Jost auf der Maur: Die Schweiz unter Tag, Echtzeit, 2017 |
Moors Fazit: Jost auf der Maur entführt uns in die dunkle Seiten Helvetiens Berge und Hügel. Es ist eine Art Schweiz 2.0, die, was die meisten der militärischen Anlagen anbelangen, während Jahrzehnten der Geheimhaltung unterlag. Für Armee und Zivilschutz wurden – dem eidgenössischen Angstwahn sei es gedankt – zig Milliarden Steuerfranken buchstäblich verlocht. Das Buch zeigt schonungslos auf, welche absurden Verteidigungs- und Rettungszenarien die Strategen dem Kalten Krieg entgegenhielten. Vom Bundesratsbunker bei Amsteg ist da die Rede oder von den unglaublichen Festungsanlagen um Sargans. Und der Gipfel der Verpulverung öffentlicher Gelder: Die für 20.000 Menschen konzipierte Zivilschutzanlage im Sonnenberg bei Luzern. Atombomensicher und ausgerüstet mit allem Drum und Dran. Doch das Überlebens-Gadget war eine einzige Fehlplanung und scheiterte nur schon daran, «dass drei der vier atombombensicheren, 1,5 Meter starken und je 350 Tonnen schweren Tore sich nicht in nützlicher Frist schliessen liessen. Das vierte Tor versagte den Dienst ganz».
Jost auf der Maur hat für die Recherche zu diesem hervorragend geschriebenen Buch Tage in Stollen, Tunnels, Zivilschutzanlagen, Bunkern und Kavernen verbracht. Er berichtet von dem weit verzweigten Netz unterirdischer Kraftwerkanlagen an der Grimsel; erzählt, wie es zum längsten, nie benutzten Eisenbahntunnel der Schweiz gekommen ist, dem sogenannten Bedrettofenster mit einer beachtlichen Länge von über 5500 m; nimmt uns mit in einen Versuchsstollen im Seeztal oder katapultiert uns zurück ins 19. Jahrhundert, in die Barackendörfer an den Portalen des Gotthard- Eisenbahntunnels, des Grenchenberg- oder Hauenstein-Basistunnels.
Mich hat die Lektüre staunend und wütend zurückgelassen. Staunend, weil der Autor es in gekonnter Manier verstanden hat, einen repräsentativen Überblick über die Tiefen unserer Berge und Hügel zu geben. Wütend, weil mir einmal mehr bewusst geworden ist, wie unser Staat mit angeblichen Bedrohungen umgegangen ist und hierbei in erster Linie die Bauwirtschaft in einem ungeahnten Ausmass mit öffentlichen Geldern gefördert hat. Kommt hinzu, dass viele der militärischen und zivilschützerischen Anlagen, selbst auf eine kurze Dauer, wenig bis nichts getaugt hätten. Zur Rechenschaft für diese verschwendeten Milliarden ist nie jemand gezogen worden. Die Profiteure waren und sind, nebst der Bauwirtschaft, Firmen, die alte Bunkeranlagen zum Schnäppchenpreis gekauft haben und nun – fern jeglicher Justiz – Gold und andere Wertsachen von Menschen aus aller Welt (ob von Schurken, Banditen, Potentaten, Diktatoren, Drogenschiebern etc. sei dahingestellt) für gutes Geld und von jeglichen physikalischen Einflüssen garantiert sicher, lagern. Mit anderen Worten: Es ist durchaus möglich, dass der einst «böse Russe», vor dem man sich 50 Jahre lang gefürchtet und sich die ganze Reduit-Herrlichkeit etwas hat kosten lassen, dass dieser Russe nun sein Gold, oder was auch immer, in der Schweiz anonym, diskret und ... atombomensicher verwahren lässt.
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