Christina Ragettli: Von Wegen, Arisverlag, Embrach, 2022 |
Geplant war, im Frühjahr 2020 in Monaco zu starten, um nach rund vier Monaten in Triest anzukommen. Doch dann machte die Corona-Pandemie Ragettlis Ansinnen einen Strich durch die Rechnung. Die junge Frau aus Flims liess sich indes nicht entmutigen und disponierte kurzerhand um. Darauf hoffend, dass die Nachbarländer ihre Einreiserestriktionen mit der Zeit wieder lockern würden, startete Ragettli im Unterwallis in Richtung Triest, wo sie einige Wochen später tatsächlich das Adriatische Meer erreichte. Den Abschnitt vom Unterwallis nach Monaco nahm sie wenige Tage nach ihrer Rückkehr in die Schweiz in Angriff und hielt bis zum Mittelmeer durch. Die insgesamt 2363 Kilometer lange Route bewältigt Ragettli in 100 Wandertagen.
Kürzlich sind nun die Erlebnisse der Fernwanderin in Buchform erschienen. Die Autorin erzählt darin unter anderem, wie es sich anfühlt, als Frau meist alleine unterwegs zu sein und mit dem Zelt in den Alpen wild zu campieren. Christina Ragettli berichtet ausführlich über ihre mentalen und physischen Hochs und Tiefs, gibt zu Protokoll, wann sie wo Handy-Empfang hat und mit wem sie über welche Themen telefonisch debattiert. Der Leserschaft wird auch nicht vorenthalten, wann was gegessen wird, und seien es bloss vegane Gummibärchen oder ein erfrischendes Eis. Selbstverständlich sorgt auch das Wetter für permanenten Schreibstoff. Als Leser gewinnt man hierbei den Eindruck, die tapfere Berglerin habe für ihr Projekt einen ausnehmend schlechten Sommer erwischt, und man leidet förmlich mit, wenn sie sich tagelang im Dauerregen über die Pässe quält. Die Ragettlis seien zäh und ausdauernd, beschreibt Christina Ragettli sich und ihre Familie. Deshalb lässt sich die Wanderin auch nicht von gesundheitlichem Ungemach wie Schulter-, Bauch- und Kopfschmerzen, Blasen, Kapillarblutungen, Sonnenbrand, Schrammen und dergleichen mehr entmutigen.
So abenteuerlich das Erlebte ist und so bemerkenswert die vollbrachte Leistung ausfällt, Christina Ragettlis Bericht lässt leider einiges zu wünschen übrig. So erfahren Leserin und Leser herzlich wenig über die Besonderheiten der durchwanderten Gegend. Ein wenig mehr Recherche wäre deshalb angebracht gewesen. Dafür hätte getrost auf zahlreiche Bemerkungen über Gegessenes und andere Belanglosigkeiten wie WiFi-Empfang, Name-Dropping etc. verzichtet werden können. Als enttäuschend zu betrachten ist das Lektorat/Korrektorat. So sind zum Beispiel etliche Ortsbezeichnungen falsch geschrieben. Auch stilistisch treibt Ragettlis Text immer wieder Blüten, die ein Lektorat/Korrektorat nicht hätten kalt lassen sollen. So zum Beispiel auf der Seite 113: «Nach einer Regennacht auf dem Campingplatz überqueren wir unterirdisch die Brenner-Autobahn ...»
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