21. Oktober 2015

Ein Weg der Erinnerung

Eraldo Affinati: Ein weg der Erinnerung,
S. Fischer, Frankfurt/Main, 1999, (vergriffen)
Dieser kurze, dichte Text folgt dem Modell einer säkularisierten Wallfahrt – freilich beschreibt er eine Pilgerfahrt ganz eigener Art: In Begleitung eines Freundes macht sich der Autor zu Fuss auf den Weg von Venedig nach Auschwitz. Ausgerüstet sind die beiden mit Rucksäcken und dem Empfehlungsschreiben eines hochrangigen Klerikers, der die Wanderer der freundlichen Obhut der Klöster anempfiehlt. Affinati, der nach dem Krieg geboren wurde und die Schrecken der Nazizeit nur aus zweiter Hand kennt – sein Grossvater wurde als Mitglied der Resistenza erschossen; seine Mutter entkam buchstäblich in letzter Sekunde dem Transport in ein Vernichtungslager –, hat sich zuvor intensiv auf die Begegnung mit der Geschichte und ihren Spuren vorbereitet und Stapel von Literatur zur Vernichtungsmaschinerie des Dritten Reichs gelesen, ob autobiographische Zeugnisse, philosophische Reflexionen, wissenschaftliche Analysen. Passagen dieser Texte säumen auch seinen Reiseweg, bilden einen vielstimmigen Kommentar – und prägen die Wahrnehmung dessen, was den beiden Reisenden widerfährt. Gesichter, Gleisanlagen, Beschilderungen – dies alles evoziert die Vergangenheit, die sich solchermassen gegen eine Musealisierung sperrt und auf eine neue, beklemmende Weise lebendig wird. (Klappentext)

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen