27. Juli 2014

Deutschland solo

Axel Braig: Allein und zu Fuss durch
Deutschland, Fischer Taschenbuch Verlag,
Frankfurt/Main, 2006, vergriffen
Anno 2004 verwirklicht Axel Braig einen langgehegten Traum: Er legt seine Arbeit als Arzt nieder und zieht alleine und zu Fuss von zu Hause los. Von Tübingen startet der Autor seine Reise Ende Februar. Das ist beachtlich, denn zu dieser Zeit ist der Winter noch nicht ganz vorüber. Für entsprechende Wetterkapriolen ist also gesorgt. Dass es sich bei Braig um einen äusserst kulturbeflissenen Wandersmann handelt, wird schnell einmal klar. Seine Vorlieben gelten eindeutig der Muse. Da wird keine Gelegenheit ausgelassen, dieses Dichtermuseum oder jenes Geburtshaus eines berühmten Musikers zu besuchen. Braigs Wanderroute berührt denn auch die grossen Städte unseres Nachbarlandes: Stuttgart–Heidelberg–Mannheim–Mainz–Koblenz–Köln–Düsseldorf–Dortmund–Hamburg–Berlin–Dresden–Leipzig–Nürnberg, um nur die wichtigsten zu nennen. Wer sich für Persönlichkeiten wie Goethe, Schubert, Bach, Nietzsche, Adenauer etc. interessiert, kommt in diesem sprachlich und gestalterisch äusserst schlicht aber nicht banal gehaltenen Taschenbuch voll auf seine Kosten. Von der Wanderung über mehrere Tausend Kilometer erfährt man erstaunlich wenig, weshalb man sich mehr als Zugreisender denn als lesender Mitwanderer vorkommt, scheinen doch die Distanzen zwischen den Städten im Katzensprung gemeistert zu sein. Das ist schade, denn hier hätte uns der Autor bestimmt noch einmal dutzendweise spannende Seiten bescheren können.

An geschichtlichen Hintergründen kommt der Lesende ebenfalls nicht zu kurz. Mal wird über das unsägliche Spekulantentum in den neuen deutschen Bundesländern berichtet, oder dann entsetzt sich Braig (zurecht) über fragwürdige «historische» Kircheninschriften aus der Zeit des Nationalsozialismus.

Alles in allem bringt uns das Werk ein kulturell spannendes Deutschland näher, das mit Bestimmtheit Lust auf Entdeckungsreisen zu Fuss macht, wenn nicht im Westen des Landes, dann zumindest in der ehemaligen DDR. Drei Punkte sollten sich aber die Buchgestalter noch zu Herzen nehmen:
  1. Wenn einer beinahe ganz Deutschland zu Fuss abklappert, dann gehört ein Kärtchen mit Routenverlauf abgedruckt.
  2. Die zum Teil sehr stimmungsvollen Fotos dürften ruhig mit einer Bildlegende versehen sein.
  3. Wenn wir schon bei den Fotos sind: Ein Bild des Autors wäre doch auch noch was. Am besten mit dem oft zitierten, schwer beladenen Rucksack.

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