11. Mai 2020

Das verlorene Tal

Hannes Taugwalder: Das verlorene Tal,
Verlag Glendyn, Aarau,
Das verlorene Tal ist mehr als eine Erzählung. Auch mehr als ein autobiographischer Bericht über ein Hirtendasein in den Zermatter Alpen. Das verlorene Tal ist ein Zeitdokument. In spannenden Abschnitten erleben wir den Alltag einer Bergbauernfamilie in der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg, ihren harten Kampf, die langen Winter zu überleben, aber auch die vielen heiteren und fröhlichen Episoden eines gesunden Menschenschlages.

Wir müssen dem Autor dankbar sein, dass er in so offener und freimütiger Art von sich und seinen Eltern erzählt. Von der Mutter, die sich als Novizin aus dem Kloster stiehlt, vom Vater, der, nach erfolgreichen Expeditionen, als geschlagener Bergführer mit erfrorenen Gliedern aus den Anden nach Hause zurückkehrt.

Von ganz besonderer Dichte und eigenem Reiz sind die Erlebnisse, in denen der Autor aus eigenen Erinnerungen schöpft. Seiner ersten Jugendsünde begegnen wir im Beichtstuhl. Er holt den zechenden Vater aus der Pinte, verbringt mit einer mannstollen Sennerin den Sommer auf der Alp, muss in stockfinsterer Nacht durch einen sagenträchtigen Geisterweg, um einem kranken Tier Hilfe zu bringen, und besucht auf einem gefahrvollen Weg seine Mutter in der Matterhornhütte, die dort als Köchin die Bergsteiger betreut.

In der Einsamkeit des Hirtenlebens redet der Junge mit den Bergen, hört Laute, die vielleicht eine Quelle verplaudert, und betrachtet am Himmel seltsame Wolkengebilde. Die Fremden nennen ihn öfters «Geissenpeter», obwohl er mit Johanna Spyris Geissenpeter wenig Gemeinsames hat. Ein Armbruch bringt dem wilden Buben ein völlig anderes Dasein. Infolge Komplikationen sucht er Hilfe im Kinderspital in Bern. Es gelingt den Ärzten, den Arm vor einer Amputation zu retten. Der anschliessende Prozess gegen den Landarzt findet ein unrühmliches Ende. Um die Prozesskosten zu decken, müssen die Eltern eine der beiden Kühe hergeben. Als die Zukunftsaussichten recht düster aussehen, findet sich im Teehüttli Aroleid ein holländisches Ehepaar ein. Sie bauen dem Jungen eine Brücke in ein neues Leben. Seinen Traumberuf, Bergführer zu werden, muss er aber begraben. Er verlässt das Tal. – Das verlorene Tal. 


Hannes Taugwalder schreibt in einer ihm eigenen urchigen Sprache. Seine kritische Betrachtungsweise, die an vielem Althergebrachtem kratzt, reizt immer wieder zum Schmunzeln. Vom Schicksal des Knaben ist man gepackt. (Klappentext)

BE: Kinderspital Bern, Stadt Bern BS: Stadt Basel LU: Luthern VS: Zermatt, Turtmann, Sion, Alp Kalbermatten/Zermatt, Zumsee, Sierre, Hörnlihütte, Hotel Monte Rosa Zermatt, Stafelalp/Zermatt, Mattertal

Hannes Taugwalder (21.12.1910–8.11.2007) stammte aus dem Kanton Wallis. Er wuchs in bescheidenen Verhältnissen in Zermatt auf und erlitt eine Behinderung an der linken Hand. Trotzdem konnte er in Zürich eine Banklehre absolvieren und eine steile Karriere erklimmen: Er stand an der Spitze eines Warenhauses und einer Strickwarenfabrik. Bis in die 1980er Jahre fabrizierte er, mit seiner Firma Aroleid AG, selbst Damen- und Kinderkleider. Taugwalder schrieb Texte in Walliser Mundart und verfasste mit «Das verlorene Tal» (1979) und «Der verlorene Weg» (1982), «Einsamer Mond» (1990) und «Auf-Bruch» (1992) seine Autobiografie. Sein politisches Engagement führte ihn als Mitglied der Bauern-, Gewerbe- und Bürgerpartei, die 1971 in der SVP aufging, in den Einwohnerrat der Stadt Aarau, dem er von 1970 bis 1973 angehörte, und in die Paritätische Kommission der Schweizerischen Konfektionsindustrie. Später trat er der FDP bei, und in seinen letzten Jahren war er parteilos.

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