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Heinz Lüthi: Gion da Farglix, Altberg Verlag,
Richterswil, 2013 |
Es geschah am hellichten Tag am Fronleichnamsfest im Jahr 1892 in Farglix, einem Hof in der Val Lumnezia: Der Knecht Gion Rest wurde in der Wohnstube in einer Blutlache tot aufgefunden. Ein Aufschrei ging durch das Tal, verdächtigt wurde der Patron, Gion Giachen Solèr (1829–1894), genannt Gion da Farglix. Eine legendäre Gestalt, über welche die Volksmeinung noch heute einiges weiss und noch mehr vermutet. Letzte Klarheit über die Vorkommnisse wurde nicht ans Licht gebracht, das Gericht in Chur sprach ihn am 24. Februar 1893 von der Anklage des Totschlages frei, nicht nur die Tatwaffe war nicht aufgefunden worden, es gab auch keine schlüssige Indizienkette, nur Behauptungen und Vermutungen blieben.
Gion da Farglix, Bauer und im Militär Offizier, war zweifellos ein eigensinniger und eigenwilliger Querulant, der sich in heftiger Fehde mit den Autoritäten befand, der Gemeinde Lumbrein wie auch der Kirche – auch wenn er katholisch geprägt blieb und selbst eine Prozession mit wehender Kirchenfahne anführte, als diese vom Kirchenkalender gestrichen wurde. Als Sohn eines nicht unbegüterten Landwirts besuchte Gion die Kantonsschule in Chur, wurde später Schreiber in einer Advokatur in St. Gallen, um dann, als die Mutter verstarb, auf Bitten des Vaters auf den väterlichen Hof zurückzukehren.
Damals trat auch Onna Maria Ursula Caminada aus Vrin als Magd in den Dienst, die eine kleine Tochter mitbrachte und bald auch einen Sohn Gion Rest gebar – Vater unbekannt, und das Tal spekulierte über die Vaterschaft. Man weiss nur: Er weigerte sich, sie zu heiraten. Viele Rätsel existieren um diesen Eigenbrötler, diesen eigensinnigen Patron in seinem kleinen Reich. Erst vor Gericht bekannte Gion da Farglix, der Vater des Ermordeten zu sein. Nur ein schlauer Schachzug? Oder doch nur, um nicht später einmal seine Schwester erben zu lassen, die in das Kloster Cazis eingetreten war? So wird auch im neuen Buch «Gion da Farglix» vermutet, das sich mit dieser legendären Gestalt beschäftigt.
Autor ist Heinz Lüthi, geboren 1941, Lehrer und Schriftsteller – und bekannt aus dem Cabaret Rotstift. Ihn hat das Schicksal des Gion da Farglix gepackt und er hat sich ihm dokumentarisch angenähert. Auf die Spuren gebracht und angeregt zur Aufarbeitung dieser Talgeschichte habe ihn der frühere Grossrat Bistgaun Capaul aus Lumbrein. Der legendäre Stoff um die geheimnisumwitterte Bluttat hat seinerzeit auch im Roman von Josef Jörger «Die letzten Schattenauer» Aufnahme gefunden – der aus Vals stammende Jörger (1860–1933), Psychiater und erster Direktor der Klinik Waldhaus in Chur, hatte für das Gericht das Gutachten über Gion da Farglix verfasst.
Autor Lüthi verbringt seit 1975 einen grossen Teil seiner Freizeit in der Val Lumnezia, die zu seiner zweiten Heimat geworden ist. Lüthis Gion da Farglix ist leicht lesbar und bringt aus Dokumentation und Inspiration eine Annäherung an eine legendäre Gestalt wie an Land und Leute und ihre Zeit. Lüthi entwirft ein Porträt des legendären Gion, seiner damaligen Umwelt wie auch des Bergtales und seiner Bewohner. Es ist sozusagen eine Liebeserklärung an das Tal des Lichts, auch wenn er mit der Geschichte des unheimlichen Mordfalls unter die Oberfläche der «heilen Bergwelt» schürft. Diese zeichnet er ebenso informativ wie kenntnisreich – und der Untertitel «Annäherung an ein Bergtal» ist ebenso zutreffend wie verdient. (Quelle: Südostschweiz)
Dieses Buch ist im
Buchantiquariat von Wanderwerk erhältlich (Rubrik «Lebensgeschichten»).