23. Dezember 2022

Der kleine Nick und die Mädchen

René Goscinny, Jean-Jacques Sempé:
Der kleine Nick und die Mädchen,
Diogenes, Zürich, 2002
Siebzehn prima Geschichten vom kleinen Nick und seinen Freunden. Geschichten von Marie-Hedwigs Geburtstag, Luises Besuch, den Geheimzeichen und der rosa Vase im Wohnzimmer. Mit vielen Zeichnungen von Jean-Jacques Sempé.
(Klappentext)

«Das ist wieder mal so ein Buch, wo man nicht sicher sein kann, ob es je bei den Kindern ankommt, für die es geschrieben wurde, und stattdessen mit faulen Ausreden bei Papa auf dem Nachttisch liegen bleibt.» Tages-Anzeiger, Zürich

«… wieder einmal hinreißend erzählt, begleitet von den unübertrefflichen Illustrationen von Sempé. Das Ganze hervorragend übersetzt.» Ute Blaich/Die Zeit, Hamburg

17. Dezember 2022

Historische Begegnungen

Diverse Autoren: Historische Begegnungen
Hier und Jetzt, Baden, 2014











Die alten Helden der Schweizer Geschichte haben abgedankt. Die «Historischen Begegnungen» präsentieren Vorkämpferinnen und Widersacher, welche die Entwicklung der Schweiz massgeblich geprägt haben: Frauen und Männer, die sich bekämpft oder ergänzt haben. Und deren Leistungen zu Unrecht vergessen wurden.

  • Agnes von Ungarn und Rudolf Brun
  • Ulrich Zwingli und Conrad Grebel
  • Franz Ludwig Pfyffer von Wyher und Jacques-Barthélemy Micheli du Crest
  • Ulrich und Salome Bräker
  • Constantin Siegwart-Müller und Henri Dufour
  • Emilie Paravicini-Blumer und Fridolin Schuler
  • Ferdinand Rothpletz und Maria Scala
  • Hans Sulzer und Ferdinand Aeschbacher
  • Gottlieb Duttweiler und Elsa Gasser
  • Ludwig Abraham und Gustav Zumsteg

10. Dezember 2022

Kapuzinerleben

Matthäus Keust: Kapuzinerleben
Limmat Verlag, Zürich, 1999
«Kapuzinerleben» enthält die Lebensgeschichte eines schweizerischen «Bettelmönchs», eines Kapuziners, von ihm selbst erzählt. Die Kapuziner sind beim Volk beliebt, und dies weit über den engen konfessionellen Bereich hinaus. Sie gelten als volksnah, lebensbejahend und unkompliziert, vertraut vor allem mit der bäuerlichen Welt. Matthäus Keust wächst im solothurnischen Härkingen des 19. Jahrhunderts auf, wo er eine stimmungsvolle Jugend verbringt. Nach der Schulzeit in Olten prägt ihn vor allem das Gymnasium bei den Benediktinern in Mariastein, kurz bevor das Kloster aufgehoben wird. Er tritt in den Kapuzinerorden ein, und nun beginnt das wechselvolle Leben und Wirken in den verschiedenen Klöstern der Deutschschweiz, getreu der Losung des Ordens, welche ein regelmässiges Weiterziehen verlangt und keine Sesshaftigkeit erlaubt. Keust durchlebt dabei voll sein Jahrhundert, mit all den konfessionspolitischen Auseinandersetzungen, die damals hohe Wellen werfen, vom Sonderbundskrieg bis zum Kulturkampf und darüber hinaus. Keust erzählt sein Leben in der Rückschau, später auch im Tagebuchstil. Immer aber spricht er eine anschauliche und packende Sprache, als geborener Erzähler mit empfindsamem Herzen. Er ist ein scharfer Beobachter und Parteigänger, oft unbequem und auch gegen seine Mitbrüder, aber mit goldenem Humor und Selbstironie. Durch seinen Text erhalten wir Einblick in das damalige Ordensleben, mit seinen Hoch und Tief, mit den Frustrationen, Spannungen, aber auch den Momenten der Gottseligkeit. Über das Dokumentarische seiner Zeit hinaus zieht uns der Bericht durch seine Glaubwürdigkeit und Menschlichkeit in Bann. Keusts Erinnerungen gehören ohne Zweifel zum Spannendsten, was aus geistlicher Feder in dieser Hinsicht vorliegt.
(Inhaltsangabe auf der Verlagswebsite)

Matthäus Keust
Geboren am 18.9.1828 in Härkingen (SO), gestorben am 3.3.1898 in Altdorf (UR). 1852 Priesterweihe im Kapuzinerkloster Solothurn. Pater Matthäus wirkte fortan als Prediger, Beichtvater, Guardian und Vikar unter anderem in Mels, Freiburg, Olten, Schüpfheim, Luzern, Appenzell, Rapperswil (SG) und Altdorf. Nach 1858 wurde er von seinem Freund Adrian Kümmerlin in die Kunst des Fotografierens eingeführt. Mit Leidenschaft bildete er sich autodidaktisch weiter. Als Sujets bevorzugte Matthäus Keust Kapuzinerklöster und die Patres, Dorfansichten und Porträts der Bevölkerung. Erhalten ist ein prächtiges Leporelloalbum mit 68 grossformatigen Fotos unter anderem vom Kloster, von Altdorf und dessen Bewohnern. Als Keust starb, wurde er als volkstümlicher Prediger, Zeichner, Musiker und Fotograf gewürdigt.

30. November 2022

Historisches aus dem Tessin

Hermann Aellen: Die Lawine von Gurin,
Edition Wanderwerk, Burgistein, 2022
Selten bisher habe ich an einem Buch über einen derart langen Zeitraum gewerkelt. Doch nun ist das Büchelchen von der Druckerei angeliefert worden und meine Freude gross. Die Rede ist von Hermann Aellens historischem Roman «Die Lawine von Gurin».

Das Tessiner Walserdorf Gurin gegen Ende des 18. Jahrhunderts: Bedroht von der Bodenalplawine und unter der Knutte des Landvogts der ennetbirgischen Vogtei Meiental. Im Dorf herrschen Neid und Missgunst. Der gefürchtete Niedergang der Lawine fordert einmal mehr zahlreiche Menschenleben. Doch nach und nach raufen sich die Guriner zusammen und beginnen, sich gegenseitig zu helfen.

Gleichzeitig beginnt es südlich des Gotthard zu rumoren. Mit dem Nahen der Französischen Revolution und somit Napoleons Truppen, wittert die Bevölkerung die Chance, sich aus dem Regime der eidgenössischen Vögte zu befreien. Der Aufstand ist bloss von kurzer Dauer und die Geburtsstunde der Republik und somit des Kantons Tessin lässt nicht lange auf sich warten.

Hermann Aellen gelingt es, einen grossen Bogen vom kargen Leben des kleinen Bergdorfs Gurin über das eidgenössische Machtgebaren bis hin zur Napoleon’schen Politik zu spannen und die damalige Zeit realitätsnah zu schildern.

Ich habe den Text behutsam überarbeitet und mit Anmerkungen versehen. Eine Biografie Aellens sowie ein Flurnamenverzeichnis Gurins runden den gefälligen und äusserst rucksacktauglichen Band ab.  So bleibt mir nun nichts Anderes übrig, als der geneigten Leserschaft «Die Lawine von Gurin» herzlich zur Lektüre zu empfehlen. Das Buch kann auf der Webseite meines Verlägleins bestellt werden: Edition Wanderwerk

Über den Autor
Hermann Aellen wurde am 24.5.1887 als Sohn eines Lehrers in Oberbalm bei Bern geboren. Studium der Geschichte und Literatur in Bern. 1908–11 Redaktor am «Oberländer Tagblatt» in Thun, 1911–12 am «Brugger Tagblatt», 1913 an der «Tessiner Zeitung» in Locarno, 1915–19 als Nachfolger Rudolf von Tavels beim «Berner Tagblatt», 1921 Gründer und bis 1923 bzw. 1935–39 Redaktor der «Südschweiz», ab 1929 auch Feuilletonredaktor der «Neuen Berner Zeitung». 1912 Mitbegründer des Schweizerischen Schriftstellervereins, Herausgeber des «Schweizer Schriftstellerlexikons» (1918) und des «Schweizerischen Zeitgenossen-Lexikons» (1920–23). Sein literarisches Werk, von Heinrich Federer beeinflusst, zeigt eine Vorliebe für nationale Stoffe in Geschichte und Gegenwart und ist geprägt von romantischer und der Sehnsucht nach dem Süden. In seiner Tessiner Publizistik wirkte er auf eine Versöhnung von deutscher und italienischer Schweiz im patriotischen Geist der geistigen Landesverteidigung. Aellen starb am 26.9.1939 in Minusio bei Locarno.

26. November 2022

Keiner ist ohne Fehl

Gertrud Schneller: Keiner ist ohne Fehl,
Schweizer Druck- und Verlagshaus, Zürich
«Keiner ist ohne Fehl». Unter dieser Devise erzählt Gertrud Schneller die Geschichte eines Pfarrers, eines gütigen selbstlosen Menschen, der seinen Beruf ernst nimmt und vom Willen beseelt ist, seinen Mitmenschen aus vollem und aufrichtigem Herzen zu helfen. Dabei stellt er sein eigenes Leben zurück, aber auch das seiner Familie, und seine liebesbedürftige Frau leidet darunter. Die Konflikte zu Hause häufen sich, besonders, da der Pfarrer durch die egoistische Art seiner Frau abgestossen wird. So fühlt er sich zu einem weicheren, gütigeren Mädchen hingezogen, doch seine Berufung als Seelsorger geht allem andern vor. Aber gerät er nicht gerade dadurch in menschliche Schuld? Packend werden diese inneren und äusseren Kämpfe von der Autorin dargestellt, wirklichkeitsnah mit Menschen aus Fleisch und Blut. Sehr eindrucksvoll kommt dabei zur Darstellung, dass wir uns hüten sollen, einen Stein auf unseren Nächsten zu werfen, sondern vielmehr erkennen mögen, dass auch beim besten Wollen keiner von uns ohne Schuld durchs Leben geht. (Klappentext)

22. November 2022

Wenn die Erde verstummt

Samuel Chevallier: Wenn die Erde verstummt,
Verlag Mon Village, Vuillens, 1961
Als der Verlag «Mon Village» gegründet wurde, setzte er sich die Herausgabe guter Heimatbücher zum Ziel. Diesem Verlagsprogramm wurden die Romane und Novellen des Bauernschriftstellers Albert-Louis Chappuis gerecht, dessen vier Bände grossen Erfolg verzeichneten.

Nun stellt sich neu Samuel Chevallier in die Reihe der beliebten Schriften. Durch unzählige Radiosendungen in der Welschschweiz bestens bekannt, trifft er sprachlich und im Gehalt der Aussage auch die Denkweise des Deutschschweizers, so dass ihm zu Stand und Land – wie das bei allen Büchern dieser Serie der Fall war – viele Freunde erwachsen werden. (Klappentext)

VD: Fiktives Waadtland nördlich von Lausanne

Über den Autor
Samuel Chevallier wurde am 14. Mai 1906 in Grandevent (VD) bei Grandson geboren. Nach dem Rechtsstudium in Lausanne und Praktika in Bologna und Heidelberg war er von 1934–43 Stadtschreiber von Lausanne. Anschliessend wechselte er zum Journalismus, wo er vor allem im Westschweizer Radio tätig war. Bekannt wurde er besonders durch seine wöchentliche Sketchsendung «Le Quart d'heure vaudois» (1941–69), aber auch durch Volksstücke wie «L'Incendie» (1949), «Le Silence de la terre» (1953) und einige Romane. Sein politisches Engagement galt der Propagierung der pazifistischen Initiative «L'œuf de colombe» (1954), die für ungültig erklärt wurde. Er war Mitglied der Studentenverbindung Helvetia und Preisträger der Société des auteurs dramatiques de langue française (1959). Samuel Chevallier verstarb am 26. September 1969 in Lausanne. 

20. November 2022

Der Philosoph des Freikletterns

Rheinhold Messner: Der Philosoph des
Freikletterns, Piper, München, 2011
Der Österreicher Paul Preuss (1886–1931) hat die Geschichte des Alpinismus geprägt wie kaum ein anderer Bergsteiger. Mit seinem Eintreten für den reinen Kletterstil ohne Haken wurde er zum Vordenker des Freikletterns. Seine kühnen Thesen untermauerte er durch bahnbrechende Alleingänge in den Alpen. Rheinhold Messner stellt uns den «komplettesten Bergsteiger der Alpen» vor und schildert, warum seine Ideen bis heute nichts von ihrer Sprengkraft eingebüsst haben. (Klappentext)

13. November 2022

Gipfeltreffen

Blanca Imboden: Gipfeltreffen,
Wörterseh, Gockhausen, 2017
Was mit dem Bestseller «Wandern ist doof» seinen Anfang nahm, erfährt endlich die lang ersehnte Fortsetzung. Conny, die Frankfurter Kreuzworträtselkönigin, die sich im ersten Buch in Toni, den Innerschweizer Bergführer, verliebt, dann aber nach Deutschland zurückreist, macht einen grossen Schritt: Sie kündigt ihren Job als Hotelrezeptionistin und zieht in die Schweiz. Auf dem Urmiberg, oberhalb Brunnen, führt sie – zusammen mit Toni – ein Bergrestaurant mit eigener Seilbahn und fantastischer Aussicht. Dort oben ergibt sich bei einem Tête-à-Tête die Idee, die Wandergruppe, der sie ihre Liebe zu verdanken haben, spontan zu einem einwöchigen Wiedersehen auf den Urmiberg einzuladen. Irrtümlich erreicht die E-Mail mit der frohen Botschaft nicht nur jene «Wanderfreunde», auf die man sich freut.

Was dann alles passiert, sei hier noch nicht verraten. Nur dies: Es wird diesmal nur gewandert und nicht mehr gefastet. Es gibt auch jetzt wieder ein Desaster, vor allem aber gibt es Versöhnung und Neubeginn, Natur und Geselligkeit und ein dickes Happy End.

Wie schon im Buch «Wandern ist doof» kommen die Leserinnen und Leser auch beim jetzt vorliegenden Nachfolger der Wander-Schweiz ein grosses Stück näher: Den Urmiberg gibt es tatsächlich und die im Buch beschriebenen Wanderungen auch. Also: Rucksack packen, die Seilbahn auf den Urmiberg besteigen, sich dort Kaffee und Kuchen gönnen, und dann ab in noch höhere Höhen. Wandern ist definitiv nicht doof!
(Klappentext)

SZ: Urmiberg, Gottertli, Gätterlipass, Rigi, Brunnen, Morschach, Schwyz

11. November 2022

Tagebuch 1896–1947

Charles Ferdinand Ramuz: Tagebuch
1896–1947, Huber, Frauenfeld, 1982
Charles Ferdinand Ramuz ist nicht nur der Schöpfer der grossen Romane, die seinen literarischen Rang ausmachen. Er hat auch zwei bedeutende Tagebücher verfasst, die in diesem Band zusammengefasst sind. Auf den ersten Seiten seines Tagebuches schreibt er: «Scheu bin ich geboren und empfindlich bis zum Exzess. Ein Nichts erzürnt mich, ein Nichts verletzt mich.» Diese starke Sensibilität durchzieht dieses Tagebuch, das sein Werk wie ein Kommentar, erläuternd, fragend oder rechtfertigend ein Leben lang begleitet hat. Was ihn bewegt, sind nicht nur künstlerische Fragen. Er, der immer um ein tragfähiges künstlerisches Selbstverständnis rang, hat sich, betroffen und beteiligt, auch mit der gesellschaftlichen und politischen Wirklichkeit auseinandergesetzt. Gewichtige Fragen, wie die «bürgerliche Gesellschaft », der sowjetische Kommunismus, neue physikalische Entdeckungen, sein «Heimatverständnis », haben ihn nachhaltig bewegt.
 
Eine besondere Tragik überschattet sein zweites Tagebuch (1942–1947). Es spiegelt den gegen sein Lebensende mit aller Bitterkeit der Todesnähe beschwerten Menschen. Es sind nicht mehr Aufzeichnungen eines schaffenden, sondern die qualvollen Erkenntnisstationen eines nicht mehr schaffen könnenden Künstlers. Es gibt vielleicht im Werk von C.F. Ramuz nirgends so viel Verzweiflung und Düsterkeit wie in diesen letzten Tagebuchblättern. «Ich stehe nur noch dabei, ich nehme nicht mehr teil», sagt er einmal. Aber das Tagebuch als Ganzes gibt den Blick auf eine grosse Gestalt frei, als die C.F. Ramuz in die Literaturgeschichte eingegangen ist.

24. Oktober 2022

Die Spirale – Etappe 16

Für heute hatte ich mir eine längere Strecke vorgenommen: von Krauchthal nach Münsingen – oder: gut 22 Kilometer durch Tälchen und über Hügel des nahen Emmentals. Düsteres Tageslicht, als ich im dösenden Krauchthal aus dem Postauto stieg. Lang der Gang im Schatten feuchter Gräben, ehe ich zum ersten Mal die Sonne erblickte. Die Nähe zum Emmental manifestierte sich an den zunehmend längeren Auf- und Abstiegen. Der sechste Spiralbogen hatte mich schon recht weit aus dem Zentrum Berns gebracht.

Ich war noch keine Stunde unterwegs, als ich in nördlicher Richtung den Jura erblickte, an dessen Fuss sich eine dichte Nebeldecke hinstreckte. Und als ich etwas später auf die Südseite des ersten zu überquerenden Hügels gelangte, sah ich mit Müh' und Not die Berner Alpen im föhnigen Wolkendunst. Ich hatte also genau richtig entschieden, nicht in die Berge zu fahren.

Kurz vor der Mänziwilegg eröffnete sich mir zu beiden Seiten des breiten Bergrückens eine wunderbare Aussicht, insbesondere die Sicht auf die Stadt Bern war derart klar, dass ich Frau Hugentobler auf dem Balkon im 16. Stock eines der Wittigkofer Hochhäuser beim Yoga zuschauen konnte. Von blossem Auge, wohlverstanden. Auf der Mänziwilegg herrschte statt des befürchteten Sonntagsausflugsverkehrs beschauliche Ruhe. Zu Hause ergaben meine Recherchen, dass das Restaurant an Sonntagen geschlossen ist. Für einmal kam mir das äusserst gelegen, denn ausser ein paar sich mit der Steigung abmühende Velofahrer war hier oben wirklich tote Hose.

Die Wanderspirale: in Grün die bislang absolvierte Strecke.


Die weiterhin aussichtsreiche Route liess mich einmal mehr auf zurückliegende Spiralwanderetappen zurückblicken. Wie auch schon erwähnt, macht dies mitunter den Reiz eines solchen Projektes aus: Du blickst nach rechts und siehst über mehrere Kilometer hinweg in ein Gelände, dass du schon mehrfach durchwandert hast. Es ist, als blicke man von der Aussenseite eines Baumstamms auf dessen Jahrringe. 

Auf dem Abstieg von der Mänziwilegg gelangte ich am Rüttihubelbad vorbei. 1756 erbaute Peter Schüpbach hier das erste Bauernhaus. 27 Jahre später analysierte der Apotheker Benteli eine eisenhaltige Heilquelle, beurkundete diese amtlich und legte damit den Grundstein für eine etwa zweihundert Jahre andauernde Badekultur. Das «heilende» Wasser und die reichhaltige Küche machte das damalige Rüttihubelbad weit über die Regionalgrenzen bekannt. 1986 kaufte die «Stiftung Rüttihubelbad» das in Konkurs geratene Restaurant auf und errichtete auf dem Rüttihubel den heute aus 10 Gebäuden bestehenden Weiler mit einem Hotel-Restaurant, einem Alterswohn- und Pflegeheim, einer sozialtherapeutischen Wohngemeinschaft sowie dem Sensorium (erlebnispädagogische Dauerausstellung zum «Erfahrungsfeld der Sinne» nach Ideen von Hugo Kükelhaus. Ferner finden in einem kirchenartigen Bau kulturelle Veranstaltungen statt. Am Baustil der Gebäude ist die Nähe zur anthroposophischen Ideologie unverkennbar auszumachen. 

Je mehr ich mich dem Ziel näherte, umso wärmer wurde es. Der Föhn trieb die Temperatur derart nach oben, dass ich die letzten zwei Stunden im Kurzarmhemd ging. In Münsingen führte mich die Route quer durch das riesige Gartenpflanzengelände der Firma Daepp. Ich war beeindruckt ob der Vielfalt des Angebotes. Jedes noch so kleine Pflänzchen ist fein säuberlich angeschrieben, so dass man sich hier tagelang botanisch verlustieren könnte. Eine Bildstrecke zu dieser Etappe befindet sich hier.

2. Oktober 2022

Engadiner Abgründe

Gian Maria Calonder: Engadiner
Abgründe, Kampa, Zürich, 2018
Die ungewohnte Höhe bereitet Massimo Capaul, dem neuen Polizisten im Oberengadiner Bergtal, dröhnende Kopfschmerzen. Aber Zeit zum Ankommen bleibt dem Unterländer nicht. Noch vor dem offiziellen Dienstantritt muss er zu seinem ersten Einsatz: In Zuoz brennt eine Scheune. Und nur wenig später stirbt ihr Besitzer, der kauzige Rentner Rainer Pinggera. Ein vermeintlich natürlicher Tod. Dennoch geht Capaul seiner Ordnungsliebe folgend einigen Ungereimtheiten nach, an denen es nicht mangelt. Rudi, der Neffe und einzige Erbe des Alten, scheint nämlich nicht ganz unbeteiligt am Tod seines Onkels zu sein. Und auch bei allen anderen Angelegenheiten des Tals hat Rudi seine Finger im Spiel …

Bei seinen Ermittlungen lernt Capaul das ganze gesellschaftliche Spektrum des Oberengadins kennen, vom St. Moritzer Jetset bis zu den wortkargen Bauern in der schummrigen Dorfbeiz. Capaul entdeckt das wahre Gesicht hinter den auf Hochglanz polierten Kulissen dieses atemberaubend schönen Tals, mit seinen guten, aber auch seinen Schattenseiten.
(Klappentext)

GR: Samedan, Zuoz, St. Moritz (Hauptschauplätze), Albulapass, Samnaun

24. September 2022

Tödliche Gewissheit

Roger Graf: Philip Maloney –
Tödliche Gewissheit, Haffmans, 
Zürich, 1995
Philip Maloney, Privatschnüffler von zweifelhaftem Charakter, würde eigentlich viel lieber ein Nickerchen unter seinem Schreibtisch machen oder über das Nichtdenken nachdenken. Statt dessen stochert er im kalten Zürcher Nebel nach den Hintergründen eines Selbstmordes, an den er nicht glaubt, und in Jahre alten Wunden, die eine nie ganz aufgeklärte Verbrechensserie hinterlassen hat, der drei Knaben zum Opfer fielen. Ein vierter wurde nie gefunden. Maloney geht der eiskalten Spur der Täter und Opfer von damals mit seiner schnörkellosen Schnüfflermethodik nach, und er muss so manchem auf die Zehen treten, bis der Richtige endlich eine falsche Bewegung macht. (Klappentext)

BE: Stadt Bern ZH: Stadt Zürich

20. September 2022

Die Spirale – Etappe 15

Endlich kühlere Temperaturen! Und endlich wieder zurück auf der Spirale, die mich an diesem herbstlich anmutenden Samstag von Schönbrunnen bei Münchenbuchsee nach Krauchthal führte. Bei zaghaftem Sonnenschein widmete ich mich vorerst der Autobahn A6, ehe ich in Richtung ruhigere Gefilde abbog. Auf dem waldreichen Abschnitt von Moosaffoltern nach Ballmoos erwartete mich der Woolibach, den es steglos zu überqueren galt. Ein grosser Schritt reichte, und ich war drüben.

Spätestens an der Peripherie von Jegenstorf hatte mich die Berner Agglo mit all ihren Gegensätzen wieder. Auf den zwischen den Dörfern gelegenen Feldern wurden eifrig Kartoffeln geerntet. Selbstfahrende Traktoren zogen im Schritttempo ein Ernteungeheuer, auf dem eine Handvoll Leute die maschinell aus dem Boden geholten Kartoffeln aussortierte. Kurz vor dem Ende des Ackers schwang sich der Bauer auf den Traktor, übernahm das Steuer und wendete das Ensemble, um sodann eine neue Fuhre in Angriff zu nehmen.
 
Die Route der 15. Etappe der Wanderspirale.

An der grossen Dorfkreuzung in Mattstetten überraschte mich ein historischer Brunnen beachtlicher Grösse. Und nur wenige Schritte weiter gelangte ich an einem kleinen Schloss vorbei, das ein Kleinkunsttheater beherbergt. Vis-à-vis des schmucken Gebäudes befindet sich das Areal des Platzgerklubs Schlössli. – Platzgen? Hier ein kleiner Exkurs:

Platzgen ist ein alter Zielwurfsport, von dem die Chroniken erzählen, dass er schon im Mittelalter in fast allen Gebieten unseres Landes betrieben wurde. Heute wird dieser Sport vorwiegend im Kanton Bern ausgeübt. Die Wurfgeräte nennen sich – nomen est omen – Platzgen und bestehen meist aus gehärtetem Stahl. Jeder Spieler besitzt seine eigene Platzge, die ihm gut in die Hand passen muss. Form und Gewicht sind nicht vorgeschrieben, der Höchstdurchmesser darf jedoch 18 cm nicht überschreiten. Die meisten heutigen Platzgen sind handförmig, mit fünf Zacken, einem Ahornblatt ähnlich. Das Gewicht liegt zwischen 1 und 3 Kilogramm.

Die Wurfdistanz beträgt 17 Meter. Das Ziel («Ries») ist ein mit Lehm («Lätt») gefüllter Stahlring, hat einen Durchmesser von 1,40 m und ist nach hinten um rund 25 cm erhöht. Dieser muss immer gut gepflegt und behandelt werden, darf nicht zu nass, aber auch nicht zu trocken sein. Zur Erzielung guter Resultate muss der Lehm unbedingt in bester Ordnung sein. Für den Platzger spielen der Zustand und die Beschaffenheit des «Lätts» eine wichtige Rolle. In der Mitte des Rieses steckt ein eiserner Stock («Schwirren»), der 35 bis 40 cm aus dem Lehm ragt und leicht nach vorne geneigt ist.

Zum Bewerten eines Wurfes benötigt man einen Meter und ein Messer. Das Messer wird dort in den Lehm gesteckt, wo die Platzge liegen bleibt, und zwar beim nächstgelegenen Punkt der Platzge zum Stock. Zum Messen des Abstandes wird das Ende des Meters (100cm/200cm) an den «Schwirren» gesetzt. Berührt die Platzge den Stock, dann gilt der Wurf 100 Punkte. Pro cm, die die Platzge vom Stock entfernt liegt, gibt es einen Abzug von 1 Punkt. Ein Abstand von 13 cm ergibt beispielsweise 87 Punkte.

Alljährlich finden drei grosse Wettkämpfe statt. Das Frühlingsfest, die Meisterschaft und das Verbandsfest. An einem dieser Anlässe wird seit 2017 auch der Titel eines Schweizermeisters vergeben. Gute Resultate im Einzel- wie auch Vereinswettkampf werden mit schönen Auszeichnungen und wertvollen Ehrengaben belohnt. Während der gesamten Saison (April bis Oktober) werden auch eine Wettspielmeisterschaft mit vier Stärkeklassen sowie Vereins- und Einzelcup ausgetragen. Schliesslich organisieren zahlreiche Vereine für Platzger und Nichtplatzger eigene Wettkämpfe (Volks-, Gönner- oder Passivplatzgen).

Mit der neuen Erkenntnis, dass dieses kleine Mattstetten masslos unterschätzt wird, unterquerte ich die Bahnlinie Bern–Burgdorf, die A1 und unmittelbar danach ging ich am Portal des Grauholztunnels vorbei. Südöstlich von Mattstetten herrscht brutales Verkehrsaufkommen, ergänzt von der alten Bern-Zürich-Strasse. Ich war deshalb nicht unfroh, bald einmal im Wald verschwinden zu können, wo ich mich in Ruhe im Stile eines Orientierungsläufers auch auf weglosen Abschnitten austoben konnte. So war es denn nach dem Verlassen des Waldes nur noch einen Katzensprung ins Ortszentrum von Krauchthal, dem versteckt gelegenen Dorf am Fusse mächtiger Sandsteinhügel und in Sichtweite der Strafanstalt Thorberg. Eine Bildstrecke dieser knapp 16 km langen Etappe gibt es hier zu sehen.

Der aktuelle Stand: In Grün die zurückgelegte Strecke, in Rot die geplante Route.

18. September 2022

Populärmusik aus Vittula

Mikael Niemi: Populärmusik aus Vittula,
btb, München, 2004 
Matti und sein schweigsamer Freund Niila wachsen auf in einem kleinen Dorf im äussersten Norden Schwedens, fernab der wirklichen Welt. Es sind die wilden sechziger Jahre, doch das Leben im Tornedal wird weniger durch Rebellion als durch die unwirtliche Landschaft, den kauzigen Eigensinn seiner Bewohner und der religiösen Bewegung des Laestadianismus geprägt, die durch extreme Strenge und Lustfeindlichkeit besticht. Kein Wunder, dass die beiden Kinder schon früh nichts anderes im Kopf haben, als sich wegzuträumen von diesem Ort, der zwar vie le Geschichten zu erzählen hat, aber auch unvermutete Gefahren in sich birgt. Als der Rock'n'Roll Einzug hält im kleinen Tal, ist ihre Zeit gekommen ...

Ein grossartiges, eindringliches Buch mit einer unverwechselbaren Handschrift: Niemis Sprache ist so wild und zärtlich wie die Menschen aus dem hohen Norden, die er beschreibt - seine Geschichte so rasant, ausgelassen und dramaturgisch geschickt, dass einem Hören und Sehen vergeht.
(Klappentext)

10. September 2022

Eljascha

Yvonne Léger: Eljascha, Pendo,
Zürich, 1990
Eljascha ist eine leidenschaftliche, innige Liebesgeschichte voller Poesie und Träume, vor dem düsteren Hintergrund der Besatzung, des Chaos, des mörderischen Krieges – die gros se Liebe zweier Menschen auf der Flucht quer durch ganz Frankreich, und die Autorin, Yvonne Léger, reiste im Bauch ihrer Mutter Eljascha mit.

Nachdem Joschi als Jude von den Nazis ausgebürgert worden war, verliess er 1938 seinen Heimatort Mainz, um sich in Frankreich eine neue Existenz aufzubauen. Eljascha stammte aus Luzern. Als Schweizerin wusste sie, dass sie, bei der Vermählung mit einem Ausländer, ihr Bürgerrecht verlieren würde. Am Vorabend des Zweiten Weltkrieges, am 14. August 1939, heirateten Eljascha und Joschi dennoch in Paris, und sie wurde, wie ihr Ehemann, staatenlos.

Schon vor seiner Heirat war Joschi in die französische Armee eingezogen worden. Als Hitler am 14. Juni 1940 Paris besetzte, konnte Eljascha die Hauptstadt noch mit einem der letzten Züge verlassen. Sie erreichte Mayenne, wo Joschi stationiert war. Frankreich war im Chaos. Joschi desertierte, und das Paar floh durch das besetzte und unbesetzte Frankreich, oft ohne zu wissen, in welchem Teil sie sich gerade befanden. Als die Reise ins Ungewisse begann, war Eljascha im zweiten Monat schwanger. Im Dezember 1940 kam die staatenlose «Schweizerin» Eljascha bei Annemasse über die Grenze in die Schweiz. Am 9. Januar 1941 gebar sie ihre Tochter Yvonne, die Autorin dieses Buches.
(Klappentext)

7. September 2022

Abschalten

Martin Suter: Abschalten, Diogenes,
Zürich, 2012
Sie arbeiten im mittleren Management mehr oder minder bedeutender Unternehmen, sie tragen so klingende Namen wie Hunold, Huber, Lindner oder Glaser, und sie sind schrecklich erschöpft von all den Hierarchien, Synergien, Strategien, Gehaltsforderungen, Terminkollisionen und Verteilungskämpfen am Kaffeeautomaten. Dann ist es so weit: endlich Ferien! Und was machen sie daraus? Tja, manchmal stresst abschalten wollen doch mehr als nicht abschalten können.

Was ist das Schlimmste für den Manager? Kein Bonus. Das Zweitschlimmste? Ferien. Zur Untätigkeit gezwungen zu sein, zu wissen: Die Firma wird untergehen, weil er nicht da ist. Oder, noch schlimmer: Die Firma wird nicht untergehen, obwohl er nicht da ist. Und am allerschlimmsten: Die Firma wird wachsen und gedeihen, gerade weil er nicht da ist. Was bleibt dem Manager also übrig? Die Ferien managen oder die eigene Familie oder das Hotelpersonal, bis schliesslich allen der Kragen platzt. Oder einen Weg finden, nicht in die Ferien zu fahren. (Klappentext)

4. September 2022

Mein Luftschloss auf Erden

Katharina von Arx: Mein Luftschloss auf
auf Erden, Edition Erpf, Bern, 1981
Mit Ihrer Unterschrift auf dem Verkaufskontrakt werden die Schriftstellerin Kathrin von Arx und Ihr Mann, der Schriftsteller und Journalist Frédéric Drilhon, Besitzer des alten Schlosses von Romainmôtier. Ein Traum, der in Erfüllung ging?

Ungeheuerlich gross, gespenstisch drohend beinahe steigt das zukünftige Zuhause vor den neuen Besitzern aus der Nacht ins ungewisse Morgengrauen. Was haben sie sich da bloss angeschafft? Suchten sie nicht vor kurzem noch ein kleines «pied-à-terre»?

Aber da war die bemalte Balkendecke und im Halbdunkel, eingepfercht zwischen grauen Wänden mit aufgemalten Steinen, eine dicke gotische Säule. Grund genug für die Abenteurerin und passionierte Bewohnerin Kathrin von Arx, sich in die versteckten Möglichkeiten der alten, verfallenden Mauern festzubeissen.

Feste Mauern bedeuten Heimat Und seit ihrer Kindheit träumte Kathrin von Arx vom Wiederfinden ihrer Heimat Geborgenheit in festen Mauern!

Träume sind dazu da, Wirklichkeit zu werden. Jedenfalls bei Kathrin von Arx. Sie ist nicht die Frau, die Träume begräbt und zur Tagesordnung übergeht. Und so ist aus ihrem Traum, dem Luftschloss auf Erden, Wirklichkeit geworden. Es besitzt feste Mauern und manche Kostbarkeit, die sie mit eigenen Händen mitgeholfen hat, aus jahrhundertealtem Verfall herauszuretten. Heute steht das Schloss in alter Pracht im Zentrum von Romainmôtier und ist eines der schönsten mittelalterlichen Bauwerke der Schweiz.

Mittelalterliche Mauern nur als zeugen der Vergangenheit wiederherzustellen widerspricht dem Naturell der Kathrin von Arx. Ihr Schloss ist heute ein offenes Haus, wo unzählige Menschen ein- und ausgehen, Künstler ihre Arbeitsstätten eingerichtet haben, Handwerker ihr Wissen weitergeben und Besucher auch einfach zur Ruhe kommen können. Schloss Romainmôtier ist eine lebenssprühende Oase geworden.

Mit der gleichen Geduld und Feinfühligkeit mit der sie Schloss Romainmôtier zu neuem Leben erweckte, hat Kathrin von Arx die Geschichte eben dieses Schlosses und der Menschen seiner Umgebung zu Papier gebracht Und Romainmôtier, das kleine Dorf am Jurafuss, ist nicht der Ort, der farblose Charaktere hervorbringt! Manche Kämpfe galt es auszufechten mit Nachbarn und Dorfgenossen, die der «spinnigen» Zuwanderin reserviert, ja feindlich gegenüberstanden. «Mein Luftschloss auf Erden» ist daher nicht nur der spannende Bericht eines architektonischen Abenteuers, sondern auch ein mal liebevolles, mal ironisches Porträt einer Landschaft und ihrer Bewohner.

Darüber hinaus auch ein kraftvolles «Ja» zum Leben und eine Aufforderung an den Leser, Spontaneität, Freude und Abenteuerlust nicht in festgefahrenen Geleisen abzutöten.
(Klappentext)

31. August 2022

Life Hacks

Keith Bradford: Life Hacks – 1000 Tricks,
die das Leben leichter machen, Rowohlt,
Reinbek b. Hamburg, 2015
Mundgeruch loswerden, sich vor Gewittern retten, Drinks umsonst bekommen und T-Shirts richtig zusammenlegen: alles kein Problem mit den «Life Hacks». Keith Bradford sammelt die 1000 lustigsten und cleversten Tricks, die das Leben erleichtern – und erstaunlich einfach sind. Sie bekommen Antworten auf Fragen, die Sie sich schon immer gestellt haben, und Hilfe für jede Lebenslage. Die verblüffendsten Ideen und originellsten Tipps für den Alltag. (Klappentext)

25. August 2022

Stein bedeutet Liebe

Eveline Hasler: Stein bedeutet Liebe,
dtv, München, 2012
Im Schwabinger «Café Stefanie» trifft sich Münchens Boheme. Der libertine Psychiater Otto Gross und seine Behandlungsmethoden sind hier Tagesgespräch, bei Roda Roda, Gustav Meyrinck, Erich Mühsam, der Gräfin Reventlow und der Fabrikantenwitwe Ullmann mit ihrer 22-jährigen Tochter Regina. Diese beginnt nicht nur eine Analyse bei Gross, der sie in ihrem literarischen Schreiben bestärkt, sondern lässt sich auch auf eine leidenschaftliche Affäre mit ihm ein. Als sie, zeitgleich mit zwei anderen Frauen, ein Kind von ihm erwartet, verweigert er seine Hilfe. Kurz darauf wird Gross, zur Heilung seiner Kokainsucht, bei Carl Gustav Jung ins Zürcher Burghölzli eingewiesen. Regina bekommt heimlich auf dem Land eine Tochter. Hin- und hergerissen zwischen ihren starken Gefühlen für Gross und ihrer dominanten Mutter, findet sie ihren eigenen Weg und ihre Kraft im Schreiben. Kenntnisreich und bewegend erzählt Eveline Hasler die Geschichte einer ungewöhnlichen Frau und einer tragischen Liebe.
(Inhaltsangabe zum Buch)

22. August 2022

Vom Wandern

Ulrich Grober: Vom Wandern, Rowohlt,
Reinbek b. Hamburg, 2011
Immer mehr Menschen, junge wie ältere, wandern – wieder. Eine alte Leidenschaft wird neu entdeckt, die Beine bewegen sich, «der Kopf wird frei und mit ihm der ganze Mensch». Die alte Kunst des Wanderns ist heute der Einspruch gegen das Diktat der Beschleunigung. Der Autofahrer steht im Stau, der Wanderer geht neue Wege. Er sucht die Exotik der Nähe – und findet sich selbst.

Ulrich Grober erzählt von seinen eigenen Wanderungen. Allein. Mit Kindern. Mit Freunden. Auf dem Kolonnenweg an der ehemaligen Grenze der DDR oder den Rhein entlang. Über die Alpen. Auf Heideggers und Hesses Spuren u.a.m. Er berichtet über das innere Echo eines nächtlichen Zikadengesangs, über den süßen Geruch von Heu, über die Anstrengungen einer winterlichen Schneeschuhpartie.

Und Grober schlägt den Bogen von Ötzi bis zu den Neonomaden mit Laptop und Isomatte. Sein Buch ist ein philosophisches Brevier: Wie gewinnen wir unsere Zeitsouveränität zurück? Werden die «nomadischen Fähigkeiten» zu einer Schlüsselkompetenz des neuen Jahrtausends? Und auch praktisch: Aus welchen Bächen lässt sich noch trinken? Was braucht man an Ausrüstung und Proviant, wie orientiert man sich?

Ein kluges Buch, ebenso meditativ wie nützlich. Das Motto: «Ohne Schritte kein Fortschritt. Ohne Bewegung: Stillstand.» Wer gern wandert, wird dieses Buch lieben. Wandern als Lebenskunst und Selbsterfahrung.
(Inhaltsangabe zum Buch)

20. August 2022

Die Blaumeise

Werner Niederer: Die Blaumeise,
Grünkreuzverlag, Freiburg i.Br.
Alfred, ein 48-jähriger Programmierer, Hacker und seit kurzem Grossvater, erlebt zahlreiche Herausforderungen. Seine Reaktionen haben überraschende Folgen für die Zürcher Softwarefirma, in der er arbeitet, für seine Familie und sogar für die Weltpolitik. (Klappentext)

BE: Mürren, Silberhorn ZH: Stadt Zürich, Meilen, Rüschlikon, Greifensee, Uster, Dübendorf

15. August 2022

Zu Fuss über die Alpen

Ludwig Grassler: Zu Fuss über die Alpen, Süddeutscher
Verlag, München, 1977
Dieses Buch ist für alle Freunde des Bergwanderns eine Sensation. Rechtzeitig zum 75. Jubiläumsjahr des Isartalvereins stellt Ludwig Grassler seinen «Traumpfad» über die Alpen von der Isar bis an den Piave in Wort und Bild vor. Der Wanderweg vom Münchner Marienplatz bis zum Markusplatz in Venedig ist etwa 515 Kilometer lang, kann in 28 Wandertagen in einzelnen Etappen bewältigt werden und führt im Bereich der Alpen über insgesamt 33 Jöcher, Scharten und Pässe. Die Stationen dieser Etappen sind: München, Wolfratshausen, Bad Tölz, Leger, Vorderriss, Wattens, Lizum, Tuxerjoch, Pfunders, Lüsen, Grödnerjoch, Marmolada, Masare, Pramperet, Belluno, Priula, Bocca Callalta, Jesolo, Venedig .

Für jeden bergerfahrenen Wanderer ist der hier vorgestellte Weg von München nach Venedig ein «Erlebnis fürs Leben»! Wer für dieses Erlebnis vier Wochen Abschied nimmt von den Bequemlichkeiten der modernen Zivilisation, der wird durch die zahllosen stillen oder gewaltigen Naturschönheiten und die einmaligen Begegnungen abseits von lärmenden Autostrassen reichlich entschädigt. 

Die vielen Bilder in diesem Buch, während der Wanderung vom Autor selbst aufgenommen, bestätigen solche Eindrücke. Die ausführliche Beschreibung des Weges und seiner Besonderheiten sowie die Vermittlung der kulturhistorisch en Daten über die zahlreichen erwanderten Stationen unterwegs durch das Isartal entlang den weissen Kalkwänden des Karwendel, den firnglänzenden Höhen der Zillertaler Berge, über die lieblichen Matten zwischen den roten Felsburgen in den Dolomiten und durch die Wildflusslandschaft am Piave bis zum Meer bei Jesolo  lassen uns darauf besinnen, wie weit die Zersiedelung unserer Landschaften und der hektische Ausbau eines immer dichteren Strassennetzes die Fussgängerfreiheiten in unserer modernen Welt beschränkt haben: Durchgehende Fusswege über weite Strecken sind heute immer weniger auszumachen. Nur noch entlang den Flüssen und im Gebirge finden wir sie, und der «Traumpfad» von Münchens «Guter Stube» über die Alpen bis zum «schönsten Salon der Welt», wie Napoleon den Markusplatz in Venedig nannte, ist wohl der verlockendste unter ihnen, weil er den aktiven Wanderer herausfordert, aber auch reichlich belohnt.

Doch selbst den Nur-Leser, der diesen Pfad lediglich mit Hilfe des Buches nachvollzieht, bereichert die Lektüre mit einem anregenden und aussergewöhnlichen Erlebnis, mit der Teilhabe an einem Abenteuer, wie es in unserer technisierten Welt nicht mehr möglich schien. (Klappentext)

10. August 2022

Schachteltraum

Walther Kauer: Schachteltraum, Benziger,
Zürich/Köln, 1978
Schachteltraum: Der Titel bezieht sich zunächst auf die Schreibtechnik. Auf drei nebeneinander verschachtelten Ebenen erzählt Kauer die spannende, in überraschenden, mitunter kriminalistischen Wendungen verlaufende Biografie von Georges Knecht und gibt zugleich ein Bild schweizerischer Geschichte zwischen 1930 und 1970. Schachteltraum heisst das Buch aber auch, weil der Erzähler Knechts Aufzeichnungen in Schachteln verpackt findet, aus ihnen, aus Briefen und Dokumenten Knechts Leben rekonstruiert.

Georges Knecht ist Sohn eines von der Wirtschaftskrise betroffenen Arbeiters, der im spanischen Bürgerkrieg auf der Seite der Antifaschisten fällt. Als Verdingbub kommt Knecht zu einem reichen Bauern, erlebt im Zweiten Weltkrieg Schwarzhandel und Schiebereien, die Ausbeutung der internierten, Polen. Knecht, ein Heller, Aufgeweckter, darf die Mittelschule besuchen, entwickelt Gerechtigkeitssinn, zuviel Gerechtigkeitssinn, wie sich später erweist. Nach dem Krieg verwandelt sich das Dorf, das Zweigwerk einer Maschinenfabrik wird aus Italien kommen die ersten Fremdarbeiter. Um ihnen zu helfen, lässt sich Knecht von Hinrichsen, dem Firmeninhaber, als Sozialarbeiter anstellen. Doch nur für kurze Zeit. Dann entspinnt sich ein Kampf der beiden ungleichen Gegenspieler, und Hinrichsen, in Personalunion Unternehmer, Politiker und Militär, stellt Knecht auf seine Weise kalt.
(Klappentext)

8. August 2022

Die Studentin

Christian Schünemann: Die Studentin,
Diogenes, Zürich, 2009
Der Alptraum eines jeden Starfrisörs: Kurz bevor die Show der weltweit besten Frisöre in London beginnt, fällt das Supermodel aus. Tomas Prinz weiss sich zu helfen. Kurzerhand engagiert er Rosemarie, das englische Au-pair-Mädchen, das bereitsteht, um ihn nach München zu begleiten. Dort wird sie in der Familie seiner Schwester Regula erwartet. Zuvor aber muss sie Prinz mit einer ganz besonderen Qualität aushelfen: ihren wunderschönen roten Haaren.

Rosemarie ihrerseits führt ihn ins Münchner Uni-Milieu ein, in dem Prinz herumstreunt wie ein neugieriger Tourist. Von den akademischen Debatten versteht er wenig, aber die menschlichen Abgründe – Intrigen und Karrierepläne – erfasst er auf den ersten Blick. Und prompt hat er einen neuen Fall am Hals. Wo die Polizei mühsam Fakten zusammenträgt, braucht sein visuell geschultes Auge Sekunden, um kriminelle Zusammenhänge zu erkennen.
(Klappentext)

D: München (Hauptschauplatz) GB: London

5. August 2022

Zu Fuss durchs wilde Kurdistan

Achill Moser: Zu Fuss durchs wilde Kurdistan, Pietsch,
Stuttgart, 1990
Achill Moser hat sein Leben schon in vielen Extremtouren gewagt. Er kämpfte sich zu Fuss durch die Wüste Gobi, bezwang in Westafrika den Niger mit dem Kanu und durchquerte das trostlose Odadahraun-Lavafeld in Island. Seine Expedition durch Kurdistan, jene wilde Felsregion in der Osttürkei, stellte ihn vor ganz neue Anforderungen. 300 Kilometer marschierte Moser durch das rauhe Bergland an der Grenze zum Irak, der UdSSR, Syrien und dem Iran. In diesem Pulverfass der Emotionen und der Gewalt, der behördlichen Willkür und dem Widerstand der Bergnomaden, erschliesst sich dem Leser eine grandiose Natur, wie sie atemberaubender nicht sein könnte. Achill Moser lässt den Leser hautnah mit dabei sein … (Klappentext)

23. Juli 2022

«Indirettissima» ist da!

Reto Küng: Indirettissima, Edition
Wanderwerk, Burgistein, 2022
Inspiriert von der 1983 landesweit legendär gewordenen «Direttissima Schweiz» unternimmt Reto Küng fast 40 Jahre später eine ähnliche Reise: zu Fuss vom nordwestlichsten Zipfel des Kantons Waadt zur südöstlichsten Ecke des Bündnerlandes. Anders als seine Vorgänger sucht der Autor nicht den möglichst direkten Weg. Seine Absicht ist es vielmehr, bislang weniger begangene Gegenden von Jura, Mittelland und Alpen zu bewandern.

An 43 Tagen legt Küng weit über 900 Kilometer zurück. Begleitet vom Wetterglück durchstreift er fantastische Landschaften und fotografiert diese gekonnt. In seinem Erlebnisbericht erzählt er von Begegnungen mit Wildtieren, Beherbergern und mitunter gewalttätigen Einheimischen. Er berichtet aber auch von den Sorgen und Nöten des Fernwanderers, seinen Glücksmomenten und vielem mehr.

Der mit 140 meist grossformatigen Fotos reich bebilderte Band lädt dank einer Etappenübersicht sowie den zur Verfügung gestellten GPS-Tracks zum Nachwandern der wunderbaren Route ein.

Das Buch ist ab sofort in der Edition Wanderwerk erhältlich. Hier steht auch eine Leseprobe und ein kurzes Autorenporträt zur Verfügung.

22. Juli 2022

Im Land der grünen Ameisen

Sarah Murgatroyd: Im Land der grünen
Ameisen, Verlag das Beste, Stuttgart/Zürich/
Wien, 2004
Von seiner Entdeckung im Jahr 1770 an wehrte sich der australische Kontinent hartnäckig dagegen, seine Geheimnisse preiszugeben, und über sein «totes Herz» kursierten abschreckende Geschichten.

Um 1860 waren nicht mehr als zwei Drittel Australiens erforscht. Erst nachdem es in Victoria, der kleinsten Kolonie Australiens, reiche Goldfunde gegeben hatte, wurde der Ehrgeiz dieser Kolonie geweckt: Zum ersten Mal sollte der Kontinent von Süd nach Nord durchquert werden. Somit wurde in Melbourne ein Organisationskomitee gegründet, das eine geeignete Expeditionsmannschaft zusammenstellen sollte. Schliesslich war es soweit: Am 19. August 1860 brachen der exzentrische irische Polizist Robert O'Hara Burke und der bescheidene Landvermesser William John Wills mit einer Karawane von schwer beladenen Kamelen, Pferden, Planwagen und abenteuerlustigen Männern auf ins Unbekannte. Niemand wusste genau, was sie erwartete, und niemand ahnte, welch triumphales und zugleich tragisches Ende diese Expedition, die so glorreich begann, nehmen würde. (Klappentext)

19. Juli 2022

Wandern

Diverse Autoren: Wandern in Dichtung
und Farbaufnahmen, Verlag C.J. Bucher,
Luzern/Frankfurt a.M., 1981
Die Fussreise ist die älteste und unmittelbarste Art menschlicher Fortbewegung, naturgegebenes Mass erlebbarer Geschwindigkeit und der Wahrnehmung der weiteren Umgebung. Die Geheimnisse der Natur in ihren vielfältigen Erscheinungsformen und die von ihren Bewohnern über Generationen hinweg gestaltete Kulturlandschaft enthüllen sich uns in ihrem eigentlichen Wesen erst beim Wandern. Doch führt uns das nicht nur zur Neuentdeckung der Umwelt, sondern auch unseres Ichs. Diesen Weg der Selbstfindung kannten schon die antiken Denker; Jean-Jacques Rousseau pries ihn; und ihm folgten die Wanderburschen, die nach erlerntem Beruf ihren Platz, ihre Stellung in der Welt suchten.

Das Gehen ist in unserer Zivilisation nicht mehr massgebend. Umso bewusster suchen heute jedoch viele den Zugang zur Natur, zu Feld und Wald und Flur wie zum eigenen Körper. Zur Freizeitbeschäftigung geworden, bleibt dem Wandern immerhin die eine ursprüngliche Bedeutung: die Seele zu entkrampfen und die Gedanken zu läutern.
(Vorwort von Xaver Schnieper)

16. Juli 2022

Huber spannt aus

Martin Suter: Huber spannt aus,
Diogenes, Zürich, 2005
Business as usual, auch in Krisenzeiten: Von der Selbstbedienungsmentalität im Topmanagement. Von der enormen Anstrengung, einmal richtig auszuspannen. Vom Stylen der Personality. Von der Bereitschaft, sich sexuell belästigt zu fühlen. Von Managern im Lotussitz.

Martin Suters satirischer Karriere-Leitfaden, mittlerweile eine Institution und wohl das beste Mittel, um sich nach einem anstrengenden Arbeitstag den Stress von der Seele zu lachen. (Klappentext)

6. Juli 2022

Sonnenwende

Katharina Hess: Sonnenwende, Terra
Grischuna, Chur + Bottmingen, 1992
Der Roman einer Frau, der Entwurf eines Lebens in sieben Bildern, auf 260 Seiten, lebendig und hautnah. Eine Frau von heute, eine Frau in den Gegensätzen unserer Zeit: verrückt und verhalten, engagiert und zurückgezogen, weltoffen und versponnen. Die Geschichte einer Liebenden und einer Einsamen, die Geschichte eines Lebens. Vielleicht der Roman, auf den die bisherigen literarischen Arbeiten von Katharina Hess angelegt waren. Graubünden und Italien sind die Schauplätze, gemeint aber ist die unausmessbare Seele dieser unvergleichbaren Frau, ihre Begeisterung, ihr Schmerz, ihr schrittweises Reifen, ihre Stille. (Klappentext)

GR: Fiktives Bündnerland, Fiktiver Ofenpass (Hauptschauplatz) I: Fiktives Valdidentro

3. Juli 2022

100% Jugendsprache

Diverse: 100% Jugendsprache 2016,
Langenscheidt, München
Bist du'n Alpha-Kevin, voll die Antikompetenz oder doch mega bambus? Einwegtussi oder Tinderella? Omni oder Swaggetarier? Dann wirst du dieses Wörterbuch krass feiern. Hier gibt's Enterbrainment, bei dem auch die Fliegenficker steil gehen.

Also bloss nicht merkeln! Gönn dir über 600 Wörter und Ausdrücke, die Jugendliche aus Deutschland, Österreich und der Schweiz mit #geilon getaggt haben. No shit, Sherlock – suchten inklusive! In 100% Jugendsprache 2016 gibt's Augenkrebs von stabil vielen neuen Wörtern und Sonderthemen. Auch die Übersetzung ist upgedated.

Vintage und Newtage Style: Nur Jugendslang kommt ins Jugendwörterbuch. Wenn keine Übersetzung angegeben ist, gibt es keine. Gerafft? Leider geil: Das Buch 100% Jugendsprache 2016 enthält nur eure Wörter. Seit der letzten Ausgabe habt ihr über jugendwort.de, unsere Facebook-Seite und per Mail neue Begriffe eingereicht. Nice! Und klar: Einige der Ausdrücke werden nur regional, andere deutschlandweit und darüber hinaus benutzt. Nicht alle haben überall den Swag, manche nur in bestimmten Regionen.

Also, sei kein Party Pooper und tagg deine Facebook-Freunde mit #jugendwort, du Smombie! Okö?

tlidr? Wayne!

Have fun!

(Aus dem Vorwort)

Moors Fazit: Selten so oft und herzhaft gelacht! Der sprachschöpferischen Fantasie sind keine Grenzen gesetzt, und genau dies macht Sprache derart faszinierend.

30. Juni 2022

Sterben

Karl Ove Knausgård: Sterben, btb
München, 2013
Das eigene Leben offen, schonungslos und radikal zum Gegenstand des Schreibens zu machen – dies ist das Konzept, zu dem sich Karl Ove Knausgård in einem furiosen Mammutprojekt entschlossen hat. Radikal ehrlich und mit unglaublicher sprachlicher Kraft nähert er sich in «Sterben», dem ersten Roman einer sechsbändigen Serie, seinem schwierigen Verhältnis zum Vater, das ihn grundlegend geprägt hat. Als dieser stirbt und er sich mit seinem Bruder daran macht, den Nachlass zu ordnen, bietet sich beiden ein Bild des Grauens. So sehr hat dieser Vater einen Schatten auf das Leben der Brüder geworfen, dass sie den Bestatter bitten, die Leiche sehen zu dürfen. Erst dann, so sind sich beide einig, werden sie glauben können, dass er wirklich tot ist. Der Sog, der von Knausgårds direkter Art des Erzählens ausgeht, macht seinen Roman zu einer faszinierenden und erschütternden Lektüre. Gerade weil er so radikal persönlich schreibt, gewinnt sein Text eine schmerzliche Allgemeingültigkeit. (Inhaltsangabe zum Buch)

N: Kristiansand (Hauptschauplatz), Bergen, Stavanger, Oslo S: Stockholm

Moors Fazit: Knausgårds Geschichte macht spätestens nach den ersten 20 Seiten süchtig. Schön zu wissen, dass die restlichen fünf Bände dieses gross angelegten Schreibprojektes in meiner Bibliothek lagern und geduldig auf den Süchtigen warten. Ein dickes Lob geht auch an Paul Berf, der den Text aus dem Norwegischen hervorragend ins Deutsche übersetzt hat.

26. Juni 2022

Kater (43), 1.80 m, sucht …

Fatima Vidal: Kater (43), 1.80 m, sucht …,
Vidal Verlag, Winterthur, 2015
Ausgerechnet sie, die nichts mehr von der Liebe wissen will, soll einen Onlinekurs für Singles testen – Flirtübungen inklusive. Leonie Löv ist richtig gefordert. Ella, ihre beste Freundin, die gleichzeitig Stellenvermittlerin ist, hilft Leonie, Jobs zu finden. Die Auswahl (Hundesitterin, Testerin, Weihnachtsengel) ist alles andere als berauschend. Eusebius Löv, Leonies Vater, hat neuerdings andere Interessen und lässt seine Tochter links liegen. Yasmina Roth, Sachbuchautorin und Kupplerin der Nation, leitet diesen Kurs für Singles, der bei manch einer Leserin mächtige Aha-Erlebnisse auslösen wird. (Klappentext)

23. Juni 2022

Losgehen, um anzukommen

Diverse: Losgehen, um anzukommen,
Piper, München 2008
«Ich bin dann mal weg!» Viel mehr hatte Hape Kerkeling zum Abschied eigentlich nicht gesagt, als er zu seinem Fussmarsch auf dem Jakobsweg aufbrach. Mit elf Kilo im Gepäck, einem neuen Paar Wanderschuhen und einem Ziel vor sich, das 800 Kilometer entfernt lag und ihn verändern sollte. Und mit dem er an eine jahrhundertealte Tradition anknüpft, die doch heutzutage lebendiger als je zuvor ist. Schon im Mittelalter gab es solche spirituell motivierten Reisen zu wichtigen Stätten des Glaubens in Jerusalem , Rom oder Nordspanien; heute ziehen Wallfahrtsziele wie Santiago de Compostela, Altötting, Mariazell, Fatima oder Lourdes jedes Jahr Hunderttausende Gläubige an.

In diesem Buch ist eine Auswahl der schönsten historischen wie modernen Pilgerberichte versammelt – von Geoffrey Chaucer oder Robert Louis Stevenson bis Bettina Selby und Shirley Maclaine, Brigitte Riebe oder Carmen Rohrbach. Eindrucksvoll spiegeln sie die Intensität der körperlichen, vor allem aber der seelischen Erfahrungen beim Pilgern.

18. Juni 2022

Stille Nacht

Alexander Rieckhoff, Stefan Ummenhofer:
Stille Nacht, Piper, München, 2012
Die Schwarzwaldbahn kämpft sich durch das dichte Schneetreiben zwischen Triberg und St. Georgen. Unter den Fahrgästen sind auch Oberstudienrat Hubertus Hummel, ErmittIer wider Willen, und sein Freund, der Journalist Klaus Riesle. Auf einmal wird die Zugfahrt jäh gestoppt: Und ausgerechnet Riesle findet den Vorstandsvorsitzenden der Schwenninger Bären-Brauerei ermordet auf. Hat die Tat etwas mit der drohenden Übernahme der Brauerei zu tun? Beim Weltcup-Skispringen in Neustadt hoffen die Freizeitdetektive auf die Lösung des Falles und den Erfolg der Schwarzwald-Adler. Es gibt viel zu ermitteln für den neugierigen Lehrer, der eigentlich bis zur «Stillen Nacht» sein zerbrochenes privates Glück mit Ehefrau Elke wiederherstellen will. Doch dann geschieht ein zweiter Mord – und auch Hummel ist in Gefahr … (Inhaltsangabe zum Buch)

D: Villingen-Schwenningen, Titisee-Neustadt, Offenburg, Donaueschingen, Tannenbronn, Schwarzwaldbahn

10. Juni 2022

Die Apothekerin

Ingrid Noll: Die Apothekerin, Diogenes,
Zürich, 1994
Hella Moormann liegt in der Heidelberger Frauenklinik – mit Rosemarie Hirte als Bettnachbarin. Um sich die Zeit zu vertreiben, vertraut Hella der Zimmergenossin die abenteuerlichsten Geheimnisse an. Von Beruf Apothekerin, leidet sie unter ihrem Retter- und Muttertrieb, der daran schuld ist, dass sie immer wieder an die falschen Männer gerät – und in die abenteuerlichsten Situationen: eine Erbschaft, die es in sich hat, Rauschgift, ein gefährliches künstliches Gebiss, ein leichtlebiger Student und ein Kind von mehreren Vätern sind mit von der Partie. Und nicht zu vergessen Rosemarie Hirte in der Rolle einer unberechenbaren Beichtmutter
… (Klappentext)

5. Juni 2022

Gourrama

Friedrich Glauser: Gourrama, ex Libris,
Zürich, 1977
Friedrich Glauser führte ein abenteuerliches Aussenseiterleben; das spürt man allen seinen Romanen und Erzählungen an, denn nichts Provinzielles haftet ihnen an, obschon in ihnen Menschen und Zustände in der Schweiz genau gezeichnet sind. Erst bei der Lektüre seiner biographischen Schriften erleben wir jedoch unmittelbar, was für ein gefährliches und hartes Leben am Rande oder ausserhalb der Gesellschaft Glauser geführt hat. Dank seinem autobiographischen Fragment «Mensch im Zwielicht» verstehen wir, warum es ihn aus dem bürgerlichen Leben hinausgeworfen hat. Er erzählt von seinem zwiespältigen Verhältnis zum starren, äusserst strengen Vater, vom frühen Tod seiner Mutter und den Erfahrungen, die er während seiner psychoanalytischen Behandlungen gemacht hat.

In zwei Geschichten unter dem Titel «Im Dunkel» erzählt er, was er in der Zeit nach der Fremdenlegion als Casserolier in Paris und darnach als Arbeiter in den belgischen Gruben und als Krankenwärter in Charleroi erlebt hat. Den Legionsroman «Gourrama», eines seiner lebendigsten Hauptwerke, schrieb Glauser 1928 und 1929, also sechs Jahre, nachdem er aus der Fremdenlegion zurückgekehrt war. Umso erstaunlicher ist es, dass der Roman atmosphärisch so dicht wirkt, als hätte ihn Glauser als Tagebuch geschrieben. Allerdings zeugt das Hauptthema davon, dass der Autor aus Distanz erzählt. Er schildert, wie der Herausgeber Hugo Leber schreibt, «die Flucht in einen Ort, wo es eine Flucht vor sich selber nicht mehr gab». 

Ein junger Schweizer erlebt im Lager der Legionäre sich selbst. Er ist umgeben von gescheiterten Existenzen, die sich gegenseitig vorgaukeln, was für eine filmromantische Vergangenheit sie hätten. Man kennt sich; jeder weiss, dass der andere lügt. Man hat Sehnsucht nach Zärtlichkeit und befriedigt wie unter sich auf rührend dürftige Art. Glausers Roman ist voll von echten Details; darum und wegen der Kunst der Charakterisierung und wegen der Sprachkraft ist er so spannend und mitreissend. (Klappentext)

1. Juni 2022

Reisen im Licht der Sterne

Alex Capus: Reisen im Licht der Sterne,
btb, München, 2007
Wer kennt sie nicht, die berühmteste Insel der Weltliteratur: die «Schatzinsel». Aber gibt es die legendäre Pirateninsel wirklich? Diese Frage bewegt bis heute Generationen von Lesern und Heerscharen von Schatzsuchern. Doch sie alle haben am falschen Platz gesucht. Davon ist Alex Capus überzeugt. Voller Verve erzählt der Schweizer Autor die Geschichte der «Schatzinsel» und ihres Autors Robert Louis Stevenson neu. Mit der Begeisterung eines Schatzsuchers und der Kombinationsgabe eines Forschers erkundet Capus Stevensons Leben. Er verknüpft Legende und Wahrheit um die Insel der Piratenschätze, zeigt Stevenson als Abkömmling eines schottischen Clans und als schwerkranken Südsee-Forscher, der geheimnisvolle «Reisen im Licht der Sterne» unternimmt. Und er bietet eine ebenso verblüffende wie einleuchtende Erklärung für die ewigen Misserfolge der Schatzsucher: Der Schatz ist einfach nicht da, wo alle suchten. Er ist ganz woanders - und Stevenson wusste, wo ...
(Klappentext)

Moors Fazit: Ein wunderbares Buch!

27. Mai 2022

Abschied von Sidonie

Erich Hackl: Abschied von Sidonie,
Diogenes, Zürich, 1991
Diese fiktionale wahre Geschichte, die in den 1930er Jahren in Österreich spielt, betrifft ein verlassenes Baby, das die Behörden wegen seiner Färbung als Zigeuner betrachten. Sidonie Adlersburg wird von einem Paar aufgenommen, das sie bis 1943 liebevoll als ihr eigenes aufzieht, als sie im Alter von 10 Jahren gewaltsam von ihnen getrennt, zu ihrer leiblichen Mutter zurückgekehrt und in ein Konzentrationslager gebracht wird, wo sie stirbt. In einem nachdenklichen letzten Kapitel stellt der Autor fest, dass jeder – von Sidonies Schulleiter über ihre Sozialarbeiterin bis hin zum Bürgermeister des Dorfes – ihren Tod durch ein paar einfache Worte hätte verhindern können, die keinen lauten Alarm ausgelöst hätten. Stattdessen starb ein kleines Mädchen vor ihrer Zeit. Eine kurze, aber bewegende Mischung aus Fakten und Fiktion.

A: Steyr und Umgebung, Hopfengarten

19. Mai 2022

Korea

Simon Winchester: Korea, btb, München,
2006
Wie reist man durch ein so fremdes Land wie Südkorea? Simon Winchester möchte das «echte» Südkorea erleben, also entschliesst er sich, zwei Monate lang zu Fuss das «Land der Wunder» zu durchqueren. Auf seiner Reise trifft Winchester amerikanische Soldaten und irische Mönche, koreanische Amazonen und auf Flitterwochen spezialisierte Hotelbesitzer, er bekommt es mit professionellen Heiratsvermittlern, deftigen Hundegerichten und konfuzianischen Lebensritualen zu tun. Winchester lernt dieses Land lieben – gerne hätte er einfach nur von der Schönheit Koreas geschrieben. Doch ist gerade die Zeit seiner Reise, das Jahr 1987, «die bewegteste, faszinierendste und historisch vielleicht bedeutsamste Zeit in der Geschichte des modernen Korea». Es ist die Zeit, als das politische System Koreas in Bewegung gerät. Und so wird Winchesters Marsch auch zu einer hautnahen Begegnung mit den politischen Konflikten des Landes: Er berichtet von den massiven Unruhen und politischen Protesten, die durch das autoritäre Regime ausgelöst werden und zur allmählichen Einführung demokratischerer Strukturen beitragen. (Inhaltsangabe zum Buch)

Moors Fazit: Ein durch und durch aufschlussreicher Reisebericht, der sich in erster Linie – und das ist gut so – mit dem Land Korea und vieler seiner oft unglaublichen Facetten befasst, und der Fussmarsch erzählerisch lediglich als «Vehikel» und roter Faden dient. Wer mehr über ein Land erfahren möchte, von dem wir hier im Westen nur wenig wissen, hole sich den Winchester und tauche ein in diese unsinnigerweise geteilte Halbinsel Asiens.

14. Mai 2022

Die Spirale – Etappe 14

In Grün die bereits zurückgelegte Strecke von 235 km

Die Vorfreude auf diese 14. Etappe der Wanderspirale war gross und berechtigt dazu. Heute stand nämlich der 2. Einsatz meines Packrafts an, stellte sich mir doch der Wohlensee in die Quere. Von Frauenkappelen, wo mich ein absolut traumhafter Frühsommertag erwartete, stieg ich ab in den Mikrokosmos Wohlensee. Surrte am Frauenkappeler Ortsrand noch ein Baukran, sang und pfiff und quakte es am wellenlosen See ohne Ende. Genau so hatte ich mir diesen gewünscht. Und weil ich unter der Woche zu Gange war, kurvten auch keine nervigen Motorboote auf dem Gewässer herum. Abgesehen von zwei Sportruderern hatte ich also den Wohlensee für mich, zumindest für die gut 300 Meter lange Strecke vom Süd- ans Nordufer.

Zugegeben, für die zehn Minuten, die ich auf dem Wasser war, benötigte ich insgesamt 50 Minuten Vor- und Nachbereitung. Mit anderen Worten, auf diesem Abschnitt war ich mit 0,3 km/h unterwegs, was für einen Fussgänger wie mich rekordverdächtig langsam ist. Positiv formuliert: Entschleunigung in Reinkultur! In der Folge erhöhte ich das Tempo um das rund 20-fache, stieg auf das Plateau am Fusse des Frienisbergs hoch, wo mir das ländlich-schmucke Möriswil besonders ins Auge stach. Das kleine Dorf scheint noch weitgehend unberührt vom unermüdlich grassierenden Einfamilienhäuschenboom, statt dessen brilliert es mit überdurchschnittlich grossen Bauernhäusern aus dem 18. und 19. Jahrhundert.

Auf dem Wohlensee, der aufgestauten Aare im Westen Berns.
Das Kraftwerk ging übrigens am 23. August 1920 in Betrieb.

Auf dem Weg nach Meikirch begleitete mich das schneebedeckte Alpenpanorama. Eigentlich hätte ich mich im Schatten eines Baumes hinsetzen müssen, um den Rest des Tages in die fernen Berge zu blinzeln. Doch mein Ziel war noch weit, und so begnügte ich mich mit dem Trost, dass ich mir den meditativen Blick auch im Alter noch zu Gemüte führen kann, wenn 0,3 km/h meine Grundgeschwindigkeit sein wird.

Ehe ich nach Schönbrunnen, dem angepeilten Etappenort, gelangte, durchstreifte ich herrliche Buchenwälder. Auch hier genoss ich die Einsamkeit und das Jubilieren der Vögel, die derzeit alle Schnäbel voll zu tun haben. Ein ziemlicher Kontrast bildeten die letzten zwei Kilometer im Tal des Lyssbachs, wo alle paar Minuten ein Zug der Strecke Zollikofen–Biel vorbeirauschte und sich einen halben Kilometer weiter nördlich die Autobahn permanent bemerkbar machte. Einen Hauch von Wildwest gab es in Schönbrunnen, wo mitten in der Ebene das abgehalftert wirkende Hotel Schönbrunnen steht. Für mich war sofort klar, dass das Etablissement seit längerer Zeit keine Gäste mehr beherbergte. Doch dann sah ich hinter einem Fenster einen älteren Herrn sitzen. Ich ging ums halbe Haus herum, um herauszufinden, ob ich mich bloss von der falschen Seite genähert hatte. Die Gebäudefassade konnte mich indes nicht vom Gegenteil überzeugen.

Abbröckelnde Fassaden, zerbröselnder Sandstein: Das Hotel Schönbrunnen bei Münchenbuchsee hat den Charme des alten Hauses von Rocky Docky.
Wieder zu Hause googelte ich. Und tatsächlich: Das Hotel Schönbrunnen lebt! Im vergangenen Jahr sollen, laut Website, Renovationsarbeiten stattgefunden haben. Das von aussen betrachtete, baufällig wirkende und dazu noch denkmalgeschützte Gebäude geizt auch nicht mit «Auszeichnungen». Und es wirbt zudem mit dem «weltweit einzigen sprechenden Schneewittchenmärchen-Spiegel in fünf Sprachen». Schön auch der Passus in der Hausordnung, dass weder Junggesellen/Junggesellenabschiede oder ähnliche Feiern erlaubt sind.

Ich werde garantiert wieder hierher kommen. Nicht zum Übernachten, versteht sich.