus ein neues Zeitalter anbrechen. Statt kiloweise Bestimmungsliteratur mit sich herumzutragen reichen im vorliegenden Fall 421 Gramm. Der Wanderführer «Blütenwanderungen in der Schweiz» von Sabine Joss ermöglicht auf 30 Touren im Jura und der Voralpen-/Alpenregion, das Links und Rechts des Wegrandes zu erkennen, deuten und begreifen. Das «Sortiment» reicht vom Diptam über die Walliser Levkoje bis hin zum Himmelsherold. Die oft in etwas ungelenkem Deutsch ausführlich beschriebenen Wanderungen richten sich nach der saisonalen Blütezeit der im betreffenden Kapitel ausgewählten Pflanze. Ein Kurzporträt der betreffenden Pflanze liefert spannende Hinweise über Merkmale, Lebensraum, Blütezeit, Verbreitung etc. Weil eine Pflanze pro Wanderung freilich zu wenig hergegeben hätte, macht uns die freischaffende Biologin auf unzählige weitere naturkundliche Besonderheiten und Zusammenhänge aufmerksam,die weit über die Botanik hinausreichen. Für die Planung einer Wanderung leisten eine Blühzeittabelle und Routenkärtchen mitsamt allen notwendigen touristischen Angaben gute Dienste. Der Führer ist freilich so konzipiert, dass praktisch jeden Monat mindestens eine Blütenwanderung unternommen werden kann. Der genaue Standort der Pflanzen ist im Text beschrieben, nicht aber auf den Routenkarten eingezeichnet. Ein Glossar vermittelt botanisch eher wenig Bewanderten wichtige Erklärungen zu den im Haupttext verwendeten Fachausdrücken.

Aus typografischer Sicht weist der mit zahlreichen Farbfotos bebilderte und ansprechend gestaltete Führer einen kleinen Schönheitsfehler auf. Der Text der erwähnten Kurzporträts ist in der Blütenfarbe der jeweiligen Hauptdarstellerin gehalten. Die Idee ist zwar originell und lockert die Buchseiten wohltuend auf. Sie funktioniert jedoch bei hellen Farben nicht, so dass das Lesen des Textes zu einer mühsamen Angelegenheit werden kann. Sabine Joss ist mit «Blütenwanderungen in der Schweiz» dennoch ein Werk gelungen, das manchem Wanderer die Augen für das Naheligende mit Bestimmtheit öffnen wird.

Folgende Pflanzen werden näher unter die Lupe genommen: Alpen-Akelei, Alpen-Bergscharte, Alpen-Mannstreu, Alpenrebe, Berg-Drachenkopf, Blassgelber Eisenhut, Christrose, Diptam, Frauenschuh, Frühlings-Adonisröschen, Gelber Alpen-Mohn, Himmelsherold, Jupiter-Lichtnelke, Kahle Wachsblume, Lichtblume, Moosglöckchen, Orangerotes Greiskraut, Ostalpen-Enzian, Osterglocke, Perlhuhn-Schachblume, Perückenstrauch, Pfingstrose, Safrangelber Steinbrech, Sibirische Schwertlilie, Steinschmückel, Strauss-Steinbrech, Walliser Levkoje, Weinberg-Tulpe, Weisse Berg-Narzisse, Zistrose.

25. Mai 2008

Schön, schöner, am schönsten

Heinz Staffelbach: Die schönsten
Passwanderungen in den Schweizer Alpen,
AT Verlag, Baden, 2008
Sagen Ihnen geografische Bezeichnungen wie Col de Riedmatten, Passo della Cavegna, Chrüzlipass, Schottenseefürggli oder Alperschällilücke etwas? Nein? Das ist erstaunlich, denn die genannten Übergänge bescheren dem Bergwanderer «die schönsten Passwanderungen in den Schweizer Alpen». So sieht es jedenfalls Heinz Staffelbach, Autor des gleichnamigen Wanderführers. Insgesamt 30 superlative Passbegehungen schlägt uns der 1961 geborene Biologe und Verfasser mehrerer Wanderbücher in seinem neusten Epos vor.

Allein schon der Buchumschlag macht neugierig auf den Inhalt. Und wer den knapp 200 Seiten starken, 21 x 28 cm grossen Band ein erstes Mal durchblättert, wird von den grossformatigen Fotos, die jedes Kapitel einleiten, sogleich in den Bann der Faszination Pässewandern gezogen. Der Fotograf Staffelbach erzeugt beim Betrachter seiner stimmungsvollen und gekonnt inszenierten «Aufmachern» die Sehnsucht, selbst Teil dieser Landschaften zu sein. Doch dies alleine macht noch keinen Wanderführer aus. Im munteren Plauderton begleitet der Autor seine Leserschaft über die in der Regel leicht bis mittelschwer (SAC-Wanderskala T2–T3) zu begehenden Pässe. Staffelbach kommt immer wieder (Berufsstolz verpflichtet) auf die oft reichlich vorhandene Alpenflora zu sprechen. Aber auch Themen wie Geologie, Geschichte, Kultur etc. haben in diesem hübsch gestalteten, mit zahlreichen weiteren Fotos versehenen Buch ihren Platz. Ebenfalls lobend zu erwähnen sind die ausgezeichneten Routenkarten sowie die umfangreichen Informationen, die einem das Planen einer Tour auf eine angenehme Art erleichtern. Und weil es für einmal nichts zu meckern gibt, seien nachfolgend all die Pässe aufgeführt, die Heinz Staffelbach beschreibt:

Ostschweiz
Furcletta, Schottenseefürggli, Scalettapass, Maienfelder Furgga, Septimerpass, Pass da la Duana, Alpeschällilücke, Zwinglipass, Murgseefurggel, Panixerpass, Kistenpass

Zentralschweiz
Furggele, Rot Grätli, Surenenpass, Chrüzlipass

Tessin
Passo di Cavanna, Passo Sella, Pass Cristallina, Passo del Laghetto, Bassa del Barone, Passo di Redòrta, Passo della Cavegna

Berner Oberland, Wallis, Westschweiz
Sefinenfurgge, Hohtürli, Lötschenpass, Rawilpass, Fenêtre de Ferret, Col de Prafleuri, Col de Riedmatten, Zwischbergenpass

21. April 2008

Verführer ins letzte Paradies


Bernhard Herold Thelesklaf:
Nationalpark Val Grande,
Rotpunktverlag, Zürich, 2008
Davon haben Kenner der Szene seit langem geträumt. Nun ist der Traum wahr geworden. Wachgeküsst haben die Fangemeinde des italienischen Val Grande der bis dato als Wanderbuchautor unbekannte Bernhard Herold Thelesklaf sowie der unermüdliche Rotpunktverlag. Der 148 km² grosse Nationalpark Val Grande wurde 1992 offiziell ins Leben gerufen. Das extrem stark gegliederte Gebiet zwischen Domodossola und Lago Maggiore entvölkerte sich seit den 1950er Jahren nach über sieben Jahrhunderten intensiver alp- und forstwirtschaftlicher Nutzung mehr und mehr. Seither hat die Natur das Szepter übernommen und bringt die faszinierende Kulturlandschaft langsam aber sicher zum Verschwinden. Die zum grössten Wildnisgebiet Italiens mutierte Zone wird denn auch als «l’ultimo paradiso» (das letzte Paradies) bezeichnet und erlebte in den letzten Jahren nicht zuletzt Dank der zunehmenden Anzahl an Biwaks und Rifugios bei Wildnisliebhabern eine immer grössere Beliebtheit.

Bernhard Herold Thelesklaf beschreibt in seinem Führer 15 ein- bis viertägige Trekkingtouren in den SAC-Schwierigkeitsgraden T2 bis T5. Hinzu kommen drei Stadtführungen durch Intra, Pallanza und Domodossola. Für Tageswanderer empfiehlt der Autor zudem weitere 12 leichte bis mittelschwere Wanderungen. Wie in der Naturpunktreihe des Rotpunkverlages üblich, ergänzen zahlreiche Kurzbeiträge rund um die wechselvolle Geschichte des Val Grande und Umgebung die jeweiligen Kapitel. Von Schmugglern, Partisanen, Eremiten, Holzwirtschaft oder schottischem Blut ist die Rede. Alleine diese Aufsätze sind den Kauf dieses Buches wert.

Die vorgestellten Routen decken den gesamten Nationalpark sowie einzelne Gebiete ausserhalb davon ab. Die meisten Touren führen über mehr oder weniger gut markierte Wege. Natürlich fehlt die klassische Durchquerung von Malesco nach Premosello ebensowenig wie der bedeutend anspruchsvollere Sentiero Bove. Wenn auch den Routenbeschreibungen etwas mehr sprachliche Kreativität gut anstehen würde, zeichnen sie ein klares Bild des jeweils zu begehenden Weges. Unzählige kleine, auf Örtlichkeiten bezogene Einschübe sowie Verweise auf andere Etappen lassen den Führer zu einem einheitlichen Ganzen werden. Als Benutzer ist man in der Lage, einzelne Teiletappen zu neuen, mehrtägigen Touren zu kombinieren. Dankbar nimmt man auch die detaillierten Informationen zu Unterkünften, Einkaufsmöglichkeiten, Fahrplanzeiten von Bahn und Bus sowie der Verfügbarkeit von Wasser entgegen. Aber auch mit aktuellen und historischen Bildern geizt der Führer nicht. Diese tragen wesentlich zum «glustig» machen auf die einmalige Gegend bei. Als verbesserungswürdig zu erwähnen, ist die Art und Weise der Schwierigkeitsbewertung. Statt zum Beispiel eine Viertagestour einheitlich mit T4 zu bezeichnen, wäre es sinnvoller gewesen, die einzelnen Tagesetappen zu bewerten. Dies würde die oben erwähnte Kombination einzelner Etappen aus verschiedenen Kapiteln deutlich transparenter gestalten. So oder so: Dem Rotpunktverlag ist einmal mehr die Herausgabe eines kleinen Meisterwerks gelungen, das zweifellos das Zeug zu einem Klassiker hat.

swisstopo: 285T «Domodossola»,
1:50 000, Bern-Wabern, 2008
Die Karte zum Buch
Zeitgleich mit dem Wanderführer «Nationalpark Val Grande» hat das Bundesamt für Landestopografie swisstopo das Blatt 285T «Domodossola» als Wanderkarte mit eingezeichneten Routen herausgebracht. Als Redaktor fungierte unter anderem der Autor des oben besprochenen Führers. Basierend auf der Normalausgabe von 2000 (mit Teilergänzungen aus dem Jahr 2007) wurden nicht nur die markierten Routen des Val Grande sondern auch des Wanderwegnetzes rund um den Nationalpark eingedruckt. Im weiteren hervorgehoben sind die Buslinien, die Haltestellen des öV, die Biwaks, die Parkgrenze sowie die Zone des «Riserva integrale del Pedum». Die Rückseite der Karte beinhaltet zudem weitere Informationen über das Val Grande. Der Schweizerischen Eidgenossenschaft ist es zu verdanken, dass die wohl beste Karte der Region noch besser geworden ist, wenn auch kein Quadratmeter Schweiz darauf zu finden ist.

23. März 2008

Grábrók ásbyrgi hvíta fossá?

Rebecca Langhagen, Christian Rohrbach:
Junges Land – Zu Fuss unterwegs in Island,
Book on demand, 1999
Die jungen Frankfurter Geografen Rebecca Langhagen und Christian Rohrbach erzählen im Buch «Junges Land» über ihre sechswöchigen Trekkingund Reiseerlebnisse in Island. Der Lesende wird unvermittelt auf die jeweils mehrtägigen Touren mitgenommen; nicht in sprachlich komplizierter Art und Weise, sondern in angemessenem Deutsch, dem jedoch ein intensiveres Korrektorat gut getan hätte. Doch die sympatische Berichterstattung lässt über diesen Mangel hinweg sehen. Langenhagen und Rohrbach haben es mit ihrer Reiseroute wie vermutlich die meisten Islandbesucher: Am Ende ist die Insel umrundet. Ein paar Abstecher von der sogenannten Ringstrasse ergänzen das touristische Menü. Was allerdings für die Autoren spricht ist die Tatsache, dass sie ihre Reise am Schluss der Sommersaison unternommen haben, so dass sie einerseits die touristischen Zentren beinahe «für sich» in Anspruch nehmen und andererseits den lästigen Mücken ausweichen konnten.

Die zwei Geografen haben sich (Beruf verpflichtet) zwar die Mühe genommen, im Anhang auf einige geologische und physikalische Fachausdrücke näher einzugehen, als allfällig potentieller Islandwanderer vermisst man jedoch etwas Ähnliches für den Bereich Trekking. Leider werden auch sonst wenig geschichtliche oder kulturelle Hintergründe vermittelt. Auf Seite 287ff wird man immerhin mit Literaturhinweisen bedient. Ein Ortsverzeichnis und eine Übersichtskarte mit der Reiseroute fehlen nicht. Gänzlich missraten sind die Schwarzweiss-Abbildungen. Hier scheint die Druckerei von Island geträumt zu haben, als sie das Buch in Produktion hatte. Nichts desto Trotz: Nach dem Lesen des Werkes verspürt man förmlich einen inneren Drang, den Rucksack voll zu packen und ins Land der Vulkane, Geysire, Thermalbäder und der seltsamen, schier unverständlichen Sprache aufzubrechen.

8. März 2008

Mit Betty Bossi auf Wanderschaft

Thomas Widmer, Zu Fuss – 2, Echtzeit
Verlag, Basel, 2008
Als Thomas Widmers äusserst erfolgreicher Erstling «Zu Fuss» anno 2007 das Licht der Welt erblickte, wurde Vielwanderer Widmer von den Medien prompt als «Wanderpapst» gefeiert. «A Wanderpapst is born», steht nun folgerichtig auf dem Umschlag des im März 2008 erschienenen Zweitlings mit dem ebenso folgerichtigen Titel «Zu Fuss – 2». Was aber macht einen schreibenden Wanderer oder wandernden Schreiberling zum Papst? Diese Frage beschäftigt den Rezensenten seit dem erstmaligen Auftauchen dieses Prädikates immer wieder. Ohne des Autors geniale Wortschöpfungen*, Ideenreichtum, verständlich geschriebenen Kurzrecherchen und die Fähigkeit, uns Menschen zur Wanderlust zu verführen, schmälern zu wollen: Macht dies einen Wanderpapst aus? Papst hiesse ja auch, Stellvertreter Gottes auf Erden und damit unfehlbar zu sein. Ist Gott ein Wanderer – und Widmer unfehlbar? Er (Widmer), der Exil-Appenzeller in Zürich, Arabist, Islamwissenschaftler und Journalist. Ungeklärt in dieser Angelegenheit ist zudem die Haltung des Vatikans. Aber lassen wir das.

Zurück zum Buch: Dieses knüpft punkto saisongerechtem Wanderkonzept, Aufmachung und Volumen nahtlos an den erwähnten Bestseller an. Zu den 52 Wanderungen von Band 1 gesellen sich «52 neue Schweiz-Wanderungen », die allesamt in Widmers vielbeachteter Weltwoche-Kolumne erschienen sind. Die Wanderungen unterschiedlicher Länge spielen wiederum in den meisten Landesteilen der Schweiz. Was aber hält Widmer vom Kanton Schaffhausen, der Westschweiz, den Kantonen Neuenburg, Uri, Jura oder Thurgau ab? Gibt es hier die schlechteren Beizen oder liegt sonst ein Grund vor? Wir wissen es nicht und lassen uns überraschen, denn wer Widmer kennt ist sich bewusst: Vor seinen Füssen ist kein Flecken sicher, und seine Feder weiss über alles und jedes etwas zu schreiben.

Wie dem auch sei: Das Must für Schweiz-Wanderer gleicht in seiner bestechend einfach zu gebrauchenden und qualitativ hochstehenden Art (dazu gehören wiederum Nahweh-fördernde Fotos von Raffael Waldner) eher einem Kochbuch aus dem Hause eines berühmten Kochbuchverlages, weshalb wir Widmer etwas neutraler als «Betty Bossi der Wanderer» bezeichnen. Da es der 1962 geborene Autor bereits auf über 170 Wanderkolumnen gebracht hat, wird die Herausgabe von «Zu Fuss – 3» lediglich eine Frage der Zeit sein. Bis dahin unternehmen wir ein paar seiner schmackhaft vorgetragenen Wandertouren und überlegen uns dabei eine passende männliche Form seines soeben verliehenen Titels.

*Stellvertretend für Widmers Kreationen seien genannt: «Forschungsreisender im eigenen Land» über sich selber, «Rapidwuchs» für den touristischen Bauboom in Grächen, «alpine Liebespaare» auf dem Winterwanderweg Riederalp–Fiescheralp, «tumorartig aufgeschwollene Chalets» im Klosters der High-Society, «vermasste Wintersportzone» für die Skiliftanlagen auf dem Flumserberg, «WC-Stöckli» für das freistehende Toilettenhäuschen am Bahnhof Spinas oder «Gipfelchaot» für den vielgipfligen Pilatus.

7. Januar 2008

Der Spass am scheinbar Mühsamen

Daniel Silbernagel, Winterwelt Jura,
SAC-Sektion Basel, 2005.
Viele Menschen kennen den Jura lediglich vom Hörensagen, waren seinerzeit vielleicht auf einer Schulreise am Etang de la Gruère oder auf dem Creux-du-Van. Das war’s dann auch. Jenen, denen die Gegend etwas sagt, denken beim Stichwort «Jura» an Herbstwanderungen über dem Nebel, an Langlauf und mehr und mehr ans Schneeschuhlaufen. Wem aber kommt bei all dem das Skitourenfahren in den Sinn? Denn: Geht das in einem Gebiet mit flachen Bergrücken und steilen, meist dicht bewaldeten Bergflanken, den ewigen Aufs und Abs mit dem immer wiederkehrenden Felledrauf- und Felledrabprozedere? Geht das wirklich und macht erst noch Spass? Des Rätsels Lösung ist einfach: Es geht – und macht Spass!

Der Basler Bergführer Daniel Silbernagel ist derart vom Skitourengehen «im Reich der kleinen Berge» angetan, dass er gleich einen entsprechenden Führer verfasst und Ende 2005 in Zusammenarbeit mit dem SAC-Basel herausgebracht hat. Darin beschreibt Silbernagel nicht nur 25 (genau genommen sind es nur 24) Skitouren zwischen Yverdon und dem Fricktal, er gibt auch juraspezifisches Skitourenwissen weiter. Was hat es mit den Hunden, was mit den unzähligen Stacheldrähten, dem Nebel, den Lawinen und der richtigen Ausrüstung auf sich? Aber auch Themen wie die Geschichte des Skitourenfahrens im Jura, den Wald- und Schutzzonen sowie die Benützung des öffentlichen Verkehrs lässt der 1971 geborene Autor nicht aus.

Das beschriebene Tourenangebot enthält nebst – Insidern bestens bekannten – Tourenklassikern auch fantasievoll ausgetüftelte Unternehmungen, die in drei Schwierigkeitsgrade klassiert sind. Die einzelnen Routen wurden so beschrieben, dass sie mit Hilfe der Landeskarte 1:25 000 gut zu planen und im Gelände auch zu finden sein sollten. Der echte Jurakenner zeichnet sich bekanntlich dadurch aus, dass er den zahlreichen, meist abgelegenen Bergbeizen Rechnung trägt. So auch unser Autor, der die Öffnungszeiten der oft heimeligen Stuben gleich mitliefert. Mitgeliefert erhält man zudem kurze Artikel zu einzelnen lokalen Themen, die der durchstreiften Gegend ein zusätzliches Gesicht verleihen. Die handliche Broschüre beinhaltet im weiteren sämtliche relevanten technischen Daten mitsamt zahlreichen stimmigen schwarzweiss Fotos.

Wer jedoch mit Skitourenfahren weder in den Alpen noch im Jura etwas anfangen kann, und es eher mit Schneeschuhwandern hat, der findet in «Winterwelt Jura» die eine oder andere Köstlichkeit, die auch bei etwas prekäreren Schneeverhältnissen noch genossen werden kann. So gesehen taugt der Führer auch den Ansprüchen der Schneeschuhzunft. Daniel Silbernagel betreibt ebenfalls die Webseite www.winterwelt-jura.ch, wo ab Mitte Dezember jeweils ein Schneebulletin zu Rate gezogen werden kann. Hier gibt’s zudem Informationen über die Betriebszeiten der lokalen Seilbahnen sowie den Zustand der Schlittelwege in der Region. Die Aufgabe eines Wander-, Reise- oder Skitourenführers besteht darin, die Leserschaft auf die beschriebene Gegend «glustig» zu machen. Daniel Silbernagel ist dies auf vortreffliche Weise gelungen. Anerkennung verdient auch der Mut, einen Führer zu einem für das Gebiet doch eher exotischen Thema zu verfassen. Dies, notabene, zu einem wirklich fairen Preis.