10. Mai 2025

Neuauflage von Zoppis «Buch von der Alp»

Giuseppe Zoppi / René P. Moor: Das Buch von der
Alp, Edition Wanderwerk, Burgistein 2025
In seinem Erstlingswerk «Das Buch von der Alp», das 1922 auf Italienisch erschien, blickt der 1896 in Broglio (Val Lavizzara/Tessin) geborene Giuseppe Zoppi auf seine Kindheitsjahre zurück, die er im Sommer jeweils auf der Alpe di Brünèsc verbracht hat. Daraus entstanden ist eine Sammlung literarischer Prosatexte, die sich an den geografischen Gegebenheiten der Alp orientiert: Vom kleinen Bergdorf Broglio steigt man vorerst zum Maiensäss Monti di Rima hoch, um hernach zur weitläufigen, dreistafeligen Alpe di Brünèsc zu gelangen.

Rund 110 Jahre nach den Kindheitserlebnissen Zoppis folge ich mit der Kamera den beschriebenen Örtlichkeiten in Zoppis «Buch von der Alp». Hierbei treibt mich die Frage an, was von der damaligen Zeit noch übriggeblieben ist: Gibt es noch Hirten auf der Alpe di Brünèsc? Findet er den Stein auf Corte Grande, wo der junge Zoppi unzählige Stunden verbracht hat? Wie sieht es mit dem kleinen Bächlein auf Campagna aus? Und was ist mit dem Steinbrunnen auf den Monti di Rima? Ein mehrtägiger Besuch im oberen Maggiatal fördert Erstaunliches zu Tage! Im vorliegenden Buch finden sich nebst Zoppis Text 58 stimmige Farbfotos einer Welt, in der heute etliches noch ziemlich genau so ist wie vor über 100 Jahren.

Das durchgehend vierfarbige Buch im Format 17 x 21 cm mit Hardcover und Fadenheftung ist ab sofort in der Edition Wanderwerk erhältlich.

7. Mai 2025

Eine einzige Reise kann alles verändern

Katja Büllmann: Eine einzige Reise kann alles
verändern, Piper, München, 2007
Reisen ist viel mehr als nur Urlaub machen: Es ist immer auch ein Flirt mit dem Schicksal, besonders wenn man alleine reist. Jede Reise zeigt uns neue Wege auf, und manchmal kann sie ein ganzes Leben verändern. Die Journalistin Kat ja Büllmann porträtiert fünfzehn Frauen, die weit weg von zu Hause ihre Berufung oder den Fleck der Erde gefunden haben, an dem sie für immer bleiben wollen. Sie überwanden persönliche Ängste, als sie sich ins Ungewisse aufmachten: Die Münchnerin Elena, die nach Venezuela reiste, um ihren unbekannten Vater zu suchen; Marianne, der ein Aufenthalt in Sri Lanka die Augen öffnete und die heute Patenschaften für Kinder aus Asien und Mittelamerika vermittelt; Barbara, die auf Safari in Kenia ihr Talent für die Fotografie entdeckte; oder die Medizinerin Heike, die seit einer Indienreise für «Ärzte der Welt» arbeitet. Sie alle hat das Reisen zu neuen Menschen gemacht: stärker, mutiger und freier als zuvor.
(Inhaltsangabe zum Buch)

4. Mai 2025

Das Gespenst von Canterville

Oscar Wilde: Das Gespenst von Canterville,
Reclam Junior, Stuttgart 1970
Das Gespenst von Canterville nimmt seine Pflichten sehr ernst: Schlossbewohnern und Gästen muss zuweilen der Schlaf geraubt werden. Wozu trägt man sonst die schweren Ketten? Die Opfer müssen ja nicht gleich, wie einst Lady Stutfield, den Verstand verlieren. Als der amerikanische Gesandte Mr Otis das englische Anwesen kauft und mit Frau und Töchtern einzieht, ist der Schlossgeist not amused. Und es kommt noch schlimmer: Der unerschütterliche Materialismus und die Respektlosigkeit der Yankees stürzen ihn in eine veritable Sinnkrise. Was tun, wenn man mit ganzer Kraft und in bewährter Qualität spukt, aber nur Gelächter erntet? Oder, noch schlimmer, von zwei vorlauten Mädchen mit Kissen beworfen wird? Noch nie, kein einziges Mal in seiner dreihundert Jahre langen Karriere, hat man das Gespenst derart beleidigt …

1. Mai 2025

Die neununddreissig Stufen

John Buchan: Die neununddreissig 
Stufen, Diogenes, Zürich, 1975
Seit drei Monaten weilt Richard Hannay in London. Die Grossstadt kommt ihm fade und beengend vor, und er sehnt sich nach der unermesslichen Weite und wilden Schönheit seiner afrikanischen Heimat. Da läuft ihm Franklin P. Scudder über den Weg, ein amerikanischer Agent, der ihn um Hilfe bittet und ihm eine völlig verrückte Geschichte erzählt. Als Hannay noch abwägt, wieviel er davon für bare Münze nehmen kann, findet er seinen Gast tot, mit einem Messer auf den Fussboden genagelt. (Klappentext)

27. April 2025

Lebensgefährlich verletzt

Emil Zopfi: Lebensgefährlich verletzt,
Ex Libris, Zürich, 1986
Der Autor stellt Nachforschungen über den Tod seiner Mutter an, die er als achtjähriges Kind bei einem Verkehrsunfall verloren hat. Dieses einschneidende Kindheitserlebnis, der Verlust, drängt nach Verarbeitung. So wurde dieses neue Buch auch sein persönlichstes.

Nachdem Emil Zopfi in seinen bisher erschienenen Büchern sein Trauma bruchstückhaft und nur am Rande angesprochen hat, indem er autobiographische Teile in erfundene Figuren hineinlegte, entschliesst er sich jetzt zu radikaler Autobiographie, ‹schreiben, wie alles gewesen ist›, wohlwissend, dass das Gedächtnis die Erinnerungen zurechtbiegt. Es geht aber nicht um eine wahrheitsgetreue Rekonstruktion des Unfalls, es geht vielmehr um einen Prozess der Identitätsfindung des Sohnes, der in allen seinen Beziehungen Ersatz für seinen Verlust sucht.

So entschliesst sich der Autor eines Tages, sich auf eine Nachforschung nach den Ursachen für seine Verletzung zu begeben. In Archiven sucht er nach den entsprechenden Zeitungsartikeln und den Gerichtsakten, die über den Unfall berichten, findet er das gerichtsmedizinische Gutachten. Er besucht aber auch Zeugen, die ihm den Unfall und seine Umstände schildern. So legt er Schicht um Schicht frei. (Klappentext)

«Strassenverkehr ist Bürgerkrieg. Ein Krieg, der politische Hintergründe hat: Die Vorstellung, dass Freiheit vor allem die Freiheit des Starken sei, den Schwachen kaputtzumachen. Freie Fahrt, Strasse frei, Tempo frei, gurtenfrei, Benzin zollfrei, Autobahn gebührenfrei, Freiheit, die ich meine. Ein Bürgerkrieg, an dem wir alle schweigend teilnehmen, den wir alle verschweigen.» (Seite 115)

24. April 2025

Im Schatten der Linde

David Bielmann: Im Schatten der Linde,
Zytglogge, Basel, 2018
1820 im freiburgischen Rechthalten: Die 21-jährige Christina Aeby wird tot aufgefunden. Am Vorabend besuchte sie mit ihrem Freund Peter Roschi den Maimarkt in der Stadt und nun vernimmt man im Dorf vom Gewaltverbrechen. Was ist auf dem Heimweg passiert?

Mit ihrer Schönheit hat Christina Aeby am Markttag die Blicke auf sich gezogen. Viele sind mit ihr in Kontakt getreten und können nun etwas erzählen. Die Landjäger beginnen die Ermittlungen. Am Ende wird jemand des Mordes überführt. Doch ist es der Täter?

Noch heute erinnert im Ort ein Gedenkstein an die Tat und der Name Christina Aeby ist manchem Einheimischen ein Begriff. Doch was damals genau geschah, ging vergessen oder gelangte nie an die Öffentlichkeit. David Bielmann rekonstruiert in seinem Roman die Ereignisse.
(Klappentext)

FR: Rechthalten und Umgebung, Giffers, Plasselb, St. Ursen, Bürglen (Bourgillon), Stadt Freiburg

20. April 2025

Leichtes Kribbeln

Simon Libsig: Leichtes Kribbeln,
Knapp, Olten, 2014 
Mark Morgan spürt erst ein leichtes Kribbeln, dann Schmerz. Es ist der Anfang von unvorhergesehenen Störungen, die an diesem Sonntag im August in sein Leben krachen.

Der Alltag ist vorbei. Für ihn, den elfjährigen Bettnässerpiratenritter, für seine entfremdeten Eltern, für das ganze gespaltene Dorf.

Eine Geschichte über Liebe, Freundschaft und darüber, dass die kleinen Dinge immer wichtiger sind, al es uns scheint. (Klappentext)

AG: Baden und Umgebung

17. April 2025

Die Umschlaglosen VII

Weitere neun Bücher, die ich gelesen habe, und die über keinen Klappentext verfügen, den ich so mir nichts, dir nichts hätte abkupfern können. «Die Patrizierin» von Josef Viktor Widmann fand ich indes so gut (alleine das Cover ist eine Augenweide), dass ich sie in meiner Edition Wanderwerk in sanft überarbeiteter Form und inklusive Klappentext herausgebracht habe.

Wolfdietrich Schnurre: Ein Fall für
Herrn Schmidt, Reclam, Stuttgart
1962
Josef Viktor Widmann: Touristennovellen,
Cotta'sche Verlagsbuchhandlung, 
Stuttgart, 1892
Albert-Louis Chappuis: Die Leute vom
Grathof, Mon Village, Vulliens, 1970
Ernst Zahn: Lukas Hochstrassers Haus,
C. Bertelsmann, Gütersloh, 1949
Kurt Pahlen: Denn es ist kein Land wie dieses,
Benteli, Bern, 1971
Jakob Hardmeyer: Die Gotthardbahn,
Verlag Hans Rohr, Zürich, 1979,
faksimile Ausgabe des Originals von 1888
Josef Viktor Widmann: Die Patrizierin,
Schmid/Francke & Co., Bern, 1888
Elsa M. Hinzelmann: Irrweg im Nebel,
Schweizer Druck- und Verlagshaus, Zürich,
1943
Mrs. Henry Freshfield: Eine Sommertour in
Graubünden + den italienischen Tälern des
Piz Bernina, Nardo Lori, Basel, 2021


13. April 2025

Solo

Gabriella Baumann-von Arx: Solo – Der
Alleingänger Ueli Steck, Piper, München,
2008
Der Schweizer Ueli Steck sorgt mit seinen Alleingängen und Erstbegehungen so zuverlässig für Sensationsmeldungen wie kaum ein anderer Profibergsteiger. Solo und ungesichert meister er die extremsten Routen. Als er im Frühjahr 2008 die Eiger-Nordwand in Rekordzeit durchkletterte, eröffnete er eine neue Dimension des Speedkletterns. Das Porträt des sympathischen Ausnahmekletterers mach seine Expeditionen nachvollziehbar – vom Einstig bis zum Ausstieg. (Klappentext)

Nachbemerkung: Ueli Steck verunglückte am 30. April 2017 im Alter von 40 Jahren in der Nähe des Lagers 2 am Mount Everest bei einer vorbereitenden Akklimatisationstour eines Rekordversuches am Nuptse tödlich.

8. April 2025

Schwarze Hunde

Ian McEwan: Schwarze Hunde
Diogenes, Zürich, 1994
Ein englisches Paar auf der Hochzeitsreise: Inmitten der Naturschönheiten Südfrankreichs begegnen June zwei grässliche Hunde, die sie nie mehr vergessen wird. Bernard kann ihre aufgewühlten Gefühle nicht verstehen. Die Wege der Jungvermählten beginnen sich zu trennen …

McEwan, der Erkunder der dunklen Seite des Menschen, umkreist in «Schwarze Hunde» das Abgründige mit einer an Conrad erinnernden Meisterschaft. (Klappentext)

3. April 2025

Museum des Hasses

Jürg Federspiel: Museum des Hasses,
Ex Libris, Zürich, 1988
Während den Tagen des Mordes an Martin Luther King, den Tagen der Blumenkinder, des Vietnam-Horrors, des Marsches aufs Pentagon, der Black-Power-Bewegung hat sich Jürg Federspiel anderthalb Jahre in New York aufgehalten. Aus seinen Eindrücken ist eine seltsame Mischung aus Essay, Erzählung, Gesellschaftskomödie, Reportage und Tagebuch entstanden.

In «Museum des Hasses» kommt Durchlebtes und Erfahrenes in vielfältiger literarischer Form zum Ausdruck – es ist ein Buch voll prosaischer Distanz und poetischer Wärme, ein ungeschminkter und ehrlicher Bericht, der gerade durch seinen subjektiven Zugriff eine heterogene Wirklichkeit empfinden und erkennen lässt. (Klappentext)

30. März 2025

Schrottreif

Isabel Morf: Schrottreif, Gmeiner,
Messkirch, 2009
Der Frühling hält endlich Einzug in Zürich. Doch Valerie Gut ist verzweifelt. In ihrem Fahrradgeschäft FahrGut ereignen sich mysteriöse Vorfälle: Immer wieder wird Zubehör gestohlen, in einer anonymen Zuschrift wird Valerie beschimpft, ein Kunde kehrt von einer Probefahrt mit einem teuren Rad nicht zurück, aus der Kasse verschwinden 4000 Franken. Und dann liegt auch noch ein toter Mann im Laden. Erschlagen. Eine echte Herausforderung für den erfahrenen Ermittler Beat Streiff von der Stadtpolizei Zürich und seine junge, energische Kollegin Zita Elmer.
(Inhaltsangabe zum Buch)

ZH: Zürich-Wiedikon

27. März 2025

Wir kennen uns doch kaum

Max Küng: Wir kennen uns doch kaum,
Rowohlt, Reinbek b. Hamburg, 2015
Moritz schreibt Meta. Meta schreibt zurück. So geht das, monatelang. Aber es ist kompliziert. Sie lebt nicht allein und in Berlin. Er in einer kleinen Stadt in der Schweiz. Nie sehen sie sich. Nie hören sie ihre Stimmen. Irgendwann fangen sie an, sich SMS zu schreiben, in einem Monat 837 Stück. Es genügt.

Ein Jahr später hat Moritz in Berlin zu tun. Er nimmt ein Hotelzimmer, schickt ihr eine SMS mit der Zimmernummer: «2307». Eine halbe Stunde später klopft es an der Tür. Er öffnet. Sie sind wie gelähmt. Irgendwann sagt er: «Weisst du was? Wir fangen noch mal vorne an.» Die Geschichte ihrer Liebe erzählt dieses Buch. (Klappentext)

AG: Buschberg bei Wittnau BS: Stadt Basel D: Berlin I: Sizilien

23. März 2025

Die Grenzen der Nacht

Stefanie Christ: Die Grenzen der Nacht,
Nydegg Verlag, Bern, 2011
1940 im Emmental: Hannah wächst in einer Zeit voller Mythen und Sagen heran. In ihrem Heimatdorf tragen sich unerklärliche Ereignisse zu. Messer fliegen durch die Luft und eine unsichtbare Hand flicht nachts heimlich die Pferdemähnen. Als eine Epidemie erst die Knechte und Mägde, dann auch die Kinder und Eltern wegrafft, sucht sie Trost bei einem Phantom: Dem alten Mann, der in der Nähe in einer kleinen Holzhütte wohnt und den noch nie jemand zu Gesicht bekommen hat. Hin- und hergerissen zwischen Angst und Faszination erlebt sie mit, wie sich das ganze Dorf auf die Suche nach dem Urheber der Epidemie macht: einem Vampir!

Der Schauerroman führt vom Emmental in die vom Krieg geprägte Bundesstadt, über den Napf hoch hinauf in die Berge, wo es schliesslich zum finalen Kampf zwischen Gut und Böse kommt. (Klappentext)

BE: Trub, Emmental, Napfgebiet, Stadt Bern

19. März 2025

Schynige Platte-Bahn

Hansruedi Brawand: Schynige Platte-Bahn,
Prellbock-Verlag, Leissigen, 2003
Am 14. Juni 1893 dampften die ersten Züge von Wilderswil-Gsteig auf die Schynige Platte. Die 7,3 km lange Strecke wies bei einer maximalen Steigung von 25% zwei Eisenbrücken, vier Steinviadukte sowie vier Tunnel auf. Bereits 1894 drohten finanzielle Probleme, so dass die alte Gesellschaft liquidiert werden musste. Schliesslich erwarben die Berner Oberland-Bahnen (BOB) die SPB für 200.000 Franken. 1914 nahm die Bahn mit vier Lokomotiven den elektrischen Betrieb auf. Ab 1936 kam es zu einem regen Fahrzeugaustausch mit der Wengernalpbahn (WAB), welche die gleiche Spurweite von 800 mm aufweist. Später erwarb die SPB verschiedene Lokomotiven und Personenwagen von der WAB. 1992–2003 konnten 12 Personenwagen mit neuen Kästen ausgerüstet werden. Für Nostalgiefahrten ist aber noch eine Dampflokomotive von 1894 vorhanden. (Website des Verlags)

13. März 2025

Die Panne

Friedrich Dürrenmatt: Die Panne,
Diogenes, Zürich, 1998
Der 45-jährige Textilreisende Alfredo Traps hat im Juni auf dem Nachhauseweg mit seinem Auto eine Panne. Da es schon spät am Abend ist, beschliesst er, im nahegelegenen Dorf zu übernachten. Es wird ihm auf seine Nachfrage hin ein Landhaus empfohlen, in dem ihm der pensionierte Richter Wucht kostenlos Unterkunft gewährt. Er wird zum Abendessen mit drei Freunden des Richters eingeladen.

Traps erfährt, dass die vier Rentner sich regelmäßig zu dem Zweck treffen, um ein Spiel zu spielen, in dessen Rahmen sie ihre alten Berufe ausüben und einen Gerichtsprozess nachahmen. Dabei spielen Wucht den Richter, Kummer den Verteidiger, Zorn den Staatsanwalt und Pilet den Henker, was ihren früheren Berufen entspricht. Traps wird dazu eingeladen, mitzuspielen. Widerwillig nimmt er die vakante Rolle des Angeklagten ein. Er fühlt sich keines Verbrechens schuldig. Er plaudert frei über sein privates Leben als Familienvater von vier Jungen, über seine Seitensprünge und seine brillante Karriere vom Hausierer zum Generalvertreter seiner Textilfirma. Sein Verteidiger Kummer rät ihm, keine unvorsichtigen Aussagen zu tätigen. Traps bemerkt nicht, dass er sich bereits mitten in der Vernehmung befindet.

Im Laufe des mehrgängigen Mahls, bei dem der Wein in Strömen fliesst, gibt der seit elf Jahren verheiratete Traps auch kleinere Verfehlungen im Beruf zu. Er berichtet davon, dass sein ehemaliger Chef, Herr Gygax, dessen Posten er nun innehat, an Herzversagen gestorben ist. Auch seine Affäre mit Gygax’ Frau verschweigt er nicht. Die vier Pensionisten horchen auf. Im Rahmen einer weiteren Beratung mahnt Kummer den Angeklagten zur Vorsicht. Der Staatsanwalt Zorn bezichtigt Traps plötzlich des Mordes an Gygax. Durch Intrigen und den stressbedingten Herzinfarkt des Chefs habe Traps dessen Posten an sich gerissen. Nach und nach legt Zorn die Motive frei und rekonstruiert die Tat.

Traps ist zunächst verwirrt. Doch je mehr er sich dem Alkohol hingibt, desto lockerer wird seine Zunge. Er verbrüdert sich mit dem Staatsanwalt und gibt schliesslich zu, dass er Gygax’ Frau dazu benutzt habe, seinem Chef eins auszuwischen. Aufgrund des Schocks über die Untreue seiner Frau habe dieser schliesslich einen Herzinfarkt erlitten. Je mehr der Staatsanwalt die Genialität dieses perfekten Mordes lobt, umso mehr lässt sich Traps dafür feiern.

Als die Anwälte ihre Plädoyers halten, fordert der Staatsanwalt Zorn die Todesstrafe. Der Verteidiger Kummer versucht, Traps hingegen als Opfer dazustellen, und verlangt dessen Freispruch. Doch der Angeklagte ist nun stolz auf seine Tat und gibt dem Staatsanwalt in allen Punkten Recht. So kommt es schliesslich zur Verurteilung durch den Richter Wucht, der die Todesstrafe ausspricht. Traps begibt sich nach diesem Abend, den er als überaus gelungen wahrnimmt, auf sein Zimmer. Wenig später wird er dort von dem besoffenen Richter, vom Staatsanwalt und dem Verteidiger, die ihm eine Urteilsurkunde aushändigen wollen, im Fensterrahmen erhängt aufgefunden.
(Lektürehilfe)

9. März 2025

Bahnwärter Thiel

Gerhart Hauptmann: Bahnwärter Thiel,
Reclam, 1970
Was treibt einen Mann dazu, Frau und Kind umzubringen? Wann ist der Täter schuld- oder zurechnungsfähig? Inwieweit ist er Opfer der Verhältnisse? Diesen Fragen geht Gerhart Hauptmann in seiner Erzählung Bahnwärter Thiel nach – ein damals ungewöhnliches Projekt. Am Ende der Blütezeit des bürgerlichen Romans, der die kleinen Konflikte in den geregelten Verhältnissen des Bürgertums thematisierte, bricht Hauptmann alle Regeln: Seine Geschichte des kleinen Mannes, der langsam in den Wahnsinn abgleitet, hält der Gesellschaft am Ende des 19. Jahrhunderts mit all ihren Missständen den Spiegel vor. Auch stilistisch geht die Novelle mit ihrer überbordenden Symbolik eigene Wege. Mit dem Geschlechterkonflikt, dem Gegensatz von Natur und Technik sowie Bezügen zu Religion und Literatur bietet das Werk trotz seiner Kürze reiche Interpretationsmöglichkeiten. Bahnwärter Thiel markiert in der deutschen Literatur den Übergang zur Moderne und gehört noch heute zum Schulkanon. (getabstract)

D: Bahnstrecke Erkner–Fürstenwalde, Schönschornstein bei Erkner und Umgebung, Berlin Charité

6. März 2025

Nick Tappoli

Jakob Christoph Heer: Nick Tappoli,
Cotta'sche Buchhandlung, Stuttgart/
Berlin, 1922
«Nick Tappoli» spielt im malerischen Eglisau (Kanton Zürich) und dreht sich um das Leben der Einwohner, insbesondere um das Leben der Familie Tappoli und ihre Beziehungen zu anderen Bewohnern der Gemeinde. Im Mittelpunkt der Erzählung stehen die Figuren Ulrich Junghans, ein Junge mit Sehnsüchten und Träumen, und Nick Tappoli, die hilfsbereite und lebhafte Tochter des örtlichen Pfarrers.

Der Anfang von «Nick Tappoli» spielt in einer Zeit des sozialen Wandels, in der sich die Gemeinde mit den Veränderungen im Handel und im täglichen Leben auseinandersetzt, die durch das Aufkommen der Eisenbahn verursacht werden. Der Autor stellt die Hauptfiguren und ihre Hintergründe vor, schildert Ulrichs ehrgeizigen, aber fehlgeleiteten Fluchtversuch, der zu einer Verletzung führt, und reflektiert seine Beziehungen zu seiner Familie, insbesondere seine aufkeimenden Gefühle für Nick. Während Ulrich die Herausforderungen des Erwachsenwerdens meistert, vermischen sich Gefühle der Frustration und der Zuneigung, wodurch die Themen des Erwachsenwerdens festgelegt werden, die sich im Laufe des Romans entwickeln. Die Erzählung fängt den Geist und den Aufruhr von Kindheitsträumen, familiären Pflichten und den Realitäten des Lebens in einer eng verbundenen Gemeinschaft ein.

AG: Kaiserstuhl SH: Rheinfall, Schloss Wörth SZ: Gross Mythen TG: Kreuzlingen, Seerücken, Schloss Arenenberg ZH: Eglisau (Hauptschauplatz), Rafzerfeld, Wil, Fussreise Eglisau - Zürich - Eglisau, Glattfelden, Weidlingsfahrt auf dem Rhein vom Rheinfall (Schloss Wörth) nach Kaiserstuhl, Stadt Zürich (Hauptschauplatz), Uetliberg, Zürichsee, Kilchberg, Zürichberg, Adlisberg D: Hohentengen, Weisswasserstelz, Nürnberg, Knoblauchsland b. Nürnberg, Mainz, Frankfurg, Schifffahrt von Mainz nach Koblenz, Wanderung von Assmanshausen via Niederwald nach Rüdesheim, Schifffahrt Rüdesheim Mainz, Köln, Berlin, Lübeck

2. März 2025

Spätestens morgen

Zoë Jenny: Spätestens morgen, Frankfurter
Verlagsanstalt, Frankfurt/Main, 2013
Unvermutet stark sind die zarten Geschöpfe dieser Geschichten. Sie halten aus, wenn der Boden unter ihnen schwankt, schlagen um sich im Moment der Gefahr und brechen aus ihrem Käfig aus, sobald sie Wind unter ihren Flügeln fühlen. So wie Ginza, die in der pulsierenden, übermächtigen Metropole Shanghai ihre Unabhängigkeit verteidigt. Oder Sophie, deren eigensinnige Tochter Clarice ihren Fotografenfreund mit ins Sommerhaus der Familie nimmt und damit das familiäre Gleichgewicht empfindlich ins Wanken bringt.

In ihren Erzählungen erweist sich Zoë Jenny als Meisterin der kurzen Form. Es sind Geschichten mit bittersüsser Resonanz, deren Wucht augenblicklich mitreisst. Etwas Abgründiges dringt durch jeden der scheinbar so sanften Sätze und umhüllt sie mit feiner Melancholie: Es ist die Angst vor dem Verlust, das Wissen um die verwundbaren Stellen, das unter der Oberfläche mitschwingt. (Klappentext)

27. Februar 2025

Sinnierstoff

Für mich als nebenberuflicher Wanderer ein erheblich Mass an Sinnierstoff.