14. Oktober 2016

Fluors, Glüm und andere Engadiner Spezialitäten

Angelika Overath: Gebrauchsanweisung
für das Engadin
, Piper, München, 2016
Wer hat nicht schon einmal das lange Hochtal jenseits von Albula, Julier und Flüela besucht – die romantische Landschaft der Sehnsüchte und des unglaublichen Lichtes. Das Tal der Lärchen, der Steinböcke und der Reichen und Schönen. Aber auch das Tal der Abwanderer und Heimkehrer – der Randulins. Alle waren wir in St. Moritz, Pontresina, Samedan, Zernez. Wir spähten nach Hirschen im Nationalpark und kauften vor dem Nachhausefahren eine zünftige Nusstorte oder ein Birnbrot. Alle hatten wir Freude, wenn irgendwo ein paar Brocken Rätoromanisch zu hören waren. Für einige dient die Gegend als Sportgerät: zum Langlaufen, Biken, Wandern, Bergsteigen, Skifahren oder Windsurfen. Schön und gut, aber kennen wir das Engadin? Kennen wir es wirklich?

Die Deutsche Angelika Overath ist vor neun Jahren mit ihrer Familie von Tübingen nach Sent im Unterengadin gezogen. Über das Leben im Bilderbuchdorf hat die Autorin ein beeindruckendes Buch geschrieben, das 2010 unter dem Titel «Alle Farben des Schnees» (Luchterhand) erschienen ist. Mit der «Gebrauchsanweisung für das Engadin» legt Overath nun ein Werk vor, das einerseits nahtlos an ihre Erzählform von «Alle Farben des Schnees» anknüpft, thematisch jedoch das gesamte geografische Spektrum des Engadins abdeckt. In unzähligen Reportagen führt die Autorin nahe ans Geschehen heran, lässt den Leser an der fachgerechten Herstellung von Capuns oder Plain in Pigna teilhaben, entführt ihn an ein intimes Jazzkonzert im Badrutt’s Palace Hotel in St. Moritz oder nimmt ihn mit in einen der zahlreichen Chöre, die im Tal der mehrstimmigen Gesangskunst frönen.

Angelika Overath wühlt in der Bündner Geschichte, schreibt über Ziegen und Zuckerbäcker, die Mineralquellen, den Inn, das Bergell, das Rätoromanische, die Cumün – die Gemeinschaft innerhalb einer Gemeinde, die Engländer, den Herbst, den Schnee sowie die grosse Artenvielfalt an wild wachsenden Blumen und Pflanzen. Letztere sind selbst den Einheimischen derart wichtig, dass im Unterengadin sogar Wiesenmeisterschaften veranstaltet werden. Motto: Wer hat auf 4 x 4 m² Wiese am meisten verschiedenartige Fluors – Blumen?

Und Glüm? Glüm heisst Glanz und dieser ist im Engadin in unzähligen Schattierungen und zu den unterschiedlichsten Tageszeiten anzutreffen. Indes ist nun auch das Engadiner Literaturwerk mit Angelika Overaths «Gebrauchsanweisung für das Engadin» um einen Glanzpunkt reicher und bietet selbst für eingefleischte Kenner die eine oder andere Novität.

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