23. Juli 2023

Schatten

Walter Matthias Diggelmann: Schatten,
Benziger, Zürich/Köln, 1979
Da entschliesst sich einer, gewissenhaft nichts anderes zu bedenken als das, was ihn allein auf einer bestimmten Strecke seines Weges betrifft. Das Eigenste – Krankheit und Tod – fordert ihn an. Er stellt sich: nicht meditativ ergeben, sondern energisch reagierend. Und gerade daraus ist das menschliche Gewicht dieses Tagebuches zu begründen: Für den totalen Ernst der Todeszone sind Konventionen, sind Umgangsformen zu gering. Aber welche Form des Redens und was für ein Schweigen könnten dem Anspruch genügen?

Solches Fragen nach dem jetzt gemässen Reden und Schweigen bewegt den Bericht. Der Dichter Walter Matthias Diggelmann, der Schreiber: Er überprüft seine Geschichten; er erwägt neue Geschichten; er lebt in seinen alten und neuen Geschichten. Er umstellt sich mit Geschichten: gegen den Tod. Er ahnt die eine Geschichte, in der das unteilbar-eigene Leben völlig bei sich wäre, jenseits der Angst, so, dass der Tod das Leben nicht nähme, sondern es vom beruhigten Menschen geschenkt bekäme. «Ich bin glücklich», steht da zuletzt. Ein überprüftes Glück. Das Tagebuch sagt, was das heisst. Indem einer, gewissenhaft, nichts anderes tat als das: Bedenken, was ihn allein betrifft – ebenso hat er bedacht, was jeden betrifft. (Klappentext)

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen