11. März 2019

Kyselak der Kuriose

Zu Fuss durch Österreich, Skizzen einer
Wanderung nebst einer romantisch-pittoresken
Darstellung mehrerer Gebirgsgegenden und
Eisglätscher unternommen im Jahre 1825
von Joseph Kyselak, nachgegangen und
nachgedacht von Ernst Gehmacher, Verlag
Fritz Molden, Wien, München, Zürich, New
York, 1982 (vergriffen) 
Der Biedermeier-Sonderling Joseph Kyselak machte sich im Herbst 1825 mit Ranzen, Wanderstock und Schaferhund auf den Weg zu Fuss durch Osterreich. Er tat es, um seine «Geistes- und Körperkräfte zu stärken». Der Soziologe und Meinungsforscher Ernst Gehmacher hat auf Kyselaks Spuren das Österreich von heute durchwandert. Aus der per pedes ergangenen Konfrontation zwischen Vergangenheit und Gegenwart ist ein Buch von der wiederzufindenden Bescheidenheit, von den kleinen äusseren und grossen inneren Erlebnissen geworden. (Klappentext)

Stellvertretend für die damals herrschenden Beherbergungsverhältnisse, hier ein kleines Müsterchen, das Joseph Kyselak im Ort Arinsdorf, dem heutigen Arnsdorf*, erlebt hat:

«Aufs neue musste ich meine früher erfolgreiche Lärmglocke ertönen lassen, die noch ein grosser Fleischerhund mit seinem Bass vermehrte; die Thüre wurde eröffnet, er stürzte heraus, und der erste Auftritt war – eine ziemlich lebhafte Hetze. ‹Wos daits denn d'Hund hussen, und wos wölllts denn?›, brummte abermal eine zwergförmige Matrone, streichelte ihr Thier und leuchtete mir mit dem brennenden Kienspahne unter die Nase ‹Die Frau wird mich schwerlich erkennen! Und wenn dies möglich wäre, vielleicht erst bei einem guten Nachtessen›, gab ich lakonisch zur Antwort, und drängte sie sammt ihrem rauflustigen Begleiter zur Thüre hinein. ‹Jo essen könnts heut nix mehr, s'is holt schu z'spot, ober an Wein will i enk bringe.› Sie übergab mir ihr Flambeau, und ich trat in das ganz leere Zimmer; welches mit ihrer Versicherung getreulich harmonirte.

Das Limonade-ähnliche Getränk und ein Stück Brot wurden aufgetragen; nachdem ich beides mehr berochen als verzehrt hatte, schienen grosse Klumpen Gutherzigkeit in dem winzigen Körper sich entwickelt zu haben, denn die Wirthin sagte, ich würde auch etwas zu essen bekommen. Wirklich brachte die schmutzige Dienstmagd eine ungeheuere Schüssel voll Speisen; ich untersuchte und fand Schöpsen-Theilchen in sauerer unschmackhafter Brühe. Da ich Fleisch, aber nicht Knochen und Knorpeln zu essen wünschte, gab ich das angepriesene Mahl, trotz dem Zorne der Wirthin – dem Duna**. Meine Jagdtasche unter dem Haupte, verschlief ich die Nacht auf der Bank.»

* Ironie des Schicksals: Bei meiner Recherche über dieses Arinsdorf stiess ich auf den Namen Franz Xaver Gruber (1787–1863). Gruber ist der Komponist des berühmten Weihnachtsliedes «Stille Nacht, heilige Nacht» und lebte von 1807 bis 1829 im Arndorfer Schulhaus.
**Duna war Kyselaks Hund, der ihn auf seiner Fussreise durch Österreich begleitete.

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