7. März 2020

Kindergeschichten

Peter Bichsel: Kindergeschichten,
Luchterhand, Neuwied + Berlin, 1969
Die Geschichten, die Peter Bichsel hier vorlegt, sind Kindergeschichten. Sie beginnen mit Sätzen wie: «Erfinder ist ein Beruf, den man nicht lernen kann; deshalb ist er selten», oder: «Ich habe die Geschichte von einem Mann, der Geschichten erzählt», und: «Von Onkel Jodok weiss ich gar nichts, ausser dass er der Onkel des Grossvaters war.»

Sieben Kindergeschichten. Die Titel lauten: Die Erde ist rund. Ein Tisch ist ein Tisch. Amerika gibt es nicht. Der Erfinder. Der Mann mit dem Gedächtnis. Jodok lässt grüssen. Der Mann, der nichts mehr wissen wollte.


Das ist (nach «Eigentlich möchte Frau Blum den Milchmann kennenlernen» und «Die Jahreszeiten») Peter Bichsels drittes Buch. Es erzählt von dem Mann, der weiss, aber nicht glaubt, dass die Erde rund ist, und es ausprobieren muss; von den Leuten, die, um die Zeit zu erleben, Eisenbahn fahren; von dem Erfinder, der heute noch lebt und Ruhe braucht; es erzählt von dem König von Spanien, und von Amerika, und es macht uns bekannt mit dem Mann, der die Welt verändert, indem er die Dinge anders nennt, mit Onkel Jodok und mit dem Grossvater, der leider, leider kein Lügner war, sowie mit dem Mann, der dann doch Chinesisch konnte.

Sie sind wie die einfachsten Dinge, Peter Bichsels Kindergeschichten, selbstverständlich zu benutzen, zu lesen, leicht zu verstehen, in dem Masse vollkommen, als sie keine sichtbaren Spannungen aufweisen zwischen Angestrebtem und Eingelöstem, zwischen Sprachversuch und Sprachresultat.

Sie sind auch schwer wie die einfachsten Dinge, Bichsels sieben kleine  «Kindergeschichten», schwer, nicht preisgeben. Kindern gefallen sie. Für Kinder ist wirklich, was richtig erzählt wird. Und richtig erzählt sind Bichsels Kindergeschichten: Das spüren auch Erwachsene. Richtig erzählt: Das gilt für alle sieben Erzählungen, und – es mag übertrieben tönen – das gilt gleichermassen von jeder kleinsten Beschreibung in jeder Erzählung. Der Leser möge nachprüfen: Was liesse sich verrücken, ändern, in andere Bahnen leiten, mit mehr oder weniger Nachdruck behandeln, ohne dass einzelne Geschichten aus dem Gleichgewicht gerieten? In Lesebüchern sollen Kinder Deutsch lernen, sollen Kinder lernen, was Sprache ist, anhand der einfachsten Dinge, sollen Kinder lernen, wie schwer, wie tief, wie reich Sprache ist, anhand der einfachsten Dinge. Hier wäre ein solches Lesebuch. Man könnte es von der ersten Klasse an brauchen.
(Christoph Kuhn im Tages Anzeiger, Zürich)

Selten gibt es in neuerer Prosa etwas, das so subtil, kritisch-modern und human in einem ist.
(Dieter Lattmann im Bayerischen Rundfunk)

Sieben Geschichten für Kinder und Erwachsene, von jener Simplizität, die der doppelte Boden braucht, ... die beiden besten («Ein Tisch ist ein Tisch» und «Jodok lässt grüssen») bis in das letzte Zeichen hinein vollkommen in ihrer Balance von Wort, Geschichte, Sinn, und insgesamt das beste, was Peter Bichsel bisher geschrieben hat.
(Petra Kipphoff in Die Zeit)

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen