20. September 2015

Die Krux mit der Grenze

Landolf Scherzer: Der Grenz-Gänger,
Aufbau Verlag, Berlin, 2005
Über den aus der ehemaligen DDR stammenden Journalisten, Landolf Scherzer, habe ich bereits am 5. März 2015 geschrieben, als ich sein Buch Immer geradeaus lobend erwähnte. Nun habe ich auch Der Grenz-Gänger gelesen, eine Langzeitreportage über eine 400-Kilometer-Wanderung entlang der ehemaligen innerdeutschen Grenze. Scherzer ging die Route 15 Jahre nach dem Fall des eisernen Vorhanges und wollte von den hüben wie drüben lebenden Menschen wissen, was sich seit der Wiedervereinigung getan hat und wie sie damit klar kommen. Ohne Umschweife und grosseses Brimborium geht Landolf Scherzer auf die Menschen zu. Hierbei klingelt er beim Dorfeingang jeweils im ersten Haus links und gelangt so mit Leuten unterschiedlichster Prägung ins Gespräch. Auf den 393 Seiten werden unzählige kleine und grosse Geschichten erzählt. Geschichten vom einfachen Mann, vom einflussreichen Bürgermeister oder vom hinzugezogenen Wessi.

Dass das Ende der sozialistischen Republik nicht nur sein Gutes hatte, verdeutlichen die von Scherzer 2004 angetroffenen Zustände. Eine hohe Arbeitslosigkeit wegen der zahlreichen Betriebe, die ihre Türen nach der Wende dicht machten, verbitterte Ost- und Westbürger, die sich von den Politikern übers Ohr gehauen fühlen oder aber die unzähligen Vorurteile beider Volksgruppen dies- und jenseits des Todesstreifens: Jede Grenze hat ihre Krux. Selbstverständlich finden auch positive Aspekte Erwähnung, doch nach der Lektüre scheint mir das Negative zu überwiegen. Bleibt also zu hoffen, dass sich die Menschen von Thüringen, mit jenen von Bayern und Hessen – und umgekehrt – in den vergangenen Jahren weiter angenähert und arrangiert haben. Landolf Scherzer ist so oder so ein wiederum spannend zu lesendes Buch gelungen, das sich gerade auch für Nicht-Kenner des Landstrichs zur Lektüre empfiehlt.

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