Barbara Traber: Poulet im Chörbli, Licorne, Bern, Langnau, Murten, 2002 |
Eine der Geschichten kam für mich indes völlig unterwartet: Jene des Schweizer Flugpioniers Ernest Failloubaz (*21. Juli 1892 in Avenches † 14. Mai 1919 in Lausanne). Failloubaz war der Sohn eines wohlhabenden Weinhändlers und Gemeindepräsidenten von Vallamand. Nach dem frühen Tod seines Vaters zog er mit seiner Mutter und einer Halbschwester nach Avenches, wo seine Mutter zusammen mit ihrer Mutter die elterliche Bäckerei führte. 1902 wurde er Vollwaise und erbte ein grosses Vermögen.
Am 10. Mai 1910 flog Failloubaz als erster mit einer Maschine Schweizer Bauart, die von René Grandjean konstruiert worden war. Aufgrund seines jugendlichen Alters nannte man Failloubaz «le gamin volant» (das fliegende Kind). Am 15. Mai 1910 unternahm Grandjean selber einen Flugversuch, bei dem die Maschine zerstört wurde. Am 28. September 1910 flog Failloubaz in sechs Minuten mit einer Blériot von Avenches nach Payerne. Mit diesem Hupfer gelang Failloubaz der erste innerschweizerische Flug von Stadt zu Stadt. Bereits am 2. Oktober folgte ein Flugtag auf dem neu gegründeten Flugplatz in Avenches und ein Flugmeeting vom 8.–10.Oktober in Bern, wo Failloubaz die erste Schweizer Pilotenlizenz erhielt.
Im September 1911 führte die Schweizer Armee die ersten Aufklärungsflüge durch. Beim fünften Einsatz mussten Failloubaz und Beobachter Gustave Lecoultre mit dem angemieteten Dufaux-Flugzeug notlanden. Der Versuch, die Vorzüge der Luftaufklärung aufzuzeigen, war damit vorerst gescheitert. Aus gesundheitlichen Gründen wurde Failloubaz im Ersten Weltkrieg nicht als Militärpilot rekrutiert. Nachdem Failloubaz sein gesamtes Vermögen in den Aufbau einer Flugschule und einer Flugzeugfabrik in Avenches investierthatte, starb er 1919 völlig verarmt im Kantonsspital Lausanne an Tuberkulose.
Seit 1942 steht im Hof des Schlosses von Avenches ein von der Societé de Développement d'Avenches errichtetes Denkmal. 1960 errichtete die Stadt Avenches auf dem Militärflugplatz Payerne ein Denkmal zur Erinnerung an den ersten Flug von Stadt zu Stadt. Am 4. März 2010 gab die Schweizer Post anlässlich des 100jährigen Jubiläums der Schweizer Luftfahrt die Sondermarke Ernest Failloubaz im Wert von 85 Rappen heraus.
Die Autorin
Barbara Traber (*23. Februar 1943 in Thun) besuchte nach der obligatorischen Schulzeit die Wirtschaftsmittelschule in Bern, die sie mit dem Handelsdiplom abschloss. Anschliessend arbeitete sie in London als Privatsekretärin von Elias Canetti. In Lagos war sie als Sekretärin des Schweizer Botschafters tätig. Danach fing sie als Flight Attendant bei den Trans World Airlines in Paris an. Nach ihrer Rückkehr in die Schweiz arbeitete Traber als Sekretärin im Hallwag-Verlag sowie im Radio Studio Bern. Seit 1979 ist sie freie Schriftstellerin, auch als Lektorin, Korrektorin, Journalistin, Übersetzerin und Herausgeberin zahlreicher Mundart-Anthologien tätig. Sie ist Mitglied des Berner Schriftstellerinnen und Schriftsteller Vereins (BSV) und des Vereins der Autorinnen und Autoren der Schweiz. Von 1993 bis 1999 war sie Generalsekretärin des Deutschschweizer PEN-Zentrums. Barbara Traber war mit Markus Traber († 2010), dem bekannten Liedermacher und Mitglied der Berner Troubadours, verheiratet. Sie lebt mit ihrer Familie in Worb.
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