20. Mai 2015

Jakobsweg für Egoisten

Inka Ehrbar, Der Jakobsweg: mein Weg –
unser Weg, 700 km zu Fuss, Ferber-
Verlag, Köln, 2000
Sie sei nicht aus religiösen Gründen während 25 Tagen auf dem Jakobsweg von Pamplona (Spanien) bis nach Santiago de Compostela zu Fuss unterwegs gewesen, schreibt die Autorin am Ende ihres Berichtes. Immerhin war sie aber «auf der Suche nach sich selbst und den Spuren der eigenen Sehnsucht ...». Besagte Sehnsucht besteht dann oft darin, ihren zu Hause gebliebenen Freund per Handy anzurufen oder ihn, der per Sportflugzeug innert 14 Tagen zweimal von der Schweiz nach Spanien fliegt, in Burgos und Santiago zu treffen. Und einer der Höhepunkte des – excusez l’expression – Egotrips von Inka Ehrbar ist auf Seite 64 zu lesen: «Es klingt banal, aber heute versuche ich ein Bonbon zu lutschen. Ja, wirklich, ich lutsche es. Normalerweise bin ich ungeduldig und zerbeisse es sofort. Diesmal bewege  ich das Bonbon bewusst im Mund hin und her und lasse es allmählich zergehen. Dass es mir gelingt, führe ich auf meine innere Ausgeglichenheit zurück. Ich staune, wie sahnig es schmeckt und wie lange der Genuss anhält.»

So bleibt denn dem Leser nur die bange Frage, ob sich ausser dem engsten Freundeskreis der Autorin auch noch andere für die (banalen) «Erfahrungen der wochenlangen Wanderung in Tagebuchform» interessieren (Rezensent einmal ausgenommen)? Über den Jakobsweg an und für sich erfährt man herzlich wenig. Bis auf ein paar wenige – vermutlich aus dem Wanderführer entnommene – Häppchen, weiss die Schreibende nichts Informatives zu erzählen. Umso eingehender beschreibt sie ihre Probleme, mit ihrer Hündin Tila eine Unterkunft zu finden, oder wiedereinmal in ein mobiltelefonisches Funkloch geraten zu sein oder nur noch über leere Handyakkus zu verfügen. Man merke: Die Lösung eines Problems – in diesem Falle die Möglichkeit, im Notfall Hilfe herbeizuholen – ruft unweigerlich ein oder mehrere neue Probleme hervor.

Ein weiteres Dauerthema: das Wetter. Ob man mitunter deswegen den Jakobsweg aufsuchen und darüber seitenweise in Buchform schreiben muss? Fazit: Ein missratener Wanderbericht, dem es auch nicht gelungen ist, die vermeintlich originelle Idee, die Reise gleichzeitig aus der Sicht der Hündin zu beschreiben, in die Tat umzusetzen. Unglücklich sind zudem Typografie und der zum Teil nicht nachvollziehbare Seitenumbruch.

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