31. Oktober 2013

Die Hinterlassenschaft

Ein Zufall hatte Walter M. Diggelmann auf den Stoff seines Romans «Die Hinterlassenschaft» gestossen: Von einem Bekannten erfuhr er, wie man in der Zürichsee-Gemeinde Thalwil nach dem Ungarnaufstand mit der Familie des bekennenden Kommunisten und PdA-Mitglieds Konrad Farner umgesprungen war. Diggelmann ging der Geschichte von Boykott und Verfolgung nach und erkannte sehr bald, dass er es hier mit einem zwar krassen, aber gleichwohl typischen Beispiel dafür zu tun hatte, was politisch Andersdenkende in den Zeiten des Kalten Kriegs zu gewärtigen hatten.

Walter Matthias Diggelmann:
Die Hinterlassenschaft,
Edition 8, Zürich (ursprünglich bei
Piper, München, 1965)
Die Idee für den neuen Roman war geboren: In halb dokumentarischer, halb fiktiver Form sollte aufgezeigt werden, wie die Verfolgungsmuster liefen, wer die Hintermänner der Aktionen waren und aus welchem politischen Umfeld sie stammten. Die These, die antikommunistischen Brandstifter der Gegenwart seien weitgehend identisch mit den faschistischen Brandstiftern der dreissiger Jahre, mag gewagt erscheinen; ganz falsch ist sie nicht. Sie führte dazu, dass Diggelmann sich für seinen Roman einen deutschen Verlag suchen musste und dass er fortan selbst als einer jener Linken galt, die man von bürgerlicher Seite über Jahre hinweg mundtot zu machen versuchte.

Als «Die Hinterlassenschaft» 1965 erschien, machte das Buch Furore, weil es Zusammenhänge aufdeckte, die es nicht geben durfte. 20 Jahre nach Kriegsende setzte ein Schweizer Autor sich erstmals in erzählender Form mit der «unbewältigten Vergangenheit» des Landes auseinander und warf zugleich ein scharfes Licht auf eine Gegenwart, deren Aufarbeitung bis heute nicht abgeschlossen ist. Obwohl ein Roman, ist «Die Hinterlassenschaft» damit ihrerseits zu einem wichtigen Dokument schweizerischer Zeitgeschichte geworden, dessen erneute Lektüre spannende Einblicke in die ideologisch-politischen Auseinandersetzungen des 20. Jahrhunderts gewährt. Inhaltsangabe des Verlages

Ein Buch, das betreffend schweizerischer Asylpolitik aktueller ist denn je.

ZH: Stadt Zürich (Hauptschauplatz), namentlich Moussonstrasse, Erismannstrasse, Keltenstrasse; Zumikon, Thalwil, Zürcher Unterland

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