24. September 2022

Tödliche Gewissheit

Roger Graf: Philip Maloney –
Tödliche Gewissheit, Haffmans, 
Zürich, 1995
Philip Maloney, Privatschnüffler von zweifelhaftem Charakter, würde eigentlich viel lieber ein Nickerchen unter seinem Schreibtisch machen oder über das Nichtdenken nachdenken. Statt dessen stochert er im kalten Zürcher Nebel nach den Hintergründen eines Selbstmordes, an den er nicht glaubt, und in Jahre alten Wunden, die eine nie ganz aufgeklärte Verbrechensserie hinterlassen hat, der drei Knaben zum Opfer fielen. Ein vierter wurde nie gefunden. Maloney geht der eiskalten Spur der Täter und Opfer von damals mit seiner schnörkellosen Schnüfflermethodik nach, und er muss so manchem auf die Zehen treten, bis der Richtige endlich eine falsche Bewegung macht. (Klappentext)

BE: Stadt Bern ZH: Stadt Zürich

20. September 2022

Die Spirale – Etappe 15

Endlich kühlere Temperaturen! Und endlich wieder zurück auf der Spirale, die mich an diesem herbstlich anmutenden Samstag von Schönbrunnen bei Münchenbuchsee nach Krauchthal führte. Bei zaghaftem Sonnenschein widmete ich mich vorerst der Autobahn A6, ehe ich in Richtung ruhigere Gefilde abbog. Auf dem waldreichen Abschnitt von Moosaffoltern nach Ballmoos erwartete mich der Woolibach, den es steglos zu überqueren galt. Ein grosser Schritt reichte, und ich war drüben.

Spätestens an der Peripherie von Jegenstorf hatte mich die Berner Agglo mit all ihren Gegensätzen wieder. Auf den zwischen den Dörfern gelegenen Feldern wurden eifrig Kartoffeln geerntet. Selbstfahrende Traktoren zogen im Schritttempo ein Ernteungeheuer, auf dem eine Handvoll Leute die maschinell aus dem Boden geholten Kartoffeln aussortierte. Kurz vor dem Ende des Ackers schwang sich der Bauer auf den Traktor, übernahm das Steuer und wendete das Ensemble, um sodann eine neue Fuhre in Angriff zu nehmen.
 
Die Route der 15. Etappe der Wanderspirale.

An der grossen Dorfkreuzung in Mattstetten überraschte mich ein historischer Brunnen beachtlicher Grösse. Und nur wenige Schritte weiter gelangte ich an einem kleinen Schloss vorbei, das ein Kleinkunsttheater beherbergt. Vis-à-vis des schmucken Gebäudes befindet sich das Areal des Platzgerklubs Schlössli. – Platzgen? Hier ein kleiner Exkurs:

Platzgen ist ein alter Zielwurfsport, von dem die Chroniken erzählen, dass er schon im Mittelalter in fast allen Gebieten unseres Landes betrieben wurde. Heute wird dieser Sport vorwiegend im Kanton Bern ausgeübt. Die Wurfgeräte nennen sich – nomen est omen – Platzgen und bestehen meist aus gehärtetem Stahl. Jeder Spieler besitzt seine eigene Platzge, die ihm gut in die Hand passen muss. Form und Gewicht sind nicht vorgeschrieben, der Höchstdurchmesser darf jedoch 18 cm nicht überschreiten. Die meisten heutigen Platzgen sind handförmig, mit fünf Zacken, einem Ahornblatt ähnlich. Das Gewicht liegt zwischen 1 und 3 Kilogramm.

Die Wurfdistanz beträgt 17 Meter. Das Ziel («Ries») ist ein mit Lehm («Lätt») gefüllter Stahlring, hat einen Durchmesser von 1,40 m und ist nach hinten um rund 25 cm erhöht. Dieser muss immer gut gepflegt und behandelt werden, darf nicht zu nass, aber auch nicht zu trocken sein. Zur Erzielung guter Resultate muss der Lehm unbedingt in bester Ordnung sein. Für den Platzger spielen der Zustand und die Beschaffenheit des «Lätts» eine wichtige Rolle. In der Mitte des Rieses steckt ein eiserner Stock («Schwirren»), der 35 bis 40 cm aus dem Lehm ragt und leicht nach vorne geneigt ist.

Zum Bewerten eines Wurfes benötigt man einen Meter und ein Messer. Das Messer wird dort in den Lehm gesteckt, wo die Platzge liegen bleibt, und zwar beim nächstgelegenen Punkt der Platzge zum Stock. Zum Messen des Abstandes wird das Ende des Meters (100cm/200cm) an den «Schwirren» gesetzt. Berührt die Platzge den Stock, dann gilt der Wurf 100 Punkte. Pro cm, die die Platzge vom Stock entfernt liegt, gibt es einen Abzug von 1 Punkt. Ein Abstand von 13 cm ergibt beispielsweise 87 Punkte.

Alljährlich finden drei grosse Wettkämpfe statt. Das Frühlingsfest, die Meisterschaft und das Verbandsfest. An einem dieser Anlässe wird seit 2017 auch der Titel eines Schweizermeisters vergeben. Gute Resultate im Einzel- wie auch Vereinswettkampf werden mit schönen Auszeichnungen und wertvollen Ehrengaben belohnt. Während der gesamten Saison (April bis Oktober) werden auch eine Wettspielmeisterschaft mit vier Stärkeklassen sowie Vereins- und Einzelcup ausgetragen. Schliesslich organisieren zahlreiche Vereine für Platzger und Nichtplatzger eigene Wettkämpfe (Volks-, Gönner- oder Passivplatzgen).

Mit der neuen Erkenntnis, dass dieses kleine Mattstetten masslos unterschätzt wird, unterquerte ich die Bahnlinie Bern–Burgdorf, die A1 und unmittelbar danach ging ich am Portal des Grauholztunnels vorbei. Südöstlich von Mattstetten herrscht brutales Verkehrsaufkommen, ergänzt von der alten Bern-Zürich-Strasse. Ich war deshalb nicht unfroh, bald einmal im Wald verschwinden zu können, wo ich mich in Ruhe im Stile eines Orientierungsläufers auch auf weglosen Abschnitten austoben konnte. So war es denn nach dem Verlassen des Waldes nur noch einen Katzensprung ins Ortszentrum von Krauchthal, dem versteckt gelegenen Dorf am Fusse mächtiger Sandsteinhügel und in Sichtweite der Strafanstalt Thorberg. Eine Bildstrecke dieser knapp 16 km langen Etappe gibt es hier zu sehen.

Der aktuelle Stand: In Grün die zurückgelegte Strecke, in Rot die geplante Route.

18. September 2022

Populärmusik aus Vittula

Mikael Niemi: Populärmusik aus Vittula,
btb, München, 2004 
Matti und sein schweigsamer Freund Niila wachsen auf in einem kleinen Dorf im äussersten Norden Schwedens, fernab der wirklichen Welt. Es sind die wilden sechziger Jahre, doch das Leben im Tornedal wird weniger durch Rebellion als durch die unwirtliche Landschaft, den kauzigen Eigensinn seiner Bewohner und der religiösen Bewegung des Laestadianismus geprägt, die durch extreme Strenge und Lustfeindlichkeit besticht. Kein Wunder, dass die beiden Kinder schon früh nichts anderes im Kopf haben, als sich wegzuträumen von diesem Ort, der zwar vie le Geschichten zu erzählen hat, aber auch unvermutete Gefahren in sich birgt. Als der Rock'n'Roll Einzug hält im kleinen Tal, ist ihre Zeit gekommen ...

Ein grossartiges, eindringliches Buch mit einer unverwechselbaren Handschrift: Niemis Sprache ist so wild und zärtlich wie die Menschen aus dem hohen Norden, die er beschreibt - seine Geschichte so rasant, ausgelassen und dramaturgisch geschickt, dass einem Hören und Sehen vergeht.
(Klappentext)

10. September 2022

Eljascha

Yvonne Léger: Eljascha, Pendo,
Zürich, 1990
Eljascha ist eine leidenschaftliche, innige Liebesgeschichte voller Poesie und Träume, vor dem düsteren Hintergrund der Besatzung, des Chaos, des mörderischen Krieges – die gros se Liebe zweier Menschen auf der Flucht quer durch ganz Frankreich, und die Autorin, Yvonne Léger, reiste im Bauch ihrer Mutter Eljascha mit.

Nachdem Joschi als Jude von den Nazis ausgebürgert worden war, verliess er 1938 seinen Heimatort Mainz, um sich in Frankreich eine neue Existenz aufzubauen. Eljascha stammte aus Luzern. Als Schweizerin wusste sie, dass sie, bei der Vermählung mit einem Ausländer, ihr Bürgerrecht verlieren würde. Am Vorabend des Zweiten Weltkrieges, am 14. August 1939, heirateten Eljascha und Joschi dennoch in Paris, und sie wurde, wie ihr Ehemann, staatenlos.

Schon vor seiner Heirat war Joschi in die französische Armee eingezogen worden. Als Hitler am 14. Juni 1940 Paris besetzte, konnte Eljascha die Hauptstadt noch mit einem der letzten Züge verlassen. Sie erreichte Mayenne, wo Joschi stationiert war. Frankreich war im Chaos. Joschi desertierte, und das Paar floh durch das besetzte und unbesetzte Frankreich, oft ohne zu wissen, in welchem Teil sie sich gerade befanden. Als die Reise ins Ungewisse begann, war Eljascha im zweiten Monat schwanger. Im Dezember 1940 kam die staatenlose «Schweizerin» Eljascha bei Annemasse über die Grenze in die Schweiz. Am 9. Januar 1941 gebar sie ihre Tochter Yvonne, die Autorin dieses Buches.
(Klappentext)

7. September 2022

Abschalten

Martin Suter: Abschalten, Diogenes,
Zürich, 2012
Sie arbeiten im mittleren Management mehr oder minder bedeutender Unternehmen, sie tragen so klingende Namen wie Hunold, Huber, Lindner oder Glaser, und sie sind schrecklich erschöpft von all den Hierarchien, Synergien, Strategien, Gehaltsforderungen, Terminkollisionen und Verteilungskämpfen am Kaffeeautomaten. Dann ist es so weit: endlich Ferien! Und was machen sie daraus? Tja, manchmal stresst abschalten wollen doch mehr als nicht abschalten können.

Was ist das Schlimmste für den Manager? Kein Bonus. Das Zweitschlimmste? Ferien. Zur Untätigkeit gezwungen zu sein, zu wissen: Die Firma wird untergehen, weil er nicht da ist. Oder, noch schlimmer: Die Firma wird nicht untergehen, obwohl er nicht da ist. Und am allerschlimmsten: Die Firma wird wachsen und gedeihen, gerade weil er nicht da ist. Was bleibt dem Manager also übrig? Die Ferien managen oder die eigene Familie oder das Hotelpersonal, bis schliesslich allen der Kragen platzt. Oder einen Weg finden, nicht in die Ferien zu fahren. (Klappentext)

4. September 2022

Mein Luftschloss auf Erden

Katharina von Arx: Mein Luftschloss auf
auf Erden, Edition Erpf, Bern, 1981
Mit Ihrer Unterschrift auf dem Verkaufskontrakt werden die Schriftstellerin Kathrin von Arx und Ihr Mann, der Schriftsteller und Journalist Frédéric Drilhon, Besitzer des alten Schlosses von Romainmôtier. Ein Traum, der in Erfüllung ging?

Ungeheuerlich gross, gespenstisch drohend beinahe steigt das zukünftige Zuhause vor den neuen Besitzern aus der Nacht ins ungewisse Morgengrauen. Was haben sie sich da bloss angeschafft? Suchten sie nicht vor kurzem noch ein kleines «pied-à-terre»?

Aber da war die bemalte Balkendecke und im Halbdunkel, eingepfercht zwischen grauen Wänden mit aufgemalten Steinen, eine dicke gotische Säule. Grund genug für die Abenteurerin und passionierte Bewohnerin Kathrin von Arx, sich in die versteckten Möglichkeiten der alten, verfallenden Mauern festzubeissen.

Feste Mauern bedeuten Heimat Und seit ihrer Kindheit träumte Kathrin von Arx vom Wiederfinden ihrer Heimat Geborgenheit in festen Mauern!

Träume sind dazu da, Wirklichkeit zu werden. Jedenfalls bei Kathrin von Arx. Sie ist nicht die Frau, die Träume begräbt und zur Tagesordnung übergeht. Und so ist aus ihrem Traum, dem Luftschloss auf Erden, Wirklichkeit geworden. Es besitzt feste Mauern und manche Kostbarkeit, die sie mit eigenen Händen mitgeholfen hat, aus jahrhundertealtem Verfall herauszuretten. Heute steht das Schloss in alter Pracht im Zentrum von Romainmôtier und ist eines der schönsten mittelalterlichen Bauwerke der Schweiz.

Mittelalterliche Mauern nur als zeugen der Vergangenheit wiederherzustellen widerspricht dem Naturell der Kathrin von Arx. Ihr Schloss ist heute ein offenes Haus, wo unzählige Menschen ein- und ausgehen, Künstler ihre Arbeitsstätten eingerichtet haben, Handwerker ihr Wissen weitergeben und Besucher auch einfach zur Ruhe kommen können. Schloss Romainmôtier ist eine lebenssprühende Oase geworden.

Mit der gleichen Geduld und Feinfühligkeit mit der sie Schloss Romainmôtier zu neuem Leben erweckte, hat Kathrin von Arx die Geschichte eben dieses Schlosses und der Menschen seiner Umgebung zu Papier gebracht Und Romainmôtier, das kleine Dorf am Jurafuss, ist nicht der Ort, der farblose Charaktere hervorbringt! Manche Kämpfe galt es auszufechten mit Nachbarn und Dorfgenossen, die der «spinnigen» Zuwanderin reserviert, ja feindlich gegenüberstanden. «Mein Luftschloss auf Erden» ist daher nicht nur der spannende Bericht eines architektonischen Abenteuers, sondern auch ein mal liebevolles, mal ironisches Porträt einer Landschaft und ihrer Bewohner.

Darüber hinaus auch ein kraftvolles «Ja» zum Leben und eine Aufforderung an den Leser, Spontaneität, Freude und Abenteuerlust nicht in festgefahrenen Geleisen abzutöten.
(Klappentext)