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Daniel de Roulet: Die blaue Linie, Limmat, Zürich, 1996 |
Die blaue Linie auf den Strassen New Yorks markiert den Weg durch die fünf Stadtteile, die die 25.000 Marathonläufer durchqueren, bevor sie nach 26 Meilen beim Central Park das Ziel erreichen.Max, der im Widerspruch zwischen erfolgreichem Architekten heute und politischem Aktivisten damals lebt, hat sich eine Zeit unter vier Stunden vorgenommen. Während des Rennens wird Vergangenes wieder gegenwärtig – sein Lauf durch die Nacht von K. nach Olten, nachdem der Pavillon auf dem AKW-Gelände gesprengt worden war, eine Frau, die sich ihm während des Laufes unvermittelt in Erinnerung ruft, die Flucht Gustave Courbets in die Schweiz, weil er in der Pariser Commune die Vendôme-Säule umgestürzt haben soll.
In diesem Roman zwischen Fiktion und literarischer Aneignung schildert Daniel de Roulet die Biographie einer Generation. (Klappentext)
AG: Kaiseraugst, Aargauer Jura BL: Baselbieter Jura SO: Solothurner Jura, Olten USA: New York City
Georgio Bellini, der gewalttätige Politaktivist, als logische Inspiration für den Schriftsteller de RouletAm 18. Februar 1979, kurz nach der Ablehnung der Atomschutzinitiative, zerstörte der aus Bellinzona stammende Giorgio Bellini (1945–2024) eigenen Angaben zufolge zusammen mit anderen Aktivisten mit einem Sprengstoffanschlag den Informationspavillon des geplanten Kernkraftwerks Kaiseraugst. Zwischen 1974 und 1984 beging er ebenfalls eigenen Angaben zufolge mit Komplizen der Gruppierung «Do it yourself» über 40 weitere Anschläge u.a. auf die Kernkraftwerke Leibstadt und Gösgen, bei denen Sachschaden im Umfang von mehreren Millionen Franken entstand, sowie einen Raubüberfall. Bellini sagte vor seinem Tod, der Anschlag in Kaiseraugst sei weniger wegen der ökologischen Fragestellungen erfolgt, sondern er habe als Marxist gegen Machtkonzentration gekämpft. Die Taten blieben unaufgeklärt. 2021, lange nach der Verjährung der Taten, bekannte Bellini sich gegenüber der «Neuen Zürcher Zeitung» zu ihnen.
So wie Bellini machte auch der Autor Daniel de Roulet, selber Architekt und zweifacher Teilnehmer am New York Marathon, eine politisch motivierte Tat nach Ablauf der Verjährungsfrist publik. Im März 2006 erschien sein literarischer Bericht
Ein Sonntag in den Bergen*, in dem er sich zum bis zu diesem Zeitpunkt unaufgeklärten Brandanschlag auf das auf dem Gipfelplateau der Rodomonts (1878 m) gelegene Chalet von Axel Springer, oberhalb von Rougemont bei Gstaad, am 5. Januar 1975 bekennt. De Roulet begründet seine Tat damit, dass er damals geglaubt habe, Springer sei ein Nazi gewesen, was damals viele geglaubt haben, z.B. auch der spätere Springer-Biograf Michael Jürgs) Der Tenor der Buchbesprechungen war in der Schweiz mehrheitlich negativ, in Frankreich ausgesprochen positiv, ebenso mehrheitlich in Deutschland. Bemängelt wurde insbesondere die Naivität des jungen de Roulet, der aus «Liebe» ein Chalet anzündete, und dass er sich zuerst über die Verjährung der Tat versicherte, bevor er seinen Bericht veröffentlichte. Allerdings war die Tat schon lange vorher verjährt.
*Das Buch ist aktuell in meinem
Antiquariat unter der Rubrik
Lebensgeschichten erhältlich.
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