28. Februar 2015

Beim Wirt zum Scharfen Eck

Otto Frei, Beim Wirt zum Scharfen
Eck, Arche Verlag, Zürich, 1976,
vergriffen
Wie in seinen früheren Erzählungen und in seinem Roman «Dorf am Rebhang» gelingt es Otto Frei auch in diesem neuen Roman, eine kleine, scheinbar intakte ländliche Welt darzustellen und dabei dank präzisen Beobachtungen das Hintergründige im Bild der Idylle aufzudecken. Es sind Geschichten von Käuzen und Originalen, von gewöhnlichen Bürgern, von kleinen Geschäftsleuten und vom Spekulanten grossen Stils, den kaum einer je gesehen hat, doch von dem alle reden. Diese Geschichten, schaurige und gefällige, erzählen die Männer am Stammtisch beim Wirt im «Scharfen Eck» ihrem Freund, der nach langer Zeit heimgekehrt ist. Dabei sprechen sie reichlich dem hiesigen Wein zu; darum gewinnen ihre Erzählungen an Witz, Originalität, Phantastik und Skurrilität, aber auch an Offenheit. Erfahrungen im Alltagsleben, wie wir sie alle machen, und die merkwürdigsten Begebenheiten wechseln einander ab und geben Einblick in die herrliche Vielfalt von Charakteren, wie man sie in einer Kleinstadt unserer Tage erleben kann. (Klappentext)

Otto Frei wurde am 5. März 1924 in Steckborn (TG) geboren. Er studierte Geschichte und Germanistik in Zürich, Basel und Paris, war Korrespondent der Neuen Zürcher Zeitung in Berlin und Rom und lebte als Berichterstatter für dieselbe Zeitung am Genfersee. Frei starb am 15. Juli 1995 in Bursinel (VD).

TG: Steckborn, Seerücken, Berlingen, Frauenfeld, Kreuzlingen, Klinik Münsterlingen ZH: Stadt Zürich BE: Mont Tramelan VD: Montreux SG: Rheineck F: Paris

26. Februar 2015

Kurti narrt sie alle

Beim Rumstöbern auf YouTube bin ich auf ein nettes Filmchen aus der deutschen Fernsehsendung Verstehen Sie Spass? gestossen. Die schräge Szene spielt auf der Loreley und demonstriert, wie wir Touristen immer wieder in die Falle zu tappen bereit sind.

22. Februar 2015

Ab einer Stunde wird gewandert

Andreas Dick, Georg Hohenester:
101 Dinge die ein Wanderer wissen
muss, Bruckmann, München, 2014
Wie grüsst man am Gipfel? Was ist der Unterschied zwischen Bergwandern und Bergsteigen? Wohin zum Inselwandern? Und warum hinterliessen früher Wanderer leere Champagnerflaschen mit ihren Visitenkarten auf dem Gipfel? Solche und andere Fragen beantwortet das Buch 101 Dinge die ein Wanderer wissen muss. Das vom Autorengespann Andreas Dick und Georg Hohenester verfasste Nachschlagewerk richtet sich in erster Linie an Menschen, die mit dem Wandern noch nicht so vertraut sind. Und ob es just jene 101 Dinge sind, die es über dieses Thema zu wissen gilt, sei dahingestellt. Nicht zuletzt deshalb, weil das Buch sehr deutschlandlastig ist, sich also am ehesten für das Wanderpublikum des nördlichen Nachbarn eignet.

Hier nun drei Punkte aus dem 191seitigen Band, die ich meinen Lesern nicht vorenthalten möchte:

1.    Die Autoren definieren den Begriff Trittsicherheit so: Sie hilft, Stürze in Folge von Stolpern, Ausrutschen oder Umknicken zu vermeiden und beruht auf folgenden Grundlagen:
     – Realistisches Wahrnehmen und Einschätzen des jeweiligen Geländes und Untergrunds nach der Prämisse «Welche Tritte sind griffig und nutzbar?», auf Geröll, Fels, Schrofen, Erde, Firn – auch bei Nässe.
     – Gute Körperkoordination, um auf unebenem Untergrund kontrolliert gehen zu können, ohne das Gleichgewicht zu verlieren, und mit der Fähigkeit, einen kleinen Ausrutscher im nächsten Schritt auszugleichen.
     – Erkennen von schwierigen ausgesetzten Wegpassagen, in denen besonders sorgfältiges Gehen notwendig ist, um Stürze mit fatalen Folgen zu vermeiden.
     – Richtiges Einschätzen der eigenen Kraftreserven bei körperlicher und geistiger Ermüdung und Anpassen des Gehtempos während einer langen Tour, besonders im Abstieg.
2.    In deutschen Wäldern ist das Rauchen vom 1. März bis 31. Oktober verboten.
3.    Der Deutsche Wanderverband definiert Wandern wie folgt: «Wandern ist Gehen in der Landschaft. Es handelt sich um eine Freizeitaktivität mit unterschiedlich starker körperlicher Anforderung, die das mentale wie physische Wohlbefinden fördert. Charakteristisch für eine Wanderung sind eine Dauer von mehr als einer Stunde, eine entsprechende Planung, die Nutzung spezifischer Infrastruktur sowie eine angepasste Ausrüstung.»

18. Februar 2015

Das küssende Paar auf dem Bahnsteig

Juliane Zimmermann, Der Teufel steckt
im ICE
, Bastei Lübbe, Köln, 2014
Soeben habe ich Der Teufel steckt im ICE gelesen. Die unter dem Decknamen Julia Zimmermann schreibende Zugbegleiterin der Deutschen Bahn gibt auf 238 Seiten ihre dienstlichen und privaten Erlebnisse auf amüsant-unterhaltsame Art und Weise preis. Während ihrer 15 Jahre bei der Bahn sind etliche Episoden und Anekdötchen zusammengekommen, die auch für das Schweizer Reisepublikum von Interesse sein dürften. Ein spezielles Augenmerk möge man auf die am Eingang zu jedem der 16 Kapitel vermerkten Lautsprecherdurchsagen richten. Sie beweisen, dass die deutschen Bähnler – nomen est omen – nicht nur besser Deutsch parlieren als ihre helvetischen Kollegen Schweizerdeutscher Zunge, sondern auch über ein gewisses Quäntchen an Humor verfügen. Drei Beispiele gefällig?

Sehr geehrte Fahrgäste, wir begrüssen Sie recht herzlich im Zug der Deutschen Bahn. Sie wissen wahrscheinlich am besten, warum Sie nicht das Auto genommen haben. Denken Sie während der Fahrt ab und zu daran – sich selbst und uns zuliebe.

Eine gute Nachricht für das küssende Paar auf dem Bahnsteig: Die Abfahrt verzögert sich noch um einige Minuten. Wir anderen geniessen so lange die Show.

Liebe Fahrgäste, auf den Schienen vor uns befinden sich Schafe, die uns noch eine Weile an der Weiterfahrt hindern werden. Oder ist zufällig ein Schäfer an Bord?

14. Februar 2015

Gotthelfs Jakob anno 2005

Urs Küffer, Vom Flügelschlag der Zeit,
h.e.p. Ott Verlag Bern, 2005, vergriffen
Jakob, deutscher Handwerksgeselle, Romanfigur des Jeremias Gotthelf, durchwandert in den turbulenten vierziger Jahren des 19. Jahrhunderts die Schweiz. Von Basel über Zürich, Burgdorf, Bern, Freiburg nach Genf. Von Genf durchs Berner Oberland wieder nach Basel. Er strebt, aufgewiegelt durch politische Agitatoren, gierig nach Reichtum und Glück, macht sich schuldig, wird getäuscht, beraubt, ausgenutzt und gerät in physische und psychische Krisen. 160 Jahre später setzt sich Urs Küffer auf die Spuren des Jakob. Er bereist die gleichen Landschaften, die gleichen Orte. Er trifft auf bedrohte Naturschönheiten, entdeckt verborgene kulturhistorische Zeugnisse. Er reflektiert über gesellschaftliche Themen und Lebensfragen – Freiheit, ökonomischer Wandel, Gewalt, Liebe und Tod –, in denen sich die weit auseinanderliegenden Epochen berühren. Und er erzählt von Menschen, die sich in hektischer Umbruchzeit verlieren und wieder finden müssen. Ein Buch, das inspirierende Gegensätze ins Licht hebt: Einen Roman voller Polemik, der so «schön zu lesen ist, als ässe man knusprigen Braten» (Robert Walser); eine abgeschirmte Schweiz, die sich zuweilen überraschend öffnet; Menschen in Not, in Leid, versehrt und doch viele ungebrochen in ihrem Lebenswillen. Ein spannendes Buch, das in erster Linie literarisch Interessierte ansprechen dürfte. (Klappentext)

13. Februar 2015

Schnee(schuhe) von gestern

Das waren noch Zeiten: Sherpa Schneeschuhe im
Sparenmoos (BE), Mitte der 90er-Jahre. Im
Hintergrund Spillgerten und Albristhorn.
Zu Beginn der Neunzigerjahre entdeckte ich den Reiz des Schneeschuhwanderns. Mit den golden glänzenden Schneetretern der US-amerikanischen Marke Sherpa machte ich meine ersten Gehversuche an der Grossen Scheidegg, am Gurnigel, in den Freibergen oder im Sparenmoos. Nicht selten hatte es zu wenig Schnee, sodass ich es im An-den-Rucksack-Schnallen der Dinger zur Meisterschaft brachte. Wo immer ich mit den exotisch anmutenden Geräten auftauchte, brachte man mir ein müdes Grinsen entgegen, selten Verwunderung oder Neugierde. Auch waren im Gelände kaum Schneeschuhspuren anzutreffen. Über 20 Jahre später hat sich die einst belächelte Fortbewegungsart längst etabliert und zum nicht mehr weg zu denkenden Wintertourismusfaktor entwickelt. Einzig die in der Rückblende urig anheimelnden Sherpa-Schuhe sind praktisch von der Bildfläche verschwunden.

10. Februar 2015

Gelungener «Schachzug»

Rolf von Siebenthal, Schachzug,
Gmeiner Verlag, Messkirch, 2013
Liestal im Baselland. Ein präziser Schuss aus 600 Metern Entfernung reisst Marcel Laval, einen aufstrebenden Manager, aus dem Leben. Der Journalist Max Bollag, der Schwager des Toten, macht sich auf die Suche nach dem Mörder. Er hofft auf neuen Schwung für seine stockende Karriere und die kriselnde Ehe. Bei seinen Recherchen stösst Bollag auf einen Gegner, der eine Mission zu erfüllen hat – und keine Gnade kennt. (Klappentext)

Rolf von Siebenthals Erstling im Gmeiner Verlag ist sehr gelungen. Reale, authentisch beschriebene Schauplätze, eine mit viel Verve vorangetriebene Handlung sowie eine Prise Ironie bilden die Zutaten zu diesem Krimigenuss. Schön, dass mit Höllenfeuer bereits ein Zweitling greifbar ist. Ich werde dranbleiben.

Der Autor mit Jahrgang 1961, ist ausgebildeter Sprachlehrer. Er arbeitete viele Jahre bei einer Tageszeitung und im Schweizer Verkehrsministerium, heute ist er selbstständiger Journalist und Texter. Er lebt mit seiner Familie in der Nordwestschweiz.

BL:  Seltisberg, Liestal, Pratteln, Birsfelden, Rhein, Muttenz, Sissach, Lausen, Häfelfingen, Frenkendorf, Gelterkinden, Reinach BS: Stadt Basel BE: Lötschbergtunnel, Lötschberg Nordrampe, Stadt Bern SO: Autobahnraststätte Deitingen VD: Eisenbahnwerkstätte Yverdon JU: Waffenplatz Bure

8. Februar 2015

Wie mein Sohn und ich die Berge bezwangen

Nicolas Lindt, Wie mein Sohn und ich
die Berge bezwangen, Rothenhäusler
Verlag, Stäfa, 2001
Eine fünftägige Wanderung führt den Autor und seinen dreizehnjährigen Sohn aus dem Engadin über die Bündner Berge nach Hause zurück: Ein kleines, aber feines Tagebuch voller Eindrücke und Einsichten – und dem Erlebnis der Freundschaft zwischen Vater und Sohn. (Klappentext)

Die 28 Seiten dünne Broschüre ist nun nicht wirklich eine Wucht. Bemerkenswert indes ist, dass Lindts Text selbst 14 Jahre nach Erscheinen in den Buchkatalogen noch geführt wird. Allerdings muss der Lagerort des Imprimats etwas gar feucht sein. Die Heftklammern sind nämlich arg verrostet.

2. Februar 2015

Gurmus chunnt iigschniits

Ach, es ist kein Leben in diesen Büros. Also raus ins Frische. Wetter ist egal. Nur raus, einfach raus! Eine Woche vor unserem offiziellen Wandertermin lade ich euch zu diesem freiburgisch-bernischen Grenzgeplänkel ein. Von Kerzers ziehen wir südwärts durch das leicht gewellte Land. Ein paar Schneeflecken, etwas Sonne und viele Wolken. Dies verspricht der Wetterbericht. Also, gute Kleidung ist gefragt auf der unten dargestellten Route. Am Ende wartet Gurmels («Gurmus»), wo regelmässig Busse ins nahe Düdingen «Dödinga» röcheln, von wo die S-Bahn nach Bern abgeht. Sprachgeografisch lässt sich dieser Fünfstünder in die Region des Seebezirkdeutsch und des legendär-chüstigen Seislerdütsch verorten, weshalb ich in Gurmus sehr gerne in eine Beiz gehen möchte, um den indigenen Exemplaren ein wenig auf den Mund zu gucken.

Mit diesen Worten versuchte ich vergangenen Donnerstag mein Wandergrüppchen Rumpel und die Stilzchen für den Gang vom Grossen Moos an den Schifenensee zu motivieren. Vergeblich, wie sich dann am Samstag herausstellte, so dass ich mich als Solo-Wanderer durch die Gegend schlagen musste. Nachfolgend ein paar Eindrücke einer Route, die gut und gerne ein paar Mitstreiter verdient gehabt hätte. 

In Gurmels angekommen, hielt ich auf die stattliche Kirche zu. Ihr gegenüber kehrte ich im Sternen ein, dessen Stammtisch, wie insgeheim erhofft, gut bestückt war. Draussen hatte inzwischen starker Schneefall eingesetzt und drinnen wurde eifrig über 4-WDs und Subarus diskutiert, als einer der Stammtischler plötzlich einwarf: «Fönsu, du chunnsch iigschniits.» Ich nahm einen Schluck Cardinal und belauschte weiter amüsiert das wohl urigste Idiom zwischen Saane und Rhein.

Kurz nach Wanderstart südlich von Kerzers (FR).

Gefrorener Morast und ein Schäumchen Schnee: fertig ist das Kunstwerk.

Lauschig, lauschig: entlang der Bibere.

Im Weiler Biberen (BE).

Ein paar Schritte oberhalb von Biberen.

Die Berner Voralpen mit Chrummfadenfluh, Nünenenfluh, Gantrisch, Bürglen,
Ochsen und so weiter.

Mittagsrast unter der Sonne: Friedhof von Ulmiz (FR).

Zwischen Ulmiz und Gammen.

Fragile Kunst im Wald mit dem Namen Wald.

Nachdem wir uns eine Minute reglos gemustert hatten, drückte ich ab.

Nickerchen auf der Bahnlinie Laupen–Gümmenen.

Staumauer Schifenensee (FR).