29. April 2016

Leben unter dem Überhang

Kürzlich bin ich auf einer Wanderung von Zollikofen nach Vechigen an den Höhlenwohnungen bei Krauchthal vorbei gekommen. Im Gegensatz zu früher, führt der Weg nun nicht mehr über den Vorplatz der in den Fels gebauten Liegenschaft, sondern in Rufdistanz dem Hang entlang. Die neuen Besitzer mögen es verständlicherweise leid geworden sein, wenn sich dauernd irgendwelche buchstäblich Dahergelaufenen vor der Haustüre tummelten und sich über diese für Schweizer Verhältnisse ziemlich einmalige Wohnform ergötzten.

Zugegeben, auch ich war beeindruckt ob der Wohnlage unter der lotrechten Sandsteinfluh, hütete mich aber, in den verbotenen Bereich einzudringen. Weil es mich wunder nahm, wie es eigentlich zu diesen Höhlenwohnungen gekommen ist, ging ich ein wenig auf Recherche und habe nachfolgenden Artikel gefunden. Er ist 1951 in der Berner Zeitschrift für Geschichte und Heimatkunde (Band 13)  erschienen (Autor: © Max Schweingruber). Ich empfehle das Ganze hiermit zur Wochenendlektüre.


DIE HÖHLENWOHNUNGEN VON KRAUCHTHAL

Obschon unsere Wohnhäuser immer wohnlicher gebaut und mit jedem möglichen Komfort ausgestattet werden, sind in unserm Lande doch noch Wohnungen anzutreffen, die als direktes Überbleibsel der vorgeschichtlichen Zeit zu werten sind. Jedem Wanderer, der das verträumte Lindental durchstreift, fallen unweit des Dorfes Krauchthal, hoch am Hang unter senkrecht abfallenden Flühen, eigenartige Wohnstätten auf. Es sind die weitherum bekannten Felsenwohnungen, oder, wie der Volksmund der Gegend sagt, die «Fluehüsli». Da solche in der Schweiz ausser in Eggiwil sonst nirgends mehr bewohnt sind , seien sie hier einer genaueren Beschreibung unterzogen.

Auf der Ostseite des nördlichen Bantigersporns finden sich in der Mitte zwischen den Dörfern Krauchthal und Lindental zwei mächtige Höhlen. In einer knappen Viertelstunde haben wir sie von der Strasse aus erreicht. Vom Gehöfte Lindenfeld windet sich ein Fussweglein mit zeitweiligen steilen Treppen mit durchschnittlich 100% Neigung (Maximalsteigung 120%, d.h. mehr als 50 Grad Neigung) die Halde hoch zu ihnen empor . Bald gleitet der leichte Schuh auf den ausgewaschenen Felsweglein aus, bald umgeht der Weg mächtige Sandsteinbrocken, die, von der Witterung angenagt, in Vorzeiten einst von den schroffen Wänden niederstürzten und im Gehängeschutt steckenblieben. Kein Ackerland unserer Gegend liegt so abschüssig wie dieses. Doch wird mit Liebe und zähem Fleiss, aber auch aus bitterer Notwendigkeit dem kargen, steilen Boden das tägliche Brot entrungen. Dank ihrer ausgesprochenen Ostlage erreichen schon die allerersten Strahlen der hinter den Krauchthalerbergen aufsteigenden Sonne die Wohnungen. Vom frühen Nachmittag an liegen sie aber bereits wieder im Schatten. Die von den türmenden Felsen aufgespeicherte Wärme lässt aber noch keineswegs Frösteln aufkommen.

Der Blick hoch vom Wanderweg.
Als der Aaregletscher während der letzten Eiszeit (vor etwa 50 000 Jahren) seine Arme vom Aare- und Worblental seitwärts streckte, hobelte er sich in den weichen Molassesandstein auch das Lindental. Schmelzwasser haben weiter an der Modellierung gearbeitet. Als sich der Gletscher bis auf die Höhe unserer Felsenwohungen eingeschnitten hatte, wusch der ihm entfliessende Strom zwei waagrecht liegende halbrunde Höhlungen in das Gestein. Ein Mensch, der in der Urzeit schon die Wälder am Bantiger jagend erforschte, entdeckte diese Balmen und erkor sie als Wohnstätte, boten sie doch Schutz vor Regen, Schnee und Kälte. Trotzdem noch andere solche Erosionsformen in der Gegend anzutreffen sind, wurden bloss diese zur Bewohnung ausgesucht, weil sie genügend Platz bieten, trocken und sonnig, nicht weit vom Verkehrsweg entfernt sind, und das Vorgelände leicht zu roden ist. Möglicherweise wurden auch andere Balmen bewohnt, z.B. die bei den «Fluhäckern» zwischen Krauchthal und Dieterswald, Spuren einer Bewohnung deuten darauf.

Gotthelf lässt in seinem Handwerksgesellen-Roman den Jakob durch das Lindental wandern und beschreibt unsere Wohnstätten: «Thorberg gegenüber sind die bekannten Felsenwohnungen des Lindentales, sie sind armer Leute Schutz und Zufluchtsort. Dort fordert der Hausherr keinen Hauszins, der Hausherr ist Gott. Dazu sind sie noch viel solider als viele Paläste der Neuzeit, es ist noch keine eingefallen, es hat aber auch kein Baumeister sie gebaut, der die Arbeit im Verding und es nötig hatte, an schlechter Arbeit reich zu werden, der Baumeister war Gott .»

Beide Höhlen sind nach Entstehung, Form und Anlage der Wohnstätte gleich, nur die Grösse ist verschieden; doch wohnt in jeder eine Familie. Während die Familie der grösseren sich fast ausschliesslich durch Landwirtschaft erhält (weil dazu der nötige Platz unter dem «Dache» vorhanden), ist der Besitzer der kleineren Höhle Handlanger und betreibt die Landwirtschaft gleichsam als Nebenerwerb. Da sich die beiden Wohnungen sehr ähnlich sind, beschränkt sich unsere Darstellung bloss auf die grössere (südliche).

Der terrassierte Garten.
In diese Höhlen sind nun die Häuser hineingestellt. Ganz aus Holz gebaut gleicht die Vorderfront der eines einfachen, ärmlichen Bauernhauses. Hintere und Seitenfront stehen am oder gegen den Felsen. Das Dach bildet ein 45 bis 50 Meter hoher Felsen, dessen Haupt mit Wald bestanden ist. So verstehen wir, dass unsere heutigen Troglodyten das Holz auf ihrem Dache schlagen können. Dieses verleiht nicht nur dem Haus den nötigen Schutz, sondern deckt mit seinem 4 Meter breiten Vorscherm noch einen schönen Teil des Vorplatzes. Es nimmt selbst dem Gaden kein Licht weg, da sich das Dachtrauf 8 Meter über dem Boden befindet. Die Fenster des Hauses sind alle nach vorne gerichtet. Freundlich blitzen die Scheiben im Morgenglanz ins Tal hinunter, abends gibt seit 1946 die elektrische Lampe Kunde, dass in den Fluhhäuschen oben die Menschen noch an der Arbeit sind, oder dass sie des Feierabends pflegen. Das Haus ist einstöckig, auf der Decke Bühne und Estrich. In der primitiven Küche denkt wohl man daran, den Rauch durch ein Blechrohr ins Freie zu fördern. Heute aber ist die Küche noch eine «Rauchküche», d.h. der Rauch entsteigt frei dem Kochherd und Ofen und findet durch die Ritzen und Spalten der Vorderfront den Weg ins Freie. Weil sich der Rauch schon seit vielen Jahrhunderten auf diese einfache Weise verzieht, ist die Decke der Höhle bis zum Vorscherm hinauf vom Russ glänzend schwarz. Wie im Bauernhaus der obere Abschluss der Küche das Dach ist, ist es in den Fluhhäuschen die nackte Fluh. Um etwas Wohnraum zu gewinnen, wurde ein Teil der Küche in Stubenhöhe unterschlagen und ein einfacher Gaden gebaut. Da die Bewohner z.T. Selbstversorger sind, ist auch für die nötigen Ställe gesorgt. Mit eigener Hände Arbeit sind diese nach Bedarf an- und umgebaut worden. Der Kuhstall bietet Platz für drei bis vier Stück, der Schweinestall für deren ein bis zwei.

Es mag noch vor den Zeiten der Industrialisierung gewesen sein, dass die Fluhhäuschenbewohner dem Weberhandwerk oblagen; der Rest eines jetzt zugemauerten Webkellers zeugt noch davon. An dessen Stelle befindet sich jetzt der Kuhstall.

Schlimm steht es heute mit dem Wasser. Während dieses bis vor kurzem der Rückwand der Höhle entquellte, ein ordentliches Brünnlein bildete, ist es seit der dürren Sommer fast versiegt. Die trockenen Jahre und vielleicht auch andere Umstände haben ihm schwer zugesetzt. Alles Wasser musste während Jahren eine Viertelstunde weit mühsam mit der Brente oder mit Kesseln bergauf getragen werden. Seit dem Sommer 1951 enthebt die elektrische Pumpe die Familie dieser Tätigkeit. Die Wasserbeschaffung ist ein schlimmes Kapitel im Leben unserer Höhlenbewohner. Viel Zeit, viel Arbeit und viel Geld wurde schon aufgewendet, um dem empfindlichen Mangel abzuhelfen.

Wenn auch die Felsenwohnungen nicht zu den komfortablen Behausungen gezählt werden können, bieten sie doch zwei ehrbaren Familien einfache, aber gesunde Unterkunft. Wer behauptet, sie seien feucht, zu wenig belüftbar, ohne Sonne und somit ungesund, kennt sie nicht aus eigener Erfahrung.
«Übrigens sind in den Höhlenwohnungen nicht ärmliche Notbehelfe, sondern Reste einer uralten Wohnweise zu sehen.» Hält diese Behauptung der geschichtlichen Tatsache stand? Wir können sie nicht nur bejahen, sondern auch beweisen, dass diese Behausungen die gleichen sind wie vor Jahrtausenden; der Mensch hat sie allerdings mit den heutigen Mitteln ausgestattet.

Sobald die Bäume ihr Laub tragen, versteckt sich die Felsenwohnung.
Ums Jahr 1907 kamen bei Grabarbeiten in einem der Häuschen in «Branderde» Knochen und ein steinzeitliches Steinbeil zum Vorschein . Die ersteren wurden leider fortgeworfen, die alte Kulturschicht nicht untersucht, das Steinbeil bewahrte aber glücklicherweise Lehrer Peter Grimm in Krauchthal auf. Im Heimatbuch Burgdorf Bd. II ist es von Bendicht Moser, Diessbach b. Büren, abgebildet. Masse und Form: 10 cm lang, 4,8 cm breit; sehr primitiver Charakter, spitznackig und nur wenig geschliffen. (Im Heimathuch Burgdorf wird der Fundort mit «Gümmel» bezeichnet; dies ist der Name einer benachbarten Flur.)

Das Fundstück stammt aus der Jungsteinzeit (Neolithikum)  und wurde demnach vor 5000–8000 Jahren vom Menschen geschaffen. Es war jene Zeit, in der an unseren Seen die Pfahlbauer wohnten. Es ist zu vermuten, dass diese günstige Lagerstätte schon in der Älteren Steinzeit (20 000? bis 6000? vor Chr.) aufgesucht worden sind.

Wenn auch die Menschen der neolithischen Zeit sesshaft geworden waren, Ackerbau und Viehzucht trieben, können wir uns leicht vorstellen, dass unsere dortigen Bewohner zum Lebensunterhalt auf die Jagd angewiesen waren. Auf den nun eisfrei gewordenen Gebieten erhob sich ein aus Rot- und Weisstanne, Pappel, Birke und Rotbuche bestehender undurchdringlicher Urwald, in welchem sich mancherlei Arten von Waldtieren entwickeln konnten. Edelhirsch, Ur (Auerochse, Stammart des Hausrindes), Wildschwein, Bär, Reh, Fuchs und Hase boten dem Menschen begehrte Nahrung. Weitere Abwechslung brachte das Einsammeln von Holzäpfeln, Beeren und Nüssen von wildwachsenden Pflanzen .

In das endneolithische Zeitalter weist auch das Kupferbeil, das auf dem «Fluhacherli», auf dem «Dach» der Höhle, gefunden wurde.

Die nächsten Funde wurden ebenfalls nicht in der Höhle selber, sondern auch auf der eben genannten Flur gemacht; doch können wir annehmen, dass der nahe Unterschlupf von Landleuten bewohnt war, während sich auf der Höhe eine römische Siedlung erhob. Man kann an eine Warte denken, die mit Thorberg in Augenverbindung stand und auf dem höchsten Platz stehend das Lindental beherrschte. In ein Meter Tiefe findet sich eine Steinsetzung; der Spaten mag über die Deutung der dortigen Gebäulichkeiten entscheiden. Auch wurden römische Ziegelreste, zwei römische Münzen und ein römischer Mühlstein gefunden . (Münzen: Faustina Pia und Claudius Gothicus, aufbewahrt im Historischen Museum in Bern. Mühlstein: Granit, Durchmesser34 cm, Höhe 18 cm, quadratische Eintiefung zur Aufnahme eines Drehhebels; im Besitze von Familie Schneider, «Löwen», Krauchthal.) Unsere Vermutung wird also kaum fehlgehen, dass die Felsenwohnungen auch zur Zeit von Christi Geburt bewohnt waren. Es führte vermutlich ja ein Strässchen von der römischen Siedlung von der Engehalbinsel bei Bern durch unser Tal (Hubgraben) in den Aargau, wo es sich mit der Hauptstrasse Aventicum–Vindonissa vereinigte.

Anderthalb tausend Jahre dauerte es, bis wir weiteres aus der Geschichte unserer Felsenwohnungen vernehmen. Der Mensch ist jetzt durch die wohnlicheren Stätten verweichlicht, das Klima zu rau, als dass er, wie in der Urzeit, in den weit offenen Höhlen hätte hausen können. Darum mögen sie bloss nur noch zeitweilig Unterschlupf geboten haben. Um die Mitte des 16. Jahrhunderts will sich aber ein Familienvater in einer der Höhlen häuslich niederlassen und durch zweckmässigen Einbau vor der Kälte schützen. Da das Land ehemals Kloster- und jetzt Staatsbesitz war, musste er von der Regierung zu Bern eine Baubewilligung einholen. Der Ratsschreiber trug am 25. Mai 1565 ins Manual ein: «Alllsdann Nicli Jost begärt ime by Krouchthal in einer flu zehusen / zeverwilligen / soll sich der Schaffner zu Torberg erkundigen, ob dess Vermögens.» Die gnädigen Herren waren also einverstanden, Nicli Josts Vermögen wird den Vorschriften entsprochen haben, sodass er ein Haus in die Höhlen bauen konnte. Von jetzt an sind sie ständig bewohnt und werden als Felswohnungen bezeichnet. In den Archiven finden wir darüber nichts mehr.

Bis heute wusste man nichts genaueres, seit wann die Höhlen bewohnt sind. Johann Rudolf Wyss der Jüngere (1781–1830) war meines Wissens der erste, der sie beschrieben hat . 1812 meldet er von ihnen, dass sie «von alter Zeit her zu menschlichen Wohnungen benutzt worden». Gotthelf erwähnt sie 1864 als weitherum bekannt . Der «Bärndütsch-Pfarrer» Emanuel Friedli rühmt in seinem Band «Lützelflüh» (1905), dass unsere Fluhhäuschen malerisch seien und Leopold Rütimeyer zählt sie in seinem Werk «Ur-Ethnographie der Schweiz» I, 924 zu den «Abris sous roche».

Während Jahrtausenden lebten dort Menschen, aber nur wenige Lichtblicke erhellen das Dunkel der Vergangenheit dieser Stätten. Nach dem Gang in längst versunkene Zeiten tauchen wir wieder in die Gegenwart und fragen uns nach der Beschäftigung der heutigen Bewohner. Die heutige Zeit ist nicht vor unsern Höhlenbewohnern still gestanden. Auch sie geniessen die Errungenschaften der Zivilisation und führen ein Leben wie die anderen Dorfbewohner.

Blick von der gegenüberliegenden Talseite zu den zwei Felsenwohnungen.
Im Text ist die Rede von derjenigen links im Bild, die auch die Fotos oben zeigen.
Wenn ihnen vor wenigen Jahrhunderten noch der Wald einen grossen Teil der Nahrung spendete, sind sie heute angewiesen, neben der Bebauung ihres Landes den Erwerb anderswo zu suchen. Frühere Fluhhäuschenbewohner waren Weber, Geschirrflicker, Schuster, Feldmauser, die heutigen Maurer, Handlanger und Zimmermann. So verdienen sie, was ihnen der Boden nicht gibt. Dieser ist so steil, dass es bis vor kurzem bloss die Hacke war, womit sie ihn bearbeiteten. Dank des Benzin- und neuerdings auch des Elektromotors sind sie aus den «Hackbauern» «Pflugbauern» geworden. Die Seilwinde kann aber nicht auf das etwa eine Jucharte haltende «Fluhacherli» gestellt werden, sodass es heute noch gilt, Mist und Jauche mit Räf und Brente zu tragen, und was der Boden an Heu und Gras, Getreide und Kartoffeln hervorbringt, auf dem Rücken nach Hause zu schleppen. Wohl ist die Ernte in Jahren mit durchschnittlichen Niederschlägen eine gute, aber in trockenen Zeiten ist die Humusschicht zu dünn, um die Früchte des Feldes gedeihen zu lassen.

Der gemütvolle Wanderer und der Maler finden die Höhlenwohnungen und das Leben darin idyllisch und romantisch; wer aber das Leben der Leute kennt, weiss, dass es hart ist. «So wild und hoch, und zumal im Winter auch beschwerlich diese Wohnungen sind, so wenig scheinen doch die Bewohner Lust zu haben, sich drunten im Tale bequem und sicher anzubauen, und so tröstlich scheinen sie zu hoffen, dass auch ihre Enkel noch hier in Ruh' und Einfalt, selbst von dem Luxus des benachbarten Dorfes entfernt, ihre Lebenstage verbringen werden.» (Joh. Rud. Wyss.)

Abgeschiedenheit und Eigenart dieser Wohnstätten haben den menschlichen Geist je und je zum Erzählen von schaurigen Geschichten verlockt. Müssen wir sie in das Reich der Phantasie verweisen? Ein im Frühling 1950 bei den Fluhhäuschen in 4 Metern Tiefe gefundener prächtig erhaltener Unterkiefer eines jugendlichen Menschen mag vielleicht ein Fingerzeig sein, dass auch an der Sage etwas Wahres sein könnte.

Die Sage lautet nach Joh. Rud. Wyss wie folgt: Im Herbst 1375 hatten die Gugler das Kloster Fraubrunnen überfallen und die Nonnen vertrieben. Der brave Klosterknecht Heinz aus dem Lindental flüchtete sich mit Agnes von Waidenburg und ihrer Jüngern Schwester Berta in die Wildnis bei Krauchthal. Er wusste dort zwei versteckte Höhlen. Nach Thorberg wollten die beiden frommen Frauen nicht, denn der junge Ritter Peter war ihnen nicht nur fremd, sondern auch als hartherzig und wild verschrien. Er war eben aus dem Aargau heimgekehrt, um seinen betagten Vater und eine junge Base, Gertrud von Grünenberg, vor den Guglerhorden zu beschützen. Der alte Thorberger wünschte vor seinem Tode noch Enkel zu sehen, und Fräulein Gertrud, sanft und herzensgut, schien ihm zur Sohnesfrau wie gemacht; der Stamm der Thorberger sollte nicht aussterben. Aber Peter mochte sich nur ungern fremdem Rate fügen, und Gertrud war ihm zu fromm und zu still. Allgemach fand sich Peter mit der Base zurecht und versprach halb und halb, diese zu freien, und die Base, ob sie auch mehr sich in ein Kloster sehnte, versprach halb und halb, dem guten Vater den Willen zu erfüllen.

Da ritt Peter aus mit seinen Rüden, am Bantiger die Wolfsspur zu suchen. Dunkelheit und Regen überraschten ihn. Er stieg vom Pferd, ging sachte bergab, verlor den richtigen Pfad und stürzte über eine Fluh. Hart neben die Felshöhle der zwei verborgenen Schwestern kam er zu liegen. Agnes und Berta erbleichten vor Schrecken, fassten sich aber, da sie an den jammernden Tönen einen Menschen erkannten, und erblickten einen Mann, der sich mühte aufzustehen. Als Peter die liebliche Jungfrau Berta sah, glaubte er, ein Engel vom Himmel sei erschienen, um ihn zu retten. Peter gab sich als Jäger aus und wurde von den Schwestern aufs Beste gepflegt. Als diese Arznei und Stärkung bereiteten, glänzte das Gesicht der jugendlichen Berta im Feuer wie das Antlitz einer Heiligen, und dem Peter wurde das Herz noch kränker als der Fuss. Mit Anbruch des vierten Tages seufzte er, dass er nun endli ch gesund sei und weiterziehen müsse. Er kehrte nach Thorberg zurück, schlich aber nur noch still und trübsinnig herum.

Unterdessen wurde es Winter und in der Höhle so kalt, dass die Schwestern erkrankten. Die verschmähte Braut Gertrud von Grünenberg folgte einst heimlich ihrem Vetter, der sich längst auf gewohntem Wege befand. Sie kam in die Höhle und pflegte die Schwestern liebevoll. Agnes genas bald unter ihrer Fürsorge, Berta aber starb nach fünf schmerzensreichen Tagen. Herr Peter wollte das Totenamt der teuren Berta und ihr Leichenbegängnis mit hoher Feierlichkeit auf der Burg Thorberg halten und den im Tode noch schönen Leib in die Gruft seiner Väter legen. Auf Wunsch der beiden Frauenwurde Berta aber vor der Höhle bestattet. So wurde dem jungen Ritter seine Geliebte zum zweiten Mal entrissen. Auch Gertrud war ihm verloren. Den Peter von Thorberg fasste ein grosses Herzeleid, ein finsterer Geist kam über ihn. Wild warf er sich, ergrimmt über den Untergang seiner schönsten Hoffnung, hinein in das Kriegsgewühl und die Händel der Welt. Nach langen Jahren kehrte er zurück und beschloss, den Rest seines Lebens still als Waldbruder in der kleinen Balm zu verbringen, neben der Klause, wo Gertrud und Agnes auch jetzt noch in andächtiger Abgeschiedenheit weilten.

28. April 2016

Ich gehe vegan

Meine neuste Errungenschaft ist ein Paar hype Outdoor-Schuhe. Ich war auf der Suche nach geschlossenen und gleichzeitig leichten Tretern, die ich auf Zelttouren mitnehmen kann, um abends im Camp nicht in den schweisselnden Wanderschuhen herumsitzen zu müssen. Gefunden habe ich einen Schuh der Marke Merell, dem man seine Eigenschaften nicht auf den ersten Blick ansieht. Und dass er sogar vegan ist, macht ihn doch doppelt sympathisch. Bin gespannt, ob der Schuh hält, was er verspricht. Meine erste Gehprobe mit dem Bare Acess 4 (400 g/Paar bei Grösse 10½) ist schon mal sehr verheissungsvoll ausgefallen. Hier noch das technische Kauderwelsch:


Barefoot-Running at it’s best! Die vierte Auflage des Bare Access sorgt dank der MBound™ Mittelsohle für ein noch energetischeres Feedback. Dank der 8 mm starken Dämpfung ist der Schuh prädestiniert für lange Trainingseinheiten oder Läufe auf Asphalt. Der Zero Drop (0 mm Gefälle zwischen Ferse und Ballen) bietet unmittelbaren Kontakt zum Boden, aktiviert die Muskulatur und sorgt für ungetrübtes Barfuss-Feeling.

OBERMATERIAL/FUTTER
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ZWISCHENSOHLE/AUSSENSOHLE
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• vegan

26. April 2016

Widmers Wunderwelt

Thomas Widmer: Schweizer Wunder,
Echtzeit Verlag, Basel, 2016
Es misst herzige 10,5 x 14,6 cm, ist 180 Gramm leicht und beinhaltet 183 Destillate aus Thomas Widmers Wanderschatz. Schweizer Wunder nennt sich das neuste Werk des unermüdlichen Schreibers und Gehers. Auf 235 Seiten – der Band ist insgesamt 272 Seiten stark – werden dem Leser Kuriositäten aus allen Ecken des Landes präsentiert. Episödchen und Fakten, Lokalhistorie und Ethymologisches, Bekanntes und zumeist Unbekanntes. Es ist, aller Erwartungen zum Trotz, kein Wanderbuch. Die eine oder andere Routenbeschreibung kommt technisch bedingt vor, vielmehr haben wir es indes mit einer Art Gegenentwurf zum 0815-Tourismus zu tun: einem Schatzkästlein für den stillen Geniesser. Widmers Wunder sind am Wegrand aufgegabelte Trouvaillen. Mal witzig, mal tragisch. Mal skurril und mal komisch, aber auch lehrreich, den Gwunder weckend, obendrein unterhaltsam zu lesen und erst noch voll familientauglich.
 
Da sind zum Beispiel die Kamele auf der Bergmatten im Solothurner Jura, das Sennentuntschi im Calancatal, das Globularhaus im schaffhausischen Trasadingen, die brutalistische Kirche von Hérémence im Wallis oder die Arche Noah im jurassischen Vicques. Allesamt Amuse bouches, die zu Ausflügen oder Wanderungen animieren. Als optische Intermezzi haben sich die Buchgestalter etwas Besonderes einfallen lassen. Einige der Wunderorte werden aus der Vogelperspektive gezeigt. Die perfekten Luftaufnahmen des Bundesamtes für Landestopografie verleihen dem Werk eine dritte Dimension. Die gewählten Bildausschnitte verdeutlichen die unglaubliche topografische Vielfalt als neu zu entdeckendes Wunder. Dass man dies von Vorteil zu Fuss tut, beweist Thomas Widmer mit seinem Lese-, Wander- und Schmunzelbuch einmal mehr in vortrefflicher Manier.

Wer den «Wanderpapst» persönlich kennenlernen möchte, dem bietet sich anlässlich der Buchvernissage die Gelegenheit: Mittwoch, 27. April 2016, 19.30 Uhr im Miller's Studio an der Seefeldstrasse 225 in Zürich. Tickets können hier reserviert und bezahlt werden.

24. April 2016

Solothurn – Corcelles

Abstieg vom Hinter Weissenstein nach Gänsbrunnen (SO).


Auch heute bestätigte sich die alte Wanderweisheit, dass garstiges Wetter nicht selten die schönsten Erlebnisse und Eindrücke ermöglicht. So hatte ich es im Vorfeld meinem Wandergrüppchen angekündigt, und so ist es auch eingetroffen.

Zu dritt wuselten wir durch die Altstadt von Solothurn. Samstagsmärit unter Regenschirmen, anschliessend sakrale Quartiere, durchmischt mit barocken Villen und Herrschaftshäusern. Ein Bärlauchbach dann, oberhalb davon die psychiatrische Klinik. In Langendorf ein Höllenverkehr, alle fahren sie einkaufen, die nahe Migros das verlockende Ziel. Wir rätseln, weshalb der viereckige Migros-Monsterkamin eine überdimensionierte Uhr ziert. Egal.

Ab in den Frühlingswald, hoch nach Oberdorf, dem Basislager für Weissensteinbezwinger. Es regnet und regnet und regnet. Mal so und mal so. Rast am Bahnhof. Dahinter gondeln die Gondeln stumm auf den Stein, den weissen – in der Endlosschlaufe. Ein paar Autos verlieren sich auf dem Parkplatz. Für das Gros des Volkes ist kein Hausbergwetter.

Gestärkt weiter. Steil der Direktanstieg zum Hinter Weissenstein. Abnehmend das grüne Blattwerk. Bärlauch da und dort. Oben, der Tritt aus dem Wald. Kurz das Gras, vernebelt die Sicht. Eine Landschaft an der Bruchstelle zwischen Winter und Frühling. Willkommen die Wärme der Bergwirtschaft, willkommen Kaffee und Kuchen. Hübsch die junge Bedienung. Verdammt hübsch.

Nicht weniger direkt der Abstieg auf der Nordseite des Riegels. Unmarkiert der Weg, aber lohnend, sehr lohnend. Jura vom Feinsten! Zurück in das Lenzgrün, hinunter nach Gänsbrunnen und hinein in den Berner Jura. Erneute Pause in der Düsternis des Gänsbrunnener Bahnhofs. Ein Unort fürwahr, aber ein wichtiger.

Kräftiger Regen nun, doch frohgemut ziehen wir los, ein gutes halbes Stündchen noch. Vorerst der Bahnlinie entlang auf schönem Weg, am Lotterzoo der Siky-Ranch vorbei über ein Sättelchen, hinab nach Corcelles. Keine Augenweide das Dorf. Hier herrscht randregionale Beklommenheit. Vor uns türmt sich schemenhaft der Raimeux auf, die baldige Fortsetzung dieser Traumaktion. Weitere Fotos der 4. Etappe auf meinem Weg ans Nordkap gibt es hier.

21. April 2016

Ich bin wild aber lieb


Jetzt lauern, tigern und mauzen sie wieder vermehrt draussen herum.
Dieses Prunkstück traf ich neulich auf einer Feierabendwanderung
am Fusse der Gwattegg in Thun.

PS für Fotografen: Das Bild habe ich mit einer Systemkamera
und einem Objektiv von 40 mm Brennweite gemacht. Es muss
also nicht immer eine Spiegelreflex mit Tele sein ...

20. April 2016

Mit zwei Elefanten über die Alpen

Gerhard von Kapff: Mit zwei Elefanten über die
Alpen,
F.A. Herbig, München, 2010
Mit dem Entschluss, gemeinsam zu Fuss die Alpen zu überqueren, haben sich Gerhard von Kapff, seine Frau Sibylle und die Söhne Lukas und Felix einer ungewöhnlichen Herausforderung gestellt. Am Münchner Marienplatz beginnt ihr grosses Abenteuer, welches sie aufgrund einer Verletzung zwar nicht, wie geplant, in zwei, sondern in drei Anläufen schaffen, das sie dafür aber tatsächlich die Isar entlang, ins Gebirge hinein bis zum Markusplatz in Venedig führt.

Spannend, witzig und einfühlsam erzählt Gerhard von Kapff von den «Höhen und Tiefen» ihrer Wanderung, von gewaltigen Panoramen, erhebenden Gipfelerlebnissen, Motivationslöchern, Regengüssen und ungeahnten Muskelschmerzen. Er berichtet von absurden Begegnungen, dramatischen Zwischenfällen und kulinarischen Highlights auf dem «Traumpfad». Doch vor allem schildert er die positiven Aspekte dieses unvergesslichen Unternehmens, das die Familienbande vertieft und den beiden Jungs nebenbei vermittelt hat, dass mit ein wenig Abenteuerlust und Mühe auch scheinbar Unmögliches zu schaffen ist. 

Eine unterhaltsame und anregende Lektüre, die Lust macht, sofort die Wanderschuhe zu schnüren und loszumarschieren. (Klappentext)

Für einmal ein Klappentext, der hält, was er verspricht. Beeindruckend, wie die vier die insgesamt 554 Kilometer und 22 000 Höhenmeter in 35 Tagen bewältigen und berührend die letzten Sätze im Buch: Keine Trauer über das Ende unserer Tour hat jetzt noch Platz, nur Freude, Erleichterung und Stolz, etwas geschafft zu haben, woran wir fast bis zuletzt selbst noch gezweifelt haben. Lukas [der ältere der beiden Söhne] drückt sich an mich und lächelt: «Schön, dass ich so einen verrückten Vater habe, der mit uns von München nach Venedig gehen wollte.» Ich sage leise «Danke». Schön, dass ihr alle so verrückt wart, einfach mit mir mitzugehen.

19. April 2016

Skandinavische Vorboten

Auf der dritten Nordkap-Etappe vom vergangenen Samstag zeigte das Wetter seine unglaubliche Wandelbarkeit und Meteo Schweiz, wie präzise eine Wettervorhersage sein kann. Auf 10 Uhr wurde das Nachlassen des Regens prognostiziert, um 10 Uhr hörte es auf, um 11 Uhr schien die Sonne, die Temperaturen kletterten auf die angesagten Werte. Aus einer anfänglich tristen Angelegenheit wurde eine veritable Schönwetterwanderung mitten durch den spriessenden Frühling.

Zwei Besonderheiten muss ich erwähnen. Da war 1. der Dannebrog im kleinen Bauerndorf Iffwil. Die dänische Fahne flatterte völlig durchnässt im Westwind, sehr zu meiner Verwunderung und Freude. Und 2. verblüffte mich in der Dorfbäckerei von Lüterkofen nicht nur das feine Angebot sondern auch ein Artikel im Gratis-Magazin Schweizer Hausapotheke, das ich mir im Laden schnappte. Ein Beitrag befasst sich mit dem Phänomen der Nord- oder Polarlichter. Bin gespannt, welche skandinavischen Vorboten mich auf dem Weg bis Dänemark sonst noch begegnen.

Mitten in Iffwil (BE) weht bei strömendem Regen der Dannebrog.



Am Ende waren 33.2 km zurückgelegt. Während Stunden näherten wir uns dem Jura, dem der Schnee bereits abhanden gekommen war. Im Rücken die zunehmend kleiner werdenden Alpen. Die Vorfreude, die erste Jurakette zu überschreiten und damit in einen völlig anderen Landschaftstypus einzutauchen, nahm fortwährend zu. Die nächste Etappe scheint bloss noch eine Frage der Zeit.

Ausschnitt aus der Schweizer Hausapotheke, Nr. 1/2016

18. April 2016

Achtung, i chume!

Hans Künzi: Achtung i chume! Fischer
Media Verlag, Münsingen, 1997, lieferbar
im Licorne Verlag
Imene chräftige und unterhautsame Bärndütsch loht dr Hans Künzi syni Thuner Jugedzyt lo ufläbe. Disi isch genauso rych a luschtige Begäbeheite, wie syni Zyt in Lützuflüe. Wär jetzt aber gloubt, dr bekannt Pfarrer würdi syner Erinnerige imene nostaugische Sinn ufarbeite, irrt sech. Nid Schmärz oder Wehmuet stöh hinger den Erzählige, sondern ächti Fröid über ds Erläbte. E spitzbüebische Blick zrügg: So blitzt den o dr Humor meh oder weniger stark i aune Gschichten uf. D Erläbnis verleite nid zum Süüfze, sondern zum Ufschnufe oder Schmunzle. U d Gwüssheit, dass ou dr Herr Pfarrer zu jenere Zyt e Lusbueb isch gsy, füehrt zumene dopplete Vergnüege. [Übersetzt vom Klappetext]

BE: Thun, Margel, Uttigenbrücke, Aarebad Marzili Bern, Thunersee

15. April 2016

Der Fliegenschiss und das Nordkap


Lediglich zwei Etappen alt ist mein Vorhaben, per pedes das Nordkap zu erreichen, und schon zeigt sich auf der Übersichtskarte am unteren Bildrand der klitzekleine Fortschritt. Morgen Samstag soll es über 30 km weit nach Solothurn gehen. Ist dieses Ziel erreicht, dürfte das Fliegenschisschen zu einem veritablen Fliegenschiss geworden sein. Und nein, ich will erst gar nicht wissen, wie weit es bis ans Ziel ist, und wann ich dort ankommen werde. Ein Schritt ergibt den nächsten und fertig.

14. April 2016

Es Nasewunder

Chürzlech bini mit dem STI-Bus vo Thun uf Hünibach gfahre. Hinger mir si zwe euteri Wallisserinne ghocket u hei schuderhaft viu zbrichte gha. Eini het vo ihrer Wallfahrt uf Mariastei im Slolothurner Jura verzeut. Das sigi fei echly e Wäutreis dört häre, het das Froueli gmeint. Si heig sech im Devotionalielade de zwe Muetergottesstatue gchouft. Die einti, die mit em fründlechere Gsicht, heig si sech ines Sydepapier lo iiwickle u de no ines Styroporschachteli to. Wo si du deheime die Maria uspackt heig, heig dere d Nase gfäut. Die sig us unerklärleche Gründ abbroche u weder im Sydepapier no im Styropor zfinge gsy, «gottfridstutz!».

I ha du überleit, wele vo dene Heilige ächt chönnti zueständig sy, dass dem Firgürli wieder e Nase wachsi. Wöu i do aber nid eso drus chume, hani du ds Grüble lo sy. Viu meh beschäftiget het mit de doch no das «Gottfridstutz» vo däm Muetterli ännet em Lötschbärg.

Henu, das eim mou ab und zue d Nase verheit, isch mönschlech. U flueche im Grund gno doch o.

12. April 2016

Narrentod

Stephan Haenni, Narrentod, Gmeiner,
Messkirch, 2009
Thun, am Rande des Berner Oberlandes. Ein grausamer Mord droht den Frieden der Schweizer Kleinstadt zu zerstören: Ausgerechnet der «Fulehung», die Leitfigur des jährlichen Stadtfestes, wird tot in einer Schule aufgefunden. Kein leichter Fall für Privatdetektiv Hanspeter («Hanspudi») Feller, denn schon bald gibt es ein weiteres Todesopfer zu beklagen ... (Klappentext)

Narrentod war Stephan Haennis erster Kriminalroman, auf den er mit Brahmsrösi eine Steigerung seines Könnens unter Beweis stellte, um dann mit dem Drittling Scherbenhaufen leider nicht nachzudoppeln.

BE: Thun (Hauptschauplatz), Adelboden TI: Morcote F: Südfrankreich

11. April 2016

Worb – Schönbühl

Gestern bin ich dem Nordkap 20 km näher gerückt. Vom Worbletal durch und über Hügel ins flache Land in Sichtweite des Jura. Feuchte Wiesen, tödlicher Asphalt und – schattig, schattig – kühler Wald. Viel Sonne dennoch und einsetzende Bise just beim Thorberg, dem Gefängniskomplex auf dem, dem Dorf Krauchtal vorgelagerten Gupf.

Zum Glück habe ich ein Transit-Ticket gelöst und konnte die Strafanstalt Thorberg
getrost hinter mir lassen.
Zaghaft blühender Raps, am Horizont die Stockhornkette, tief verschneit. Im vermoosten Wald eine Horde Menschen mit Berner Sennenhunden. Ein Club. Kurz vor Schönbühl, dem Ziel, der nächste Club. Auf einer Wiese trainieren sieben Jungs mit ihren Copters. Mini-Drohnen sirren in atemberaubendem Tempo um Fahnen herum. Man habe sich via Facebook kennengelernt und diesen Event spontan organisiert. Für den Landeigner seien bereits 150 Franken gesammelt worden, als Entschädigung. Dies, obschon der Landwirt noch nichts wisse von seinem Glück. Man habe ihn vorgängig nicht ausfindig machen können. Zustände sind das, südlich der Arktis. Meine Fresse.

9. April 2016

Kniffelei am Strättlighügel

Oben der Startpunkt beim TCS-Camping. Eine Art
Nabelschnur führt zum Wirrwarr am Strättlighügel,
den es mit voller Konzentration auf die Einhaltung der
Route abzuschreiten galt.
Diese Woche startete ich meine zur Tradition gewordenen Feierabendwanderungen. Der Sommerzeit sei's gedankt. Nach Büroschluss lässt es sich selbst Anfang April bis um 20 Uhr beinahe drei Stunden durch die Gegend streifen, ohne dass gleich die Hightech-Stirnlampe hervorgekramt werden muss. Der Auftakt gehörte einmal mehr meinem Langzeitprojekt, sämtliche Strassen, Wege und Pfade der Gemeinde Thun pedestrisch zu erkunden. Von langer Hand geplant, nahm ich mir die Zone Strättlighügel im Süden der Gemeinde vor. Wie es der abgebildete Routenverlauf vermuten lässt, war das Ganze nur mit einer Prise Kniffelei zu bewerkstelligen. Einige Abschnitte waren doppelt zu begehen, nicht wenige davon als Sackgassen.

In den 2½ Stunden erhielt ich wieder einmal einen netten Einblick in die Hinterhöfe Helvetischer Wohnkunst. Prunkstück war ein Fischteich mit prächtigen Koi-Karpfen. Das Katzenvolk hatte überdies alle Pfoten voll zu tun. Mehr dazu in einem der kommenden Einträge. Der Nordosthang am Moränenzug der Gwattegg bot zuweilen schöne Ausblicke auf den See, aber auch auf die Oberländer Giganten, die sich in den letzten Sonnenstrahlen zeigten. Und immer wieder ein Erlebnis, wenn auch ein kurzes, war der Gang über die Gwattegg. In derartigem Gelände möchte man stundenlang gehen können. Ich stellte mir die Gegend vor, als sie noch unverbaut war. Muss ziemlich romantisch gewesen sein. Und ruhig!

6. April 2016

Totentanz

Paul Lascaux: Totentanz, Orte Verlag,
Schwellbrunn, 1996
Der 1955 in der Ostschweiz geborene und seit 1974 in Bern lebende Paul Lascaux erweist sich in seinem «Totentanz» als ein Erzähler, der an der Grenze zwischen Vernunft und Wahn seinen Weg sucht. Und wie in den beiden Krimis «Arbeit am Skelett» und «Kelten-Blues» sind es berufliche und private Lebensräume, die Grundlagen für seine kriminellen Inszenierungen in literarischer Form hergeben. Man kann durchaus sagen, dass bei Lascaux Täter und Opfer in einem Reigen entfesselter Leidenschaften verschmelzen. Sie kennen weder Grenzen noch wahren sie jene Distanz, die normalerweise ein geordnetes Zusammenleben unter Menschen erst möglich macht. Dafür lassen sie der Neugier und der Fantasie des Lesers Raum. Was Totentanz in der Moderne und im Klartext heisst, führen Lascaux' kriminelle Geschichten drastisch vor Augen: Eine hauchdünne Nachwirkung auf eine Frustration oder Verletzung kann jäh mörderische Impulse auslösen, die in uns allen schlummern. Die Geschichten klingen ohne Entwicklung aus und geben den Blick auf eine durch keine Dämme gebändigte oder befestigte Landschaft frei. (Klappentext)

BE: Stadt Bern, Bantiger, Deisswil, Twann, Dentenberg, Fehrenberg, Langnau, Rüegsau, Rüegsbachtal, Wittigkofen FR: Grange-Neuve, Kloster Hauterive

4. April 2016

Zu Fuss um die Welt in 492 Tagen

Heine Stupp: Zu Fuss um die Welt in 492 Tagen,
Langen Müller, München, 2003
Bevor Heinrich «Heine» Stupp am 31. Juli 1895 seine spektakuläre Reise um die Welt antrat, hatte er bereits mehrere Wettbewerbe im «Dauergehen» als Sieger beendet. Als er von der Sportwette einer Fussweltumwanderung zweier Amerikaner erfuhr, nahm er sofort Kontakt mit den beiden Wanderern auf und schloss sich ihnen auf ihrer «Tour um die Welt» in München an. «Am 31. Juli 1895 konnte ich zur großen Weltumwanderung starten, um auch die deutschen Farben rund um die Erde erfolgreich zu vertreten», so beschreibt Stupp den Start seines Unternehmens, «die Reise in 18 Monaten zu vollenden» – und dieses «ohne Geld vom Start!» Über 15'000 Kilometer führte ihn der Weg durch Europa, Asien und Amerika, in Teile dieser Erde, in denen er sich sicher fühlen konnte, aber auch durch Regionen, in denen Krieg und Bürgerkrieg herrschten. 

Die erstmals publizierten Originaltagebücher und Aufzeichnungen des Autors – mit Unterschriften, Stempeln, Siegeln, Autogrammen und Bestätigungen der einzelnen Durchgangsstationen – berichten von Entbehrungen und Strapazen, feucht-fröhlichen Abenden, armseligen Unterkünften und guten Hotels, Empfängen und Begegnungen mit Konsuln, Staatssekretären, Staatsmännern bis hin zum amerikanischen Präsidenten, und zeigen uns aus ganz persönlicher Sicht eine Welt an der Schwelle zum 20. Jahrhundert. (Inhaltsangabe des Verlags)

3. April 2016

Auch Minouche tigerte

Auf meinen Post vom 29. März 2016 hat sich Blogleserin M. aus Schlieren bei Zürich mit folgender Geschichte gemeldet.

Wir haben kürzlich eine ausgebüxte Katze ihrer Besitzerin über Petfinder zurück geben können. Auf unserem Abendspaziergang haben wir Minouche getroffen und sie über Nacht bei uns zuhause gehütet, weil ihre Besitzerin während zwei Monaten in Brasilien weilt und die Frau, welche für die Katze verantwortlich ist, abends nicht mehr erreichbar war! Es war das zweite Mal, dass Minouche weggelaufen ist – eigentlich hätte sie gar nicht raus dürfen – das erste Mal wurde sie in Dietikon gefunden! Eigentlich sollte man solchen unverantwortlichen Katzenhaltern überhaupt kein Tier anvertrauen! Am nächsten Nachmittag wurde Minouche dann vom Vater der Katzenbesitzerin abgeholt.

PS. Wie du siehst, fühlte sich die Katze auch bei uns wohl.



Ist ja noch einmal glimpflich abgelaufen, werte M. Wäre aber auch schade gewesen, um dieses schnusige Büsi, wenn es irgendwo im Industriegürtel Schlierens, Dietikons oder gar Kill(!)wangens von einem Auto platt gewalzt worden wäre.

2. April 2016

Der Ussland-Schwyzer

Werner Gutmann: Der Ussland-Schwyzer,
Fischer Media Verlag, Münsingen, 1997,
lieferbar im Licorne Verlag, Murten
Eigetlech möcht dr Kommissar Seiler vor Bärner Kantonspolizei sy frei Tag a der Aaren unger verbringe. Churz bevor er hinger em nöchschte Husegge verschwindet, ghört er sy Frou rüefe. Sy Chef befähli ihm, i ds «Grand-Hotel Palace» nach Interlake zfahre. Dört fingt är en ufgregte Hotel-Diräkter und in ere Badwanne e blutti, männlechi Liich. Näbe de persönlechen Effekte vom Gascht, chunnt uf emene Sekretär e Pass zum Vorschyn. «Offebar e guet betuechten Ussland-Schwyzer, wo sech i das Luxusmonschter verirrt het», steut dr Kommissar Seiler fescht …

BE: Interlaken, Oberhofen, Beatenberg, thunersee, Beatenbucht, Beatenbergbahn, Institut für Rechtsmedizin in Bern

Hie no ne chlyni Aamerkig: I verschtoh nid, werum bi vieune Mundartbüecher dr Klappetext uf Hochdütsch gschriben isch. Was söu das? Das chunnt mehr vor, wie wenn uf em Kaffeeglas steit «koffeeinfrei», derby het das Puùver glich Koffein dinne. I finge, wo Mundart drin isch, sött ou Mundart druffe stoh. Drum han i mir erloubt, dr Klappetext o vo däm Buech uf Bärndütsch z übersetze.