6. August 2014

22

Schweissgebadet wachte ich auf. Noch immer klatschte der Regen aufs Zelt. In der Nachbarschaft schnarchte jemand unverschämt laut. Die Uhr zeigte halb vier. Meine Blase trieb mich auf die Toilette, wo ein junges Pärchen herumschmuste. Als ich mich entschuldigend an den beiden vorbei in den Eingang drückte, hielten sie inne und blickten verlegen zu Boden.
   Um sieben piepste die Armbanduhr. Der Regen hatte aufgehört. Auf dem Weg zum ehemaligen Bahnhof kaufte ich in einer Boulangerie zwei Baguettes, die ich aussen am Rucksack befestigte. Das Gehen auf dem Bahnschotter bereitete mir anfänglich etwas Mühe, dafür musste ich mir bis morgen Abend keine Gedanken über die Wegfindung machen. Die aufgehobene Bahnlinie war das Ziel.
    Die Strecke führte vorerst an einem erst kürzlich errichteten Einfamilienhausviertel vorbei und beschrieb hernach einen weiten, dem Gelände angepassten Bogen. Es folgte ein längerer, schnurgerader Abschnitt durch kultiviertes Land. Weil ich keine Verankerungen für Strommasten erkennen konnte, nahm ich an, dass den Zügen einst Diesellokomotiven vorgespannt waren. Ab und zu ragten Telegrafenmaste in bedrohlicher Schieflage aus dem Boden. Und immer wieder ging ich durch ein seitlich begrenztes Meer von Weidenröschen.

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