27. März 2020

Stationen

Peter Meier: Stationen: Zytglogge, Bern,
1977
«Sein Leben war Arbeit», wir kennen den Abdankungssatz, eine Abdankung, die sowohl einen Einzelnen wie die Gesellschaft betrifft. «Sein Leben war Arbeit», das ist das grosse Lob, mit dem eine grosse Verlegenheit zugedeckt wird, ein nachträgliches Auf-die-Schulter und Auf-die-Leiche jener Klopfen, denen man in erster Linie die Arbeit überliess und die man daher mit zwingender Logik Arbeiter nennt. Als brauchbares Klischee ist dieses «Leben als Arbeit» aber nicht im luftleeren Raum entstanden, sondern unter bestimmten konkreten Bedingungen, auch wenn es im Sinne jedes Klischees liegt, gerade die Wirklichkeit zu vertuschen, die es aufzuzeigen behauptet. Welche Realität hinter einem solchen Klischee steht, was da an Hoffnungen und Nöten, an Erwartungen und Wandlungen gelebt wird, zeigt Peter Meier in seinem Buch «Stationen».

Der Tod des Vaters, eine Grundsituation persönlicher Erfahrung, dient als Ausgangspunkt einer reflektierenden Bilanz; autobiographisches Material wird in eindringenden und bedrängenden Szenen evoziert, aber die Erinnerungsstücke und Momentaufnahmen laufen nicht auf eine persönliche Bereinigung hinaus. Es wird eine Figur entworfen, die in ihrer Entwicklung vom links-orientierten Arbeiter zum Verteidiger der erkämpften Kleinbürgerlichkeit exemplarischen Charakter hat, genau wie auf der Gegenseite mit dem Sohn repräsentativ ein Intellektueller steht, der auch seine Art von Aufstieg gemacht hat.

Peter Meier, politischer Journalist und literarischer Redaktor, entwirft die Figur des Vaters in einer sachlich-zurücknehmenden Sprache, weder interpretierend noch stilisierend; nicht literarische Gestaltung steht im Vordergrund, sondern dargestellte Information. So wird dieser «Abschied vom Vater» ein Zeugnis menschlicher Möglichkeit, zu der ebenso Nähe wie Fremd-Sein gehören; das Buch entsprang einer zutiefst betroffenen Absicht, ohne voreiliges Verständnis verstehen zu wollen.
(Klappentext von Hugo Loetscher)

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