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26. Februar 2023

Der doppelte Marti

Hugo Marti: Das Haus am Haff / Davoser
Stundenbuch, Suhrkamp, Frankfurt/Main
1990
Zwei schmale, aber hoch bedeutsame Werke des jung verstorbenen Kritikers und Romanciers Hugo Marti (1893–1937) fasst der vorliegende Band zusammen: die autobiographisch verwurzelte ostpreussische Gutshofgeschichte «Das Haus am Haff» (1922), eine mit der dunklen Melancholie der Königsberger Küstenlandschaft intim vertraute Erzählung um die tragisch endende Liebe eines jungen Mannes zu einer älteren Frau – und das «Davoser Stundenbuch» von 1935, eine ergreifende, an Thomas Mann erinnernde, aber sehr viel diskretere, auf persönlichen leidvollen Erfahrungen beruhende Schilderung der Tuberkulosestation Davos, die von der zeitgenössischen Kritik liebevoll «ein ‹Zauberberg› in einer Nuss» genannt worden ist. (Inhaltsangabe im Buch)

22. Februar 2023

Der erste Krimi in meinem Verlag

Salvatore Farina: Das Geheimnis des 
Schneefeldes, Edition Wanderwerk,
Burgistein, 2023
Vergangene Woche ist er angeliefert worden und seit heute im Verkauf: Salvatore Farinas Kriminalroman «Das Geheimnis des Schneefeldes». Und davon handelt diese Geschichte:

Flavio Campana und Fritz Neumüller, zwei renommierte und gleichsam befreundete Musiker, machen sich in Begleitung zweier Bergführer an die Überschreitung des Monte della Disgrazia, um so vom Veltlin via Malojapass nach St. Moritz zu gelangen. Doch am Fusse des Gipfels kommt es auf einem Schneefeld zwischen dem Geiger und dem Pianisten zu einem Streit. Es fallen drei Schüsse. Zurück bleibt eine Leiche, derweil vom Todesschützen vorerst jede Spur fehlt. Als man diesen ein paar Tage später in Como fasst, wird er als Fritz Neumüller erkannt und in der Folge zu einer Haftstrafe verurteilt. Neumüller wird in einem Mailänder Gefängnis eingekerkert, wo er rasch das Zutrauen des menschenfreundlichen Anstaltsdirektors gewinnt. Diesem kommen indes zunehmend Zweifel an der wahren Identität seines Häftlings. Und als in Mailand plötzlich die Witwe des Ermordeten auftaucht, nimmt die Geschichte ihren Lauf.

Das 200 Seiten starke und mit 14.8 x 10.5 cm äusserst handliche Buch, das der Bezeichnung «Taschenbuch» buchstäblich gerecht wird, ist ab sofort in der Edition Wanderwerk erhältlich.

12. Februar 2023

Engadiner Knochenbruch

Gian Maria Calonder: Engadiner
Knochenbruch, Kampa, Zürich, 2022
Massimo Capaul hat seiner Ziehtocher Lisa versprochen, mit ihr Ski zu fahren. Doch schon an der Talstation der Furtschellas-Bahn in Sils Maria herrscht gähnende Leere: Das Wetter ist umgeschlagen. auf der Piste sehen Capaul und Lisa kaum mehr die eigenen Skispitzen. Ehe Capaul einen Rückzieher machen kann, ist Lisa schon hinter der ersten Bergkuppe verschwunden, und ihm bleibt nichts anderes übrig, als ihr hinterherzurutschen. Es kommt, wie es kommen muss: Capaul und Lisa verirren sich. Zum Glück entdecken sie nur wenig später eine abgelegene Hütte. So weit, so idyllisch. Bis Lisa anfängt, eine Höhle zu graben – und eine Hand findet. Capaul will sich gar nicht ausmalen, was der Schnee noch alles verborgen hält! Schliesslich hat er während seiner kurzen Karriere im Polizeidienst nicht nur einmal sein aussergewöhnliches Talent unter Beweis gestellt, in ungelöste Mordfälle zu geraten … (Klappentext)

GR: Sils Maria, Furtschellas, Fextal

30. Januar 2023

Passionstage

Serge Ehrensperger: Passionstage,
Edition Erpf, Bern, 1984
Der Held in diesem Roman, mit den Zügen des einstigen Don Juan, versucht, eine neue Form von Zusammenleben, mit zwei Frauen, durchzuhalten. Eine möglichst unparteiische, aber umso passioniertere Parallel-Beziehung entwickelt sich, wie sie noch selten geschildert worden ist.

Die Handlung dieser «Passionstage» von Serge Ehrensperger setzt unmittelbar nach der Herausgabe seines letzten Romans, der «Prozesstage» ein, aber das Thema in diesem neuen Buch ist eine ausschliesslich private Welt. Für den heiklen und komplexen Stoff wählt der Autor ein Erzählverfahren, das den wechselnden Stimmungslagen ganz besonders entgegenkommt. Die Art, wie der Romanheld, in vorwiegend selbst-therapeutisch gespielter Rücksichtslosigkeit, mit seinen beiden Freundinnen umgeht, mag oft schalkhaft darauf angelegt sein, die Frauenrechtlerinnen auf den Plan zu rufen. Mit einer auf weite Strecken durchgehaltenen komischen Attitüde sucht er sich zu retten, wenn das angestrebte Glück immer wieder in ein auswegsloses Dilemma auseinanderbricht, in dem drei Menschen ihre Liebes- und Hassbindung als eine lähmende Passion empfinden.

So entsteht ein Bekenntnisbuch von grosser Direktheit, das in seinem schnellen, ereignisbezogenen Ablauf den Leser in die Suche nach einer Lösung einbezieht. Überall setzt Serge Ehrensperger die Mittel seiner brillanten Sprache ein, die alles relativieren und bewältigen sollen. Durch ihren reflektierten Stil unterscheiden sich die «Passionstage» grundsätzlich von der heute üblichen rein deskriptiven Autobiographie. Denn die Hauptfigur scheint letztlich auch alles zum Zweck einer Romangrundlage und deren literarischer Auswertung zu arrangieren, was sie ganz besonders ins Zwielicht bringt; aber mit diesem Narzissmus des Helden versöhnt uns seine Selbstironie.
(Klappentext)

24. Januar 2023

Guntens stolzer Fall

Werner Schmidli: Guntens stolzer Fall,
Nagel & Kimche, Zürich, 1989
Eigentlich möchte Gunten nichts anderes, als sich in dem Berghotel an der alten Passstrasse zum Lukmanier erholen und auf Wanderungen das Bleniotal erkunden. Doch es regnet am Lukmanier, Guntens Freundin reist nach zwei Tagen verärgert ab.

Einmal, nach einer schlimmen Erfahrung, hat Gunten sich vorgenommen, sich nie wieder in das Leben anderer einzumischen. Doch mit 65 ist es wohl nicht einfach, sich zu ändern. Auf sich selbst zurückgeworfen, findet sich Gunten schon bald bei seiner Lieblingsbeschäftigung wieder: das Treiben seiner Mitmenschen mit unersättlicher Neugier zu beobachten. Ein alter Zeitungsartikel, eine Kette merkwürdiger Unfälle, die einer alten Dame im Hotel zustossen, verwickeln ihn immer tiefer in die Geschichte zweier Familien aus dem Tal. Am Ende hat Gunten zwei Mordfälle gelöst – und wenig Grund, auf sich stolz zu sein; denn hat er nicht rundum Unheil angerichtet? (Klappentext)

19. Januar 2023

Die Reise auf den Uetliberg

Salomon Schinz: Die Reise auf den 
Uetliberg, Schweizer Verlagshaus,
Zürich, 1978
Im Juni 1774 begaben sich die beiden Universalgelehrten David Breitinger, Professor an der Kunstschule Zürich, und Salomon Schinz, Chorherr am Grossmünster, Arzt und Botaniker, mit ihren Söhnen und deren Freunden auf eine ebenso beschwerliche wie anmutige Reise auf den Uetliberg. Zu der kleinen Reisegesellschaft zählte auch ein junger Mann namens Martin Usteri, der später der durch die Zeitumstände gefährdeten Lebenslust seiner Epoche in dem unsterblichen Lied «Freut euch des Lebens» Ausdruck verleihen sollte.

Es war eine Entdeckungsreise, die ihren Eindruck auf die jugendlichen Begleiter von Schinz und Breitinger nicht verfehlte, so dass der Chorherr daraus ein literarisches Geschenklein für seine Mitbürger gestaltete. Es ist als Glücksfall unprätenziöser Beschreibung des Lebens vor zweihundert Jahren zu unserem Vergnügen erhalten geblieben. In diesem Bändchen wird es wieder zugänglich. (Klappentext)

17. Januar 2023

Der Vampir von Ropraz

Jacques Chessex: Der Vampir von Ropraz,
Nagel & Kimche, München, 2008
Im Februar 1903 wird in Ropraz eine junge und aussergewöhnlich hübsche Frau zu Grabe getragen. Die zwanzigjährige Rosa Gillieron ist an Hirnhautentzündung gestorben, ihr Tod bewegt das ganze Tal. Zwei Tage später ist der Sarg geöffnet, die Leiche von Stech- und Bisswunden entstellt. Die Empörung der Dorfbewohner ist gross. Am nächsten Tag berichtet die Zeitung vom «Vampir von Ropraz», die Nachricht gelangt bis nach New York. In den Schweizer Bergen wird fieberhaft nach dem Täter gefahndet. Hat die Verstorbene, die weit herum begehrt wurde, einen Verehrer abgewiesen? Gilt der Akt dem Vater, der Richter am Obersten Gerichtshof und Abgeordneter ist? Nachdem in der Gegend zwei weitere Fälle von Leichenschändung entdeckt werden, greift sich der Volkszorn einen verrohten Bauernjungen. Ob aber der Täter damit gefasst ist?
(Klappentext)

14. Januar 2023

Im Schnee

Erich Kästner: Im Schnee, dtv, München, 2013

Die schönsten Geschichten, Gedichte und Briefe rund um den Schnee, den Kästner liebte – besonders im Gebirge, wo ihn das im Sonnenschein glitzernde Weiss zu wunderschönen Texten inspirierte. (Klappentext)

«Lawinen sausen dann und wann
und werden sehr gerügt.
Was gehn den Schnee die Leute an?
Er fällt. Und das genügt.»

11. Januar 2023

Auf Schulreise zu Beginn des 18. Jahrhunderts

Friedrich Meisner: Kleine Reisen in
der Schweiz, Bändchen I – IV, Edition
Wanderwerk, Burgistein, 2023
   
Und hier wieder einmal etwas in verlegerischen Belangen: Vor ein paar Tagen ist in meinem Verlag ein neuer Titel erschienen: «Kleine Reisen in der Schweiz» nennt er sich, beinhaltet zwei Bände und stammt von Friedrich Meisner (1765–1825). Meisner gilt als Vater der Schulreise. Wie er zu diesem unsterblichen Ruf gelangte, verdeutlichen seine insgesamt vier Bändchen mit dem bescheidenen Titel «Kleine Reisen in der Schweiz». In der ersten Hälfte der 1820er-Jahre unternimmt Meisner mit seinen Schülern einige mehrtägige Fussreisen. Die langen Märsche werden denn nicht nur zur körperlichen Ertüchtigung genutzt, sondern auch immer wieder zu äusserst anschaulichen und spannenden Natur- und Heimatkundelektionen. Waren Meisners anschliessende Publikationen damals für die Jugend gedacht, sind die vier Reiseberichte in heutiger Zeit durchaus für das erwachsenen Publikum von Interesse. Die vier komplett überarbeiteten Bändchen erscheinen in zwei Bänden und beinhalten folgende Reisen:

Band 1 (Bändchen 1 + 2)
  • Von Bern nach der Petersinsel und die Täler und Gebirge des Kantons Neuenburg
  • Durch das Berner Oberland nach Unterwalden
Band 2 (Bändchen 3 + 4)
  • Durch Unterwalden, Uri und Ursern, über die Furka und Grimsel nach Interlaken
  • Von Bern über die Gemmi und den Simplon nach den Borromäischen Inseln
Der Doppelband kann direkt bei der Edition Wanderwerk oder in einer gut sortierten Buchhandlung bestellt werden.

8. Januar 2023

Die Umschlaglosen V

Nachfolgend ein paar weitere Bücher, die ich in letzter Zeit gelesen habe, ohne sie in einem gesonderten Blogbeitrag zu erwähnen. Der Hauptgrund hierfür liegt darin, dass sie über keinen zitierbaren Umschlag- oder Klappentext verfügen.

Käthi Künzi-Schmalz: Bsinnsch di no?
Emmentaler Druck, Langnau, 1984

Erwin Heimann: Wätterluft, Francke im
Cosmos Verlag, Muri b. Bern, 1989



Diverse Autoren: Wanderlust – Von der Magie des Gehens,
Zur Philosophie und Praxis des neuen Wanderns. Dokumentation
des Kolloquiums am 29. und 30 Juni 2017 in Eisenach, Stadtverwaltung
Eisenach, Kulturamt und Thüringer Museum, 2017

Piero Bianconi: Kreuze und Kornleitern
im Tessin, Büchergilde Gutenberg,
Zürich, 1946

Elisabeth Kopp: Briefe, Benteli, Bern, 1991


W.C. Brögger, N. Rolfsen: Fridtjof Nansen
1861–1896, Fussingers Buchhandlung,
Berlin, 1898

Hermann Aellen: Die Lawine von Gurin,
Wila-Verlag, Wien/Leipzig, 1923
Hansrudolf Schwabe: Schweizer Bahnen damals, Pharos, Basel, 1974


Ernst Zahn: Die Liebe des Severin Imboden,
Deutsche Verlagsanstalt, Stuttgart/Berlin,
1921

5. Januar 2023

Schwärs und Liechts

Beat Jäggi: Schwärs und Liechts, Friedrich
Reinhardt, Basel, 1967
Obschon abstammungsmässig stark den ländlichen Bezirken verhaftet, sprengt Jäggi mit seinen aus dem heutigen Alltag gegriffenen Geschichten den Rahmen der Idylle. Innerstes Anliegen bedeutet ihm, auch mit der Mundart-Novelle neue, modernere Wege zu gehen.

Gleich In der ersten Erzählung, «Uusdienet», wird überzeugend das Ende einer Bauerndynastie geschildert. Der siebzigjährige Knecht Ludi erlebt nach treuen Diensten während drei Generationen den Übergang zu r industriellen Futtermittelversorgung.

Die Humoresken «Alls nume kei Lehreri» und «D Bohnegreth» bringen eine heitere, auflockernde Note in die eher ernst gehaltene Sammlung. Der ablehnende Gärtnermeister Habegger muss es erleben, dass ausgerechnet die ihm verhasste Lehrerin Rösli Läderma ihm an der Gewerbeausstellung aus der Patsche hilft.

Die habgierige, sonst schon mit ausreichendem Gemüsesegen bedachte «Bohnegreth» plündert an einem Herbstabend die Pflanzenanlagen einer Nachbarin und wird vom Aufpasser Chlausi Bänziger bei ihrem heimlichen Tun überrascht.

Menschliche Tragik zeichnet sich ab in der Erzählung «D Stross chunnt». Der Junggeselle Gottfried und seine alternde Mutter zerbrechen an der Expropriation, die wegen eines Strassenbaus über ihren schönen Baumgarten verhängt wird.

Die Probleme der Entlassenenfürsorge im Falle des Brandstifters Toni Zuber werden in der Geschichte «Zrugg is Läbe» lebensnah aufgezeigt. Dank der positiven Einstellung seines Schutzpatrons, Baumeister Lüthy, wird Toni nach Demütigungen und dramatischen Kämpfen noch rechtzeitig zum brauchbaren Glied der menschlichen Gesellschaft.

In der letzten Erzählung «Wider deheime» packt Jäggi mutig ein für die Mundart neues Thema an. Wir begleiten den durch Neid, Missgunst und Verspottung an den Rand der Verzweiflung getriebenen Kunstmaler Lorenz Hänggi nach Paris, wo er seine innere Ruhe wiederfindet und kometenhaft hohes Ansehen und internationale Auszeichnungen gewinnt. Mit dem Erfolg in der weiten Welt kehrt bei ihm der Glaube an das Gute im Menschen zurück.
(Klappentext)

23. Dezember 2022

Der kleine Nick und die Mädchen

René Goscinny, Jean-Jacques Sempé:
Der kleine Nick und die Mädchen,
Diogenes, Zürich, 2002
Siebzehn prima Geschichten vom kleinen Nick und seinen Freunden. Geschichten von Marie-Hedwigs Geburtstag, Luises Besuch, den Geheimzeichen und der rosa Vase im Wohnzimmer. Mit vielen Zeichnungen von Jean-Jacques Sempé.
(Klappentext)

«Das ist wieder mal so ein Buch, wo man nicht sicher sein kann, ob es je bei den Kindern ankommt, für die es geschrieben wurde, und stattdessen mit faulen Ausreden bei Papa auf dem Nachttisch liegen bleibt.» Tages-Anzeiger, Zürich

«… wieder einmal hinreißend erzählt, begleitet von den unübertrefflichen Illustrationen von Sempé. Das Ganze hervorragend übersetzt.» Ute Blaich/Die Zeit, Hamburg

17. Dezember 2022

Historische Begegnungen

Diverse Autoren: Historische Begegnungen
Hier und Jetzt, Baden, 2014











Die alten Helden der Schweizer Geschichte haben abgedankt. Die «Historischen Begegnungen» präsentieren Vorkämpferinnen und Widersacher, welche die Entwicklung der Schweiz massgeblich geprägt haben: Frauen und Männer, die sich bekämpft oder ergänzt haben. Und deren Leistungen zu Unrecht vergessen wurden.

  • Agnes von Ungarn und Rudolf Brun
  • Ulrich Zwingli und Conrad Grebel
  • Franz Ludwig Pfyffer von Wyher und Jacques-Barthélemy Micheli du Crest
  • Ulrich und Salome Bräker
  • Constantin Siegwart-Müller und Henri Dufour
  • Emilie Paravicini-Blumer und Fridolin Schuler
  • Ferdinand Rothpletz und Maria Scala
  • Hans Sulzer und Ferdinand Aeschbacher
  • Gottlieb Duttweiler und Elsa Gasser
  • Ludwig Abraham und Gustav Zumsteg

10. Dezember 2022

Kapuzinerleben

Matthäus Keust: Kapuzinerleben
Limmat Verlag, Zürich, 1999
«Kapuzinerleben» enthält die Lebensgeschichte eines schweizerischen «Bettelmönchs», eines Kapuziners, von ihm selbst erzählt. Die Kapuziner sind beim Volk beliebt, und dies weit über den engen konfessionellen Bereich hinaus. Sie gelten als volksnah, lebensbejahend und unkompliziert, vertraut vor allem mit der bäuerlichen Welt. Matthäus Keust wächst im solothurnischen Härkingen des 19. Jahrhunderts auf, wo er eine stimmungsvolle Jugend verbringt. Nach der Schulzeit in Olten prägt ihn vor allem das Gymnasium bei den Benediktinern in Mariastein, kurz bevor das Kloster aufgehoben wird. Er tritt in den Kapuzinerorden ein, und nun beginnt das wechselvolle Leben und Wirken in den verschiedenen Klöstern der Deutschschweiz, getreu der Losung des Ordens, welche ein regelmässiges Weiterziehen verlangt und keine Sesshaftigkeit erlaubt. Keust durchlebt dabei voll sein Jahrhundert, mit all den konfessionspolitischen Auseinandersetzungen, die damals hohe Wellen werfen, vom Sonderbundskrieg bis zum Kulturkampf und darüber hinaus. Keust erzählt sein Leben in der Rückschau, später auch im Tagebuchstil. Immer aber spricht er eine anschauliche und packende Sprache, als geborener Erzähler mit empfindsamem Herzen. Er ist ein scharfer Beobachter und Parteigänger, oft unbequem und auch gegen seine Mitbrüder, aber mit goldenem Humor und Selbstironie. Durch seinen Text erhalten wir Einblick in das damalige Ordensleben, mit seinen Hoch und Tief, mit den Frustrationen, Spannungen, aber auch den Momenten der Gottseligkeit. Über das Dokumentarische seiner Zeit hinaus zieht uns der Bericht durch seine Glaubwürdigkeit und Menschlichkeit in Bann. Keusts Erinnerungen gehören ohne Zweifel zum Spannendsten, was aus geistlicher Feder in dieser Hinsicht vorliegt.
(Inhaltsangabe auf der Verlagswebsite)

Matthäus Keust
Geboren am 18.9.1828 in Härkingen (SO), gestorben am 3.3.1898 in Altdorf (UR). 1852 Priesterweihe im Kapuzinerkloster Solothurn. Pater Matthäus wirkte fortan als Prediger, Beichtvater, Guardian und Vikar unter anderem in Mels, Freiburg, Olten, Schüpfheim, Luzern, Appenzell, Rapperswil (SG) und Altdorf. Nach 1858 wurde er von seinem Freund Adrian Kümmerlin in die Kunst des Fotografierens eingeführt. Mit Leidenschaft bildete er sich autodidaktisch weiter. Als Sujets bevorzugte Matthäus Keust Kapuzinerklöster und die Patres, Dorfansichten und Porträts der Bevölkerung. Erhalten ist ein prächtiges Leporelloalbum mit 68 grossformatigen Fotos unter anderem vom Kloster, von Altdorf und dessen Bewohnern. Als Keust starb, wurde er als volkstümlicher Prediger, Zeichner, Musiker und Fotograf gewürdigt.

30. November 2022

Historisches aus dem Tessin

Hermann Aellen: Die Lawine von Gurin,
Edition Wanderwerk, Burgistein, 2022
Selten bisher habe ich an einem Buch über einen derart langen Zeitraum gewerkelt. Doch nun ist das Büchelchen von der Druckerei angeliefert worden und meine Freude gross. Die Rede ist von Hermann Aellens historischem Roman «Die Lawine von Gurin».

Das Tessiner Walserdorf Gurin gegen Ende des 18. Jahrhunderts: Bedroht von der Bodenalplawine und unter der Knutte des Landvogts der ennetbirgischen Vogtei Meiental. Im Dorf herrschen Neid und Missgunst. Der gefürchtete Niedergang der Lawine fordert einmal mehr zahlreiche Menschenleben. Doch nach und nach raufen sich die Guriner zusammen und beginnen, sich gegenseitig zu helfen.

Gleichzeitig beginnt es südlich des Gotthard zu rumoren. Mit dem Nahen der Französischen Revolution und somit Napoleons Truppen, wittert die Bevölkerung die Chance, sich aus dem Regime der eidgenössischen Vögte zu befreien. Der Aufstand ist bloss von kurzer Dauer und die Geburtsstunde der Republik und somit des Kantons Tessin lässt nicht lange auf sich warten.

Hermann Aellen gelingt es, einen grossen Bogen vom kargen Leben des kleinen Bergdorfs Gurin über das eidgenössische Machtgebaren bis hin zur Napoleon’schen Politik zu spannen und die damalige Zeit realitätsnah zu schildern.

Ich habe den Text behutsam überarbeitet und mit Anmerkungen versehen. Eine Biografie Aellens sowie ein Flurnamenverzeichnis Gurins runden den gefälligen und äusserst rucksacktauglichen Band ab.  So bleibt mir nun nichts Anderes übrig, als der geneigten Leserschaft «Die Lawine von Gurin» herzlich zur Lektüre zu empfehlen. Das Buch kann auf der Webseite meines Verlägleins bestellt werden: Edition Wanderwerk

Über den Autor
Hermann Aellen wurde am 24.5.1887 als Sohn eines Lehrers in Oberbalm bei Bern geboren. Studium der Geschichte und Literatur in Bern. 1908–11 Redaktor am «Oberländer Tagblatt» in Thun, 1911–12 am «Brugger Tagblatt», 1913 an der «Tessiner Zeitung» in Locarno, 1915–19 als Nachfolger Rudolf von Tavels beim «Berner Tagblatt», 1921 Gründer und bis 1923 bzw. 1935–39 Redaktor der «Südschweiz», ab 1929 auch Feuilletonredaktor der «Neuen Berner Zeitung». 1912 Mitbegründer des Schweizerischen Schriftstellervereins, Herausgeber des «Schweizer Schriftstellerlexikons» (1918) und des «Schweizerischen Zeitgenossen-Lexikons» (1920–23). Sein literarisches Werk, von Heinrich Federer beeinflusst, zeigt eine Vorliebe für nationale Stoffe in Geschichte und Gegenwart und ist geprägt von romantischer und der Sehnsucht nach dem Süden. In seiner Tessiner Publizistik wirkte er auf eine Versöhnung von deutscher und italienischer Schweiz im patriotischen Geist der geistigen Landesverteidigung. Aellen starb am 26.9.1939 in Minusio bei Locarno.

26. November 2022

Keiner ist ohne Fehl

Gertrud Schneller: Keiner ist ohne Fehl,
Schweizer Druck- und Verlagshaus, Zürich
«Keiner ist ohne Fehl». Unter dieser Devise erzählt Gertrud Schneller die Geschichte eines Pfarrers, eines gütigen selbstlosen Menschen, der seinen Beruf ernst nimmt und vom Willen beseelt ist, seinen Mitmenschen aus vollem und aufrichtigem Herzen zu helfen. Dabei stellt er sein eigenes Leben zurück, aber auch das seiner Familie, und seine liebesbedürftige Frau leidet darunter. Die Konflikte zu Hause häufen sich, besonders, da der Pfarrer durch die egoistische Art seiner Frau abgestossen wird. So fühlt er sich zu einem weicheren, gütigeren Mädchen hingezogen, doch seine Berufung als Seelsorger geht allem andern vor. Aber gerät er nicht gerade dadurch in menschliche Schuld? Packend werden diese inneren und äusseren Kämpfe von der Autorin dargestellt, wirklichkeitsnah mit Menschen aus Fleisch und Blut. Sehr eindrucksvoll kommt dabei zur Darstellung, dass wir uns hüten sollen, einen Stein auf unseren Nächsten zu werfen, sondern vielmehr erkennen mögen, dass auch beim besten Wollen keiner von uns ohne Schuld durchs Leben geht. (Klappentext)

22. November 2022

Wenn die Erde verstummt

Samuel Chevallier: Wenn die Erde verstummt,
Verlag Mon Village, Vuillens, 1961
Als der Verlag «Mon Village» gegründet wurde, setzte er sich die Herausgabe guter Heimatbücher zum Ziel. Diesem Verlagsprogramm wurden die Romane und Novellen des Bauernschriftstellers Albert-Louis Chappuis gerecht, dessen vier Bände grossen Erfolg verzeichneten.

Nun stellt sich neu Samuel Chevallier in die Reihe der beliebten Schriften. Durch unzählige Radiosendungen in der Welschschweiz bestens bekannt, trifft er sprachlich und im Gehalt der Aussage auch die Denkweise des Deutschschweizers, so dass ihm zu Stand und Land – wie das bei allen Büchern dieser Serie der Fall war – viele Freunde erwachsen werden. (Klappentext)

VD: Fiktives Waadtland nördlich von Lausanne

Über den Autor
Samuel Chevallier wurde am 14. Mai 1906 in Grandevent (VD) bei Grandson geboren. Nach dem Rechtsstudium in Lausanne und Praktika in Bologna und Heidelberg war er von 1934–43 Stadtschreiber von Lausanne. Anschliessend wechselte er zum Journalismus, wo er vor allem im Westschweizer Radio tätig war. Bekannt wurde er besonders durch seine wöchentliche Sketchsendung «Le Quart d'heure vaudois» (1941–69), aber auch durch Volksstücke wie «L'Incendie» (1949), «Le Silence de la terre» (1953) und einige Romane. Sein politisches Engagement galt der Propagierung der pazifistischen Initiative «L'œuf de colombe» (1954), die für ungültig erklärt wurde. Er war Mitglied der Studentenverbindung Helvetia und Preisträger der Société des auteurs dramatiques de langue française (1959). Samuel Chevallier verstarb am 26. September 1969 in Lausanne. 

20. November 2022

Der Philosoph des Freikletterns

Rheinhold Messner: Der Philosoph des
Freikletterns, Piper, München, 2011
Der Österreicher Paul Preuss (1886–1931) hat die Geschichte des Alpinismus geprägt wie kaum ein anderer Bergsteiger. Mit seinem Eintreten für den reinen Kletterstil ohne Haken wurde er zum Vordenker des Freikletterns. Seine kühnen Thesen untermauerte er durch bahnbrechende Alleingänge in den Alpen. Rheinhold Messner stellt uns den «komplettesten Bergsteiger der Alpen» vor und schildert, warum seine Ideen bis heute nichts von ihrer Sprengkraft eingebüsst haben. (Klappentext)

13. November 2022

Gipfeltreffen

Blanca Imboden: Gipfeltreffen,
Wörterseh, Gockhausen, 2017
Was mit dem Bestseller «Wandern ist doof» seinen Anfang nahm, erfährt endlich die lang ersehnte Fortsetzung. Conny, die Frankfurter Kreuzworträtselkönigin, die sich im ersten Buch in Toni, den Innerschweizer Bergführer, verliebt, dann aber nach Deutschland zurückreist, macht einen grossen Schritt: Sie kündigt ihren Job als Hotelrezeptionistin und zieht in die Schweiz. Auf dem Urmiberg, oberhalb Brunnen, führt sie – zusammen mit Toni – ein Bergrestaurant mit eigener Seilbahn und fantastischer Aussicht. Dort oben ergibt sich bei einem Tête-à-Tête die Idee, die Wandergruppe, der sie ihre Liebe zu verdanken haben, spontan zu einem einwöchigen Wiedersehen auf den Urmiberg einzuladen. Irrtümlich erreicht die E-Mail mit der frohen Botschaft nicht nur jene «Wanderfreunde», auf die man sich freut.

Was dann alles passiert, sei hier noch nicht verraten. Nur dies: Es wird diesmal nur gewandert und nicht mehr gefastet. Es gibt auch jetzt wieder ein Desaster, vor allem aber gibt es Versöhnung und Neubeginn, Natur und Geselligkeit und ein dickes Happy End.

Wie schon im Buch «Wandern ist doof» kommen die Leserinnen und Leser auch beim jetzt vorliegenden Nachfolger der Wander-Schweiz ein grosses Stück näher: Den Urmiberg gibt es tatsächlich und die im Buch beschriebenen Wanderungen auch. Also: Rucksack packen, die Seilbahn auf den Urmiberg besteigen, sich dort Kaffee und Kuchen gönnen, und dann ab in noch höhere Höhen. Wandern ist definitiv nicht doof!
(Klappentext)

SZ: Urmiberg, Gottertli, Gätterlipass, Rigi, Brunnen, Morschach, Schwyz

11. November 2022

Tagebuch 1896–1947

Charles Ferdinand Ramuz: Tagebuch
1896–1947, Huber, Frauenfeld, 1982
Charles Ferdinand Ramuz ist nicht nur der Schöpfer der grossen Romane, die seinen literarischen Rang ausmachen. Er hat auch zwei bedeutende Tagebücher verfasst, die in diesem Band zusammengefasst sind. Auf den ersten Seiten seines Tagebuches schreibt er: «Scheu bin ich geboren und empfindlich bis zum Exzess. Ein Nichts erzürnt mich, ein Nichts verletzt mich.» Diese starke Sensibilität durchzieht dieses Tagebuch, das sein Werk wie ein Kommentar, erläuternd, fragend oder rechtfertigend ein Leben lang begleitet hat. Was ihn bewegt, sind nicht nur künstlerische Fragen. Er, der immer um ein tragfähiges künstlerisches Selbstverständnis rang, hat sich, betroffen und beteiligt, auch mit der gesellschaftlichen und politischen Wirklichkeit auseinandergesetzt. Gewichtige Fragen, wie die «bürgerliche Gesellschaft », der sowjetische Kommunismus, neue physikalische Entdeckungen, sein «Heimatverständnis », haben ihn nachhaltig bewegt.
 
Eine besondere Tragik überschattet sein zweites Tagebuch (1942–1947). Es spiegelt den gegen sein Lebensende mit aller Bitterkeit der Todesnähe beschwerten Menschen. Es sind nicht mehr Aufzeichnungen eines schaffenden, sondern die qualvollen Erkenntnisstationen eines nicht mehr schaffen könnenden Künstlers. Es gibt vielleicht im Werk von C.F. Ramuz nirgends so viel Verzweiflung und Düsterkeit wie in diesen letzten Tagebuchblättern. «Ich stehe nur noch dabei, ich nehme nicht mehr teil», sagt er einmal. Aber das Tagebuch als Ganzes gibt den Blick auf eine grosse Gestalt frei, als die C.F. Ramuz in die Literaturgeschichte eingegangen ist.