25. Mai 2015

Durch das «Zentralmassiv des deutschen Gefühls»

Johannes Schweikle: Westwegs,
Klöpfer&Meyer, Tübingen, 2014
Schritt für Schritt gewinne ich Abstand. Ich gehe in die Unabhängigkeit. Keine Termine zerhacken den Tag, der ohne Wecker begonnen hat. ich kann Pause machen, wann ich will. Muss keinen Fahrplan studieren und keinen Flug erreichen. Der Rückweg zum Parkplatz kümmert mich nicht, weil ich kein Auto brauche. Falls das Wetter umschlägt, habe ich meine Regenjacke.

Johannes Schweikle ist vor ein paar Jahren den Westweg durch den Schwarzwald gegangen. Nicht an einem Stück, sondern in längeren Teiletappen. Darüber hat er ein Buch verfasst: Westwegs nennt es sich und zählt in meinen Augen zum besten, was ich in letzter Zeit an Wanderliteratur vertilgt habe. Schweikle erzählt im Reportagestil nicht nur über Gesehenes und Erlebtes, er kramt auch in der Geschichte. Er lässt Dichter zu Worte kommen, Einheimische und Auswärtige; berichtet über die Industriegeschichte, über wahnwitzige Bunker des Führers und letztlich – als scharfer Beobachter – über witzige Details und lustige Dialoge von Schwarzwaldbesuchern. Kurz: Schweikle hat mit seinem Text ein äusserst lesenswertes Werk geschaffen und dem «Zentralmassiv des deutschen Gefühls» ein Denkmal gesetzt.

Vor allem aber: Am Ziel stellt sich eine tiefe Befriedigung ein. Dieses Gefühl ist viel intensiver als das abstrakte Glück, das man Erfolg nennt, weil der Körper massgeblich an der Arbeit beteiligt war. Wandern strengt entspannend an.

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