21. April 2008

Verführer ins letzte Paradies


Bernhard Herold Thelesklaf:
Nationalpark Val Grande,
Rotpunktverlag, Zürich, 2008
Davon haben Kenner der Szene seit langem geträumt. Nun ist der Traum wahr geworden. Wachgeküsst haben die Fangemeinde des italienischen Val Grande der bis dato als Wanderbuchautor unbekannte Bernhard Herold Thelesklaf sowie der unermüdliche Rotpunktverlag. Der 148 km² grosse Nationalpark Val Grande wurde 1992 offiziell ins Leben gerufen. Das extrem stark gegliederte Gebiet zwischen Domodossola und Lago Maggiore entvölkerte sich seit den 1950er Jahren nach über sieben Jahrhunderten intensiver alp- und forstwirtschaftlicher Nutzung mehr und mehr. Seither hat die Natur das Szepter übernommen und bringt die faszinierende Kulturlandschaft langsam aber sicher zum Verschwinden. Die zum grössten Wildnisgebiet Italiens mutierte Zone wird denn auch als «l’ultimo paradiso» (das letzte Paradies) bezeichnet und erlebte in den letzten Jahren nicht zuletzt Dank der zunehmenden Anzahl an Biwaks und Rifugios bei Wildnisliebhabern eine immer grössere Beliebtheit.

Bernhard Herold Thelesklaf beschreibt in seinem Führer 15 ein- bis viertägige Trekkingtouren in den SAC-Schwierigkeitsgraden T2 bis T5. Hinzu kommen drei Stadtführungen durch Intra, Pallanza und Domodossola. Für Tageswanderer empfiehlt der Autor zudem weitere 12 leichte bis mittelschwere Wanderungen. Wie in der Naturpunktreihe des Rotpunkverlages üblich, ergänzen zahlreiche Kurzbeiträge rund um die wechselvolle Geschichte des Val Grande und Umgebung die jeweiligen Kapitel. Von Schmugglern, Partisanen, Eremiten, Holzwirtschaft oder schottischem Blut ist die Rede. Alleine diese Aufsätze sind den Kauf dieses Buches wert.

Die vorgestellten Routen decken den gesamten Nationalpark sowie einzelne Gebiete ausserhalb davon ab. Die meisten Touren führen über mehr oder weniger gut markierte Wege. Natürlich fehlt die klassische Durchquerung von Malesco nach Premosello ebensowenig wie der bedeutend anspruchsvollere Sentiero Bove. Wenn auch den Routenbeschreibungen etwas mehr sprachliche Kreativität gut anstehen würde, zeichnen sie ein klares Bild des jeweils zu begehenden Weges. Unzählige kleine, auf Örtlichkeiten bezogene Einschübe sowie Verweise auf andere Etappen lassen den Führer zu einem einheitlichen Ganzen werden. Als Benutzer ist man in der Lage, einzelne Teiletappen zu neuen, mehrtägigen Touren zu kombinieren. Dankbar nimmt man auch die detaillierten Informationen zu Unterkünften, Einkaufsmöglichkeiten, Fahrplanzeiten von Bahn und Bus sowie der Verfügbarkeit von Wasser entgegen. Aber auch mit aktuellen und historischen Bildern geizt der Führer nicht. Diese tragen wesentlich zum «glustig» machen auf die einmalige Gegend bei. Als verbesserungswürdig zu erwähnen, ist die Art und Weise der Schwierigkeitsbewertung. Statt zum Beispiel eine Viertagestour einheitlich mit T4 zu bezeichnen, wäre es sinnvoller gewesen, die einzelnen Tagesetappen zu bewerten. Dies würde die oben erwähnte Kombination einzelner Etappen aus verschiedenen Kapiteln deutlich transparenter gestalten. So oder so: Dem Rotpunktverlag ist einmal mehr die Herausgabe eines kleinen Meisterwerks gelungen, das zweifellos das Zeug zu einem Klassiker hat.

swisstopo: 285T «Domodossola»,
1:50 000, Bern-Wabern, 2008
Die Karte zum Buch
Zeitgleich mit dem Wanderführer «Nationalpark Val Grande» hat das Bundesamt für Landestopografie swisstopo das Blatt 285T «Domodossola» als Wanderkarte mit eingezeichneten Routen herausgebracht. Als Redaktor fungierte unter anderem der Autor des oben besprochenen Führers. Basierend auf der Normalausgabe von 2000 (mit Teilergänzungen aus dem Jahr 2007) wurden nicht nur die markierten Routen des Val Grande sondern auch des Wanderwegnetzes rund um den Nationalpark eingedruckt. Im weiteren hervorgehoben sind die Buslinien, die Haltestellen des öV, die Biwaks, die Parkgrenze sowie die Zone des «Riserva integrale del Pedum». Die Rückseite der Karte beinhaltet zudem weitere Informationen über das Val Grande. Der Schweizerischen Eidgenossenschaft ist es zu verdanken, dass die wohl beste Karte der Region noch besser geworden ist, wenn auch kein Quadratmeter Schweiz darauf zu finden ist.