1. August 2013

Die Schweiz neu definiert. Oder: meine Rede zum 1. August

Da wird doch immer wieder behauptet, die Schweiz sei eine Wandernation. Seit Jahren hege ich indes eine subtil-gegenteilige Auffassung. Mit Bestimmtheit wird allenthalben gewandert, vor allem dort, wo Bahnen die Bergwelt erschliessen oder einfache Wege zu Alpenclub-Hütten führen. Treibt man sich freilich etwas abseits dieser kanalisierenden Infrastrukturen herum, herrscht Wandererflaute – egal ob in den Alpen oder im Jura. Und im Mittelland erst recht. Statt von einer Wandernation zu sprechen, müsste vielmehr die Rede sein von einer Nation mit dem wohl dichtesten Netz an markierten Wanderrouten. Dies hat mir neulich folgende Spielerei deutlich vor Augen geführt: Auf dem Kartenportal der Schweizerischen Eidgenossenschaft blendete ich die drei offiziellen Wanderweg-Kategorien ein und zog den Zoomregler auf Volltotale.

Die Schweiz der Zukunft: Ein riesiges Wanderparadies und zwischen Neuenburger-
und Genfersee die einzige Stadt mit 7½ Millionen Einwohnern.

Es zeigte sich mir ein Bild, als ob die Schweiz beinahe nur aus Wanderwegen (gelb), Bergwanderwegen (rot),  ein paar wenigen Alpinwanderwegen (blau) sowie Seen und Gletschern bestehen würde. Einzig in den Kantonen Freiburg und Waadt waren grössere Wegnetzlücken ersichtlich. Hier liesse sich eine verdichtete Schweiz mit einer einzigen Gross-Agglomeration, mit Industrie, Strassen, S-Bahn-Linien, einem einzigen Flughafen sowie einem gigantischen unterirdischen Biomassen-Kraftwerk realisieren. Die verhinderte Wandernation würde also räumlich zusammenrücken. Wir Deutschschweizer wüssten endlich, weshalb wir in der Schule Französisch lernen, die Romands, Ticinesi und Grischuns rumantschs natürlich auch. Die Mega-City mit dem klingenden Namen Begebaluchzü (eine aus einem freundeidgenössischen Kompromiss hervorgegangene Wortschöpfung aus den Städtenamen Bern, Genf, Basel, Lugano, Chur und rich) würde zu einem vierlandessprachigen Konglomerat und gleichzeitig zur neuen Landeshauptstadt. Der Trilingueisme mutierte mit der Zeit zum weltweit einmaligen und von der UNESCO zusätzlich gekrönten Kulturstandard.

Der Rest der Schweiz? Ein Wanderland in rot, weiss, gelb und blau! Und weil es die in der 7½-Millionen-Stadt lebende Bevölkerung Wochenende für Wochenende in die von Strassen, Eisenbahnen, Städten, Industriezonen und, und, und befreite Natur zieht, würde die Schweiz doch noch zu einer Wandernation. Endlich.

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