26. Mai 2020

Zur Mündung

Franz Hohler: Zur Mündung, Luchterhand,
München, 2000
Am Ende seiner Wanderung an der Glatt entlang ist Franz Hohler um eine Erfahrung reicher. Eines morgens hatte er sich vorgenommen, solange an dem Fluss entlangzugehen, bis er an dessen Mündung in einen grösseren Fluss angekommen ist, doch als er dort endlich ankommt, steht er vor dem Eingang zu einem Tunnel und seine romantischen Vorstellungen gleiten mit der Glatt hinweg in ein Staubecken, das deren Wasser auffängt und an den nächsten Wasserwirtschaftsweg weitergibt, genannt Rhein.

Unterwegs ist in seinen Erzählungen nicht nur Franz Hohler, unterwegs sind auch die eigenwilligen Typen, denen er begegnet. Ein alter, hagerer Bassist mischt sich unter die Gäste bei der Geburtstagsfeier einer Frau, die mit einem Bassisten, der vor Jahren gestorben ist, verheiratet war und verschwindet wieder. Ein feixender Mann mit langen grauen Haaren läuft nackt um den Kölner Dom. In einem Berliner Lokal fragt ihn ein Mann, wo er sich befinde, und als er ihm antwortet, in Kreuzberg, steht dieser Mann auf und sagt: Dann gehe er wieder nach Spandau. Einige Menschen in Franz Hohlers Geschichten vom Leben und Tod sind tatsächlich am Ende ihres Lebens angelangt, wissen das und sind dennoch auf eine ganz grundlose Weise fröhlich, Dieses Gefühl kennt auch der Autor, als er nach der Besteigung des Eigers, einer Herausforderung, der er sich ohne ersichtlichen Grund gerne gestellt hat, auf dem Weg zurück über einen Abgrund hinwegspringen und mit seinen Füssen auf einem winzigen Absatz im Fels gegenüber landen muss: Wie leicht ist ihm dieser Sprung gelungen und wie sehr hatte er sich davor gefürchtet.
(Klappentext)

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