4. Juni 2020

Friss oder stirb

Hermann Hossmann: Friss oder stirb,
Albert Müller Verlag, Rüschlikon/Stuttgart/
Wien, 1942
Es ist der unbestrittene Lieblingsroman meiner Kindheit: Hermann Hossmanns «Friss oder stirb». Die Geschichte öffnete mir endgültig die Augen für das viel zitierte «Kopfkino». Ich hatte das Buch zwei- oder dreimal gelesen, ehe ich es, weshalb auch immer, irgendwann weggab. Jahre später, ich war längst zum bibliophilen Liebhaber mutiert, erinnerte ich mich an Hossmanns Werk ... und entdeckte es am 12. Juli 2000 tatsächlich in einem Buchantiquariat wieder. Klar doch, dass ich es kaufte und ein drittes oder viertes Mal – wenn auch mit anderen Augen – las. Doch worum geht es denn eigentlich in diesem Jungendroman? Dies sagt der Klappentext:

«Hermann Hossmann ist Lehrer – aber ein Lehrer besonderer Art! Als er mit 20 Jahren sein Diplom in der Tasche hatte, fand er, dass er zunächst die Welt und das Leben besser kennen lernen sollte, ehe er daran ging, Kinder in der Schulstube für den Lebenskampf zu rüsten. Er wanderte nach Amerika aus und verdiente sich dort sein Brot mit den verschiedensten Arbeiten, – jawohl: als Tellerwäscher und dann als Nachtwächter, als Taxichauffeur, Bauarbeiter, Filmschauspieler, Geschäftsmann und Zeitungsredakteur! Was ihm da begegnete, das lässt er in seinem Buch Peter Hitzig, den Helden der Erzählung, erleben.

«Friss oder stirb» ist kein braves, sanftes Buch; es ist rauh und hart wie das Leben, das es schildert. Peter zeigt im Laufe seiner Amerika-Jahre, dass auch die ärgsten Hindernisse und Schwierigkeiten mit Mut und Tatkraft überwunden werden können. Friss oder stirb! hiess es für ihn, als er nach Amerika kam, um das gepriesene Wunderland zu erleben und sich stattdessen mit wenig Geld und ohne Sprachkenntnisse im Hexenkessel von New York fand. Das Amerika des «Lederstrumpf» und Karl Mays gehörte längst zur Vergangenheit. Hart packte ihn das Leben an und rüttelte ihn aus seinen Träumen. Was er kennen lernte, war das Amerika von gestern und heute, das Land der Industrie, des Handels, der Riesenfabriken und der Wolkenkratzer, das aber dennoch das Land der tausend Möglichkeiten geblieben ist. Was er kennen lernte, war nicht das phantastische Abenteuer romantischer Träume, – es war das Abenteuer der Wirklichkeit, das jeder erleben kann, der es nur will!»

Doch wer war dieser Hermann Hossmann eigentlich? Bürger von Gerzensee war er und wurde am 17. September 1900 als Sohn des Lehrers Friedrich Hossmann in Kriechenwil bei Laupen geboren. Sein Vater beschäftigte sich in seinen Mussestunden mit der Schriftstellerei, gab einige Gedichtbände, einen Entwicklungsroman und zahlreiche Erzählungen heraus. Der Sohn Hermann wuchs in Bern auf, besuchte dort Primar- und Sekundarschule und kam danach ins Lehrerseminar Hofwil-Bern.

Nach vollendetem Studium wanderte er nach Amerika aus, wo er sechs Jahre lang, vom Leben hart gezwackt, in den verschiedensten Berufen seinen Lebensunterhalt verdiente: als Tellerwäscher, Nachtwächter, Taxichauffeur, Bauarbeiter, Filmschauspieler, Geschäftsmann und Zeitungredaktor. Danach schloss er seine US-Lehrjahre ab und kam in die Schweiz zurück, wurde erst Lehrer in der Gesamtschule Möriswil bei Wohlen, später an der Länggass-Schule in Bern, wo er während Jahren amtete.

Früh schon verfasste er – zu seiner Freude und sozusagen zum Hausgebrauch – Dialektverse und Mundarttheaterstücklein, die an Schulfeiern und bei öffentlichen Anlässen aller Art zum Vortrag kamen. Später zog man ihn zur Mitarbeit an Jugendbüchern und -zeitschriften heran. Seine Lehrtätigkeit, besonders aber der Umgang mit gefährdeten und kriminellen Jugendlichen, überzeugten ihn davon, dass die beste Art, die verhängnisvollen Einflüsse der Schundliteratur auf die heranwachsende Jugend zu bekämpfen, die sei: Spezifisch «rassige» Jugendbücher zu veröffentlichen, die dabei lebenswahr gestaltet, aufklärend und erzieherisch wirken. Aus dieser Einsicht heraus begann Hermann Hossmann zu schreiben. Dass es auch bei Erwachsenen Anklang fand, war ihm eine erfreuliche, wenn auch unbeabsichtigte Nebenerscheinung.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen