24. November 2025

Winter im Herbst

Für einmal keine Autos und keine Biker: Bergerie de Court

Das Schöne an unseren Breitengraden sind nicht zuletzt die vier Jahreszeiten. Und eine jede hat was für sich. Die einen lieben den Sommer, die andern den Herbst oder den Winter. Viele ziehen jedoch den Frühling vor, weil die Temperaturen endlich wieder steigen und die Tage länger werden. Ich mag grundsätzlich jede Jahreszeit, wobei mir zunehmend der Sommer mit seinen unsäglichen Hitzewellen am Verleiden ist.

Besonders krass ist mein Empfinden jeweils, wenn es im Herbst zum ersten Mal so richtig schneit. Der Wechsel ist meist derart abrupt, dass mein Herz hüpft und ich nicht anders kann, als mich für ein paar Stunden winterfest zu machen. Dann nämlich ziehe ich los in die verschneite Natur, irgendwo hin, wo mich die aktuelle Schneehöhe problemlos wandern lässt. Wenn es so richtig kalt ist und «strubuusset», dann blühe ich auf.

Wenn sich Feld und Wald in Schweigen hüllen; wenn mir der Wind um die Ohren pfeift; wenn sich im Schnee die Spuren von Fuchs, Hase und Reh zeigen; wenn da und dort eine Meise zwitschert; wenn ich der Erste bin, der sich einen Weg durch den Schnee bahnt; wenn das Gelb der Wanderwegweiser meist als einziger Farbtupfer im Grau-Weiss der Umgebung auszumachen ist.

Vergangenen Freitag durfte ich diesem Naturwunder wieder einmal bewohnen. Ich stieg vom bernischen Sorvilier in der Vallée de Tavannes auf den Montoz und von dort via Bergerie de Court und dem Unteren Bürenberg hinab nach Reuchenette-Péry. Ein gut fünf Stunden dauerndes Wintermärchen, das mir noch lange in Erinnerung bleiben wird. Die Bildstrecke dazu gibt es hier.

22. November 2025

Halali

Ingrid Noll: Halali, Diogenes, Zürich,
2017
Natürlich sind Karin und Holda auf Männerjagd, schliesslich wollen sie nicht alleine bleiben. Doch auch auf sie wird Jagd gemacht: Eine ganz besondere Sorte Romeos ist im Bonn der Nachkriegszeit im Einsatz. «Halali» – das Sekretärinnendasein wird zum Abenteuer, der graue Alltag ist vorbei. Wehe dem, der ins Visier gerät. (Klappentext)

D: Bonn und Umgebung (Hauptschauplatz), Eifel

17. November 2025

Der barmherzige Hügel

Lore Berger: Der barmherzige Hügel,
Arche, Zürich. 1981
Zeittypisches und Zeitloses verbindet sich in diesem erstmals 1944 erschienenen und dann bald in Vergessenheit geratenen Erstlingsroman der Basler Autorin Lore Berger (1921–1943): Die Beklemmung und Ratlosigkeit, die aus dem Nicht-mehr-Leben-Wollen der in ihrer Liebesbereitschaft getäuschten Ich-Erzählerin Esther spricht, ist in der seismographisch-feinsinnigen Art, wie sie in diesem Buch zum Ausdruck kommt, weit eher charakteristisch für die ringsum bedrohte Schweiz von 1943, als jene Werke, die der geistigen Landesverteidigung und damit einem «Optimismus trotz allem» verschrieben waren. Als zeitlos gültig dagegen vermag der heutige Leser die herb-melancholische Poesie zu erkennen, in welche diese tragische Liebesgeschichte getaucht ist. Gefühle und Erfahrungen wie Einsamkeit, Verlassenheit, Liebessehnsucht, Zärtlichkeit und schmerzlicher Verzicht erfahren in Lore Bergers makelloser Sprache eine dichterische Überhöhung, welche sie unmittelbar nachvollziehbar macht. Der Hügel, der Turm, die umliegende Landschaft in den verschiedenen Jahreszeiten – all das wird zum Symbol einer Liebe, die bei aller Tragik die eine Hoffnung beinhaltet: dass sie stärker sei als selbst der Tod! (Klappentext)

BS: Stadt Basel

14. November 2025

e Ligu Lehm

Otto von Greyerz: e Ligu Lehm,
Lukianos-Verlag, Bern-Liebefeld, 1967
In seiner «Individuellen Sprachgeschichte» preist mein Vater, Otto von Greyerz, die Mannigfaltigkeit der Sprachen und im Besonderen der Mundarten in der Schweiz und im Kanton Bern. «Man wird schwerlich auf der deutschen Sprachenkarte ein zweites Gebiet vom Umfang des Kantons Bern nachweisen können, das sich eines so reich individualisierten Sprachlebens rühmen dürfte.» Und in der Stadt Bern wiederum unterscheidet er vier bis fünf bernische Sprachtypen, wovon einer das Mattenenglisch ist. Wen wundert es, dass auch das Mattenenglisch wieder seine Variationen aufweist?!

Der Sprachforscher, der (1863) in Bern geboren war und inmitten dieses Sprachreichtums sein Leben verbrachte, konnte am Mattenenglisch nicht vorbeigehen. Wenn es auch in seiner Verwandtschaft zum Rotwelsch nicht eine typisch bernische Mundart darstellt, so ist es andererseits wegen seiner Merkwürdigkeiten und seiner sprachschöpferischen Kraft eine umso beachtenswertere Sprache. So hat Otto von Greyerz auch diese Sprache erforscht und im Jahr 1929 unter dem Titel «Das Berner Mattenenglisch und sein Ausläufer: Die Berner Bubensprache» dargestellt. Die Arbeit ist längst vergriffen, und es ist nun dem Lukianos-Verlag Hans Erpf, Liebefeld, zu verdanken, dass er eine Neuauflage angeregt hat und durchführt.

Das Mattenenglisch hat gewiss seither als lebendige und nichtgeschriebene Sprache seine Entwicklung durchgemacht; es mag sich einerseits Neuschöpfungen zugelegt haben, anderseits – und wohl hauptsächlich – wird es seine einst selbstverständliche Geltungskraft unter dem Zwang der Entwicklung – denn gibt es noch wie einst richtige Mattegiele? – eingebüsst haben. Also ist just der Zeitpunkt da, in dem es gilt, diese bernische Sprachvariation, die immer wieder viele Berner und Auswärtige interessiert, festzuhalten, zu erklären und Unkundigen neu nahezubringen.

Der Verleger und ich glauben, bald dreissig Jahre nach dem Tod des Verfassers, in seinem Sinne zu handeln, wenn wir mit einer Neuausgabe das Interesse an einer der merkwürdigsten Sprachen und damit an der Sprache und ihrer Vielfältigkeit überhaupt wecken und fördern. Möge der Leser schmunzelnd all die teils bekannten, teils unbekannten Köstlichkeiten des Mattenenglisch «chüschte».


Walo von Greyerz im Vorwort

11. November 2025

Der Übergang in die Pensionierung

René Riesen: Der Übergang in die Pensionierung,
Eigenverlag, 2011
Die mentale Vorbereitung auf die Schlussphase der Arbeit, den Übergang in die Pensionierung und die Lebensgestaltung nach der Pensionierung sind das Anliegen der folgenden Ausführungen. Diese sollen Anregung sein und «anstossen» im Sinne von «in Bewegung bringen». Es geht nicht um Ratschläge, was man tun sollte, sondern es ist eine Schilderung, was Menschen beim Übergang in die Pensionierung denken, fühlen und tun.

Niemand – wirklich niemand – hat ein moralisches oder politisches Recht, Pensionierten vorzuschreiben, wie sie zu leben haben, vielleicht mit Ausnahme einer einzigen Empfehlung: «Überlege dir, wie du nach der Pensionierung aus deinem Innersten heraus leben möchtest, und entscheide dann, was von diesen Wünschen und Vorstellungen du auf welche Art und Weise in dein Leben umsetzen willst und kannst.» Aber auch die Absicht die Lebensqualität nach der Pensionierung zu steigern, ist dem freien Ermessen des einzelnen überlassen. (Klappentext)

8. November 2025

Die Strasse

Anton Bürkli: Die Strasse, Neue Schweizer
Bibliothek, Zürich, 1970
Wie ein riesiges, grasbewachsenes Scheunendach guckt Jost Theilers Bauerngütchen am Fusse des Pilatus über das Land. Viel harte Arbeit verlangt dieses steile Bord, um die grosse Familie zu ernähren und den Kindern eine gute Ausbildung zu ermöglichen. Da wird mitten durch Theilers Land eine breite Autostrasse gebaut. Zuerst fürchtet er, dadurch seine Existenz zu verlieren. Aber dann machen ihn geschäftstüchtige Spekulanten stutzig: Die gute neue Zufahrt, die herrliche Aussicht, die sonnige Lage machen aus Jost Theilers steinigem Boden dank der Strasse eine wahre Goldgrube. Wie stellen er und seine Frau, wie stellen sich vor allem die heranwachsenden Kinder Theilers zu diesem unerwarteten und überraschenden Reichtum?

Der Roman «Die Strasse» bringt ein Stück gelebtes Leben, heutige Wirklichkeit, Wohlstandssorgen, Wohlstandsängste und Wohlstandsglück. Hier einmal nicht aus bürgerlich-industrieller, sondern aus bäuerlicher Sicht. Anton Bürkli schreibt einfach, spannend, vor allem ganz aus der Sprache und Erlebniswelt sein er Gestalten.
(Klappentext)

Anton Bürkli wurde am 24. März 1919 in der Gemeinde Werthenstein (LU) als jüngstes von sechs Kindern geboren. Er verlebte seine Jugendzeit auf dem elterlichen Bauernhof, besuchte die Primarschule im Farnbühl oberhalb des luzernischen Schachens und die Sekundarschule in Malters. Später erwarb er sich in Neuenburg ein kaufmännisches Diplom. Anschliessend rief ihn Vater Staat in die Rekrutenschule und in den Aktivdienst. Anton Bürkli wohnte im eigenen Haus in der Nähe seines Heimatortes Werthensteins. Seine Romangestalten werden immer jene Menschen sein, die abseits der grossen Städte leben und denen sich der Autor so sehr verbunden fühlt. (Autorenporträt Schutzumschlagklappe).

Leider findet sich im Internet nichts über das Leben von Anton Bürkli. Sollte jemand, der dies liest, mehr über den Autor wissen, insbesondere wann er gestorben ist, dann bitte ich um eine Mitteilung an fotowerker12@gmail.com.)

BE: Stadt Bern LU: Wolhusen und Umgebung (Hauptschauplatz), Stadt Luzern, Seetal ZH: Stadt Zürich, Kloten Flughafen

5. November 2025

Grosses Kino im Grossen Moos

Schon bald nach Beginn meiner Wanderkarriere vor über 40 Jahren stellte ich fest, dass hierzulande das Wandern meist unzertrennlich mit den Alpen in Verbindung gebracht wird. Oder anders ausgedrückt: Wer wandert tut dies in den Bergen. Doch weshalb besteht diese schon fast in Stein gemeisselte Verknüpfung? Ich kann sie mir nur so erklären, dass die Alpen als landschaftlich schön empfunden werden, was durchaus nachvollziehbar ist, und man seine wertvolle Freizeit, sofern man denn wandert, auch dort verbringen möchte und nicht in langweiligen Gegenden wie etwa dem Mittelland mit seinen Autobahnen, Städten und öden Wäldern. Ich kann diese Haltung bis heute nicht nachvollziehen, handelt es sich doch um ein ungerechtfertigtes Vorurteil gegenüber einem Landstrich, den man meint zu kennen, was in den meisten Fällen jedoch nicht der Fall ist.

Wie dem auch sei: Für mich als freischaffender Fussgänger bestehen in dieser Hinsicht keine vorgefertigten Meinungen. Es gibt überall schöne Ecken, die es fussgängerisch zu erkunden lohnt. Genau so wie man überall auch Hässliches vorfindet, und da schliesse ich die Alpen nicht aus. Der langen Rede kurzer Sinn: Vor knapp einer Woche beging ich im bernisch-freiburgischen Grossen Moos ein paar neue Abschnitte der Berner Wanderwege und war begeistert. Begeistert von den noch vorhandenen Herbstfarben, von der Weite, aber auch vom Wetterwechsel, der sich in diesen vier Stunden vollzog. Vom anfänglich bedeckten Himmel bis hin zu eitel Sonnenschein. Alles in allem: Grosses Kino im Grossen Moos!

Die all dies verdeutlichende Bildstrecke gibt es hier.

Gemüsekammer Grosses Moos: Die Salaternte ist kurz vor Müntschemier (BE) in vollem Gang.



2. November 2025

Sansibar oder der letzte Grund

Alfred Andersch: Sansibar oder der letzte
Grund, Diogenes, Zürich, 1970
1937 findet in dem Ostseestädtchen Rerik eine Gruppe von Leuten zusammen: der kommunistische Funktionär Gregor, die Jüdin Judith, der Fischer Knudsen, sein von Sansibar träumender Schiffsjunge und der Pfarrer Helander. Jeder für sich und gemeinsam für die bedrohte Skulptur «Der lesende Klosterschüler» von Ernst Barlach haben sie nur ein einziges Ziel: Deutschland zu verlassen. «Sansibar oder der letzte Grund», 1957 als erster Roman Anderschs erschienen, ist ein moderner Klassiker. (Klappentext)

D: Rerik (teilweise fiktiv), Ostsee S: Skillinge