29. Februar 2020

Das Versprechen

Friedrich Dürrenmatt: Das Versprechen,
dtv, München, 1978
Eigentlich sollte sich Kriminalkommissär Matthäi, der auf der Höhe seiner Karriere angelangt ist, zum Flug nach Jordanien fertigmachen, um dort ein ehrenvolles Amt zu übernehmen. Da erreicht ihn ein Anruf aus Mägendorf, einem kleinen Ort in der Nähe von Zürich: Ein ihm bekannter Hausierer teilt ihm mit, er habe im Wald die Leiche eines Mädchens, von einem bislang unbekannten Verbrecher grausam verstümmelt, gefunden. Matthäis Abflug ist in drei Tagen fällig, doch er fährt nach Mägendorf und verspricht den Eltern des Kindes «bei seiner Seligkeit» nicht zu rasten, bis er den Täter entlarvt hat. (Inhaltsangabe im Buch)

GR: Bündner Herrschaft, Chur ZH: Stadt Zürich, Region nördlich der Stadt Zürich

28. Februar 2020

Wenn die Sonne nicht wiederkäme

Charles Ferdinand Ramuz: Wenn die
Sonne nicht wiederkäme, Unionsverlag,
Zürich, 1939 (dt. Erstveröffentlichung)
Der alte Anzévui, Kräuterkundiger und Weiser, sagt aus alten Büchern auf den 13. April ihren endgültigen Untergang voraus. Schon in normalen Jahren gelangt während sechs Wintermonaten kein Sonnenstrahl ins Dorf, das hoch über dem Rhonetal an der Nordseite hängt. Und dieses Jahr scheint alles dem Kräuterweisen recht zu geben: Tag und Nacht hängt eine undurchdringliche Nebelwolke über dem Felskessel. Das Tageslicht scheint verschwunden. Die Dorfleute geraten unter den düsteren Weissagungen in Todesangst und Weltuntergangsstimmung. Jeder bereitet sich auf seine Weise auf die letzten Tage vor. Nur einige Junge haben die Lebenskraft, der Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit zu widerstehen. (Klappentext)

27. Februar 2020

Des Schrittlers Buchantiquariat

Kleine Auswahl aus dem Belletristik-Regal. Foto anklicken zum Vergrössern.















Ab sofort gibt es auf einer gesonderten Seite dieses Blogs ein kleines aber feines Antiquariat mit gebrauchten Büchern zu moderaten Preisen. Bei allen Titeln handelt es sich um sorgfältig ausgelesene Bände gutem bis sehr gutem Zustand. Die Bücher stammen allesamt aus der Bibliothek des Schrittlers. Das aktuelle Angebot enthält Werke aus folgenden Sparten:
  • Belletristik
  • Kriminalromane
  • Lebensgeschichten 
  • Wanderliteratur
  • Berner Mundartliteratur
  • Diverses
Der publizierte Bestand wird laufend ergänzt bzw. im Falle von Verkäufen reduziert. Ein Besuch der Seite lohnt sich daher immer wieder. Hier geht's zur virtuellen Bücherstube.

Die besten Pater-Brown-Geschichten

Gilbert Keith Chesterton: Die besten Pater-
Brown-Geschichten, Reclam, Stuttgart,
1993
Pater Brown, ein unscheinbarer und nach aussen naiv wirkender Priester, kann durch seine geniale Kombinationsgabe in all den erzählten Geschichten zur Lösung von Verbrechensfällen führen. Er betrachtet dabei die Motive aller Beteiligten und kommt so zu einem Ergebnis. Ihm ist weniger die kriminalistische Seite wichtig, sondern viel mehr das Seelenheil der Menschen.

Die Pater-Brown-Geschichten folgen direkt auf den Pfaden der Sherlock Holmes-Geschichten von Doyle. Hier jedoch kommt die Hauptfigur nicht durch Spurenanalyse, sondern vielmehr durch psychologisches Einfühlungsvermögen auf den/die Täter. Das Prinzip ist bei allen Geschichten sehr ähnlich: Pater Brown kommt zufällig an den Verbrechensort – alle Beteiligten erzählen die Situation aus ihrer Sicht – der Pater hat nach kurzem Nachdenken sofort die Lösung parat. Der Leser wird nicht an diesen Gedanken beteiligt, sondern am Ende wird eine überraschende Lösung präsentiert.

26. Februar 2020

Tage in Caldaro

Adrian Bänninger: Tage in Caldaro,
Zytglogge, Bern, 1983
«Irgendetwas muss geschehen, damit es dich befreit, damit du dich veränderst und wieder zurück ins Leben findest.» Ein Mann und eine Frau ziehen sich mit ihrem Kind vorübergehend zurück in ein Haus, weit weg von aller Zivilisation, «um sich selbst und der Welt zu beweisen, dass ihr Leben noch immer voller Möglichkeiten war».

Doch was als Erholungsurlaub beginnt, wird zum Alptraum: Bewaffnete Unbekannte – «… es war nicht irgendeine Bande von Verbrechern, sie mussten andere Ziele haben, überzeugendere, dies gab ihnen diese Ruhe und Überlegenheit …» – umstellen das Haus. Der Druck der äusseren Ereignissse legt schonungslos und befreiend die Wurzeln einer Beziehung bloss, eine Liebesgeschichte, die in den Mauern von Verpflichtung, Erwartung und Gesellschaft steckengeblieben war: «Was hat uns eigentlich dazu getrieben, uns der Mutlosigkeit und der Bequemlichkeit auszuliefern und dabei uns selbst zu verlieren – und sie alle, die Menschen, die uns umgeben haben, was hat sie dazu getrieben?»

Doch der Verlust an Ordnung und Sicherheit führt vielleicht zu einem neuen Anfang, «… wir werden die Voraussetzungen ändern, wir werden andere Ziele haben und uns nicht länger wegdrängen lassen vor uns und unserem eigenen Leben …» (Klappentext)

25. Februar 2020

Die nackte Ordnung

Bruno Heinzer: Die nackte Ordnung,
Nautilus/Moderne, Zürich/Hamburg,
1990
Hauptfigur des Romans ist ein gewisser Henrich, der bei der Passkontrolle am Flughafen herausgepflückt und von der Polizei kurzerhand in Untersuchungshaft gesteckt wird. Das Gefängnis, in dem er sich wiederfindet, ist eine Kloake, ein infernalischer Pfuhl. Und die Leute, mit denen Heinrich es hier zu tun hat, scheinen – ob Mitgefangene oder ausführende Organe der Knastordnung – zu allem fähig. Der einzige Kontakt zur Aussenwelt läuft über den Alkoholiker Max, ausser dem sich offenbar niemand aus Heinrichs Bekanntenkreis vorstellen kann, was es bedeutet, dort gefangen zu sein.

Die vielschichtige Sprache des Autors verhindert jeden romantisierenden Blick. Ohne jegliche sentimentale Glättung tritt die bedrückende Atmosphäre des Gefängnisses hervor: Ein Ort des nackten Schreckens, der Menschen auf ihr blosses Überleben reduziert und so eine Zwangsgemeinschaft entstehen lässt, in der Misstrauen, Brutalität und Isolation herrschen.

Dieses Treibhausklima aus Angst und Gewalttätigkeit ist, neben der existentiellen Bedrohung des Einzelnen, das der herrschenden Ordnung in ihrer rohen Konstitution. Bruno Heinzer hat dies zu einem konsequent harten Roman verarbeitet, dessen authentische Bilder unmissverständlich seine Absichten verdeutlichen: Die Zustände dürfen nicht so bleiben wie sie sind. (Klappentext)

Bruno Heinzer, 1955 in Zürich geboren, hat bislang an über vierzig Orten im In- und Ausland gelebt und wohnt heute in Arth (das leider nicht am Meer liegt). Er arbeitete als Journalist und Fotograf, war lange bei Greenpeace tätig. Heinzer mag Katzen, Kühe, Karten und Spiele. Er kocht gern, vor allem selber erbeutete Fische und Pilze, Japanisches und Italienisches.


24. Februar 2020

Die Seuche

Lukas Hartmann: Die Seuche, Fischer,
Frankfurt/Main, 1997
Es ist das Jahr 1343. In einem kleinen Haus in Rüeggisberg lebt Hanna zusammen mit ihrer Grossmutter, der kräuterkundigen Hedwig. Hannas Bruder Mathis ist als Novize ins örtliche Kloster eingetreten. Durch fremde Pilger verbreitet sich eines Tages die Pest im Dorf. Einzelne Familien fliehen, bevor das grosse Sterben beginnt. Nach Hedwigs Tod befolgen Hanna und ihr Bruder den letzten Willen der Grossmutter und verlassen das Dorf. In einem Wald treffen sie auf einen Kürschner aus der Stadt Bern, der mit seiner Familie vor der Seuche geflohen ist und sich im Wald eine Hütte gebaut hat. Er nimmt Hanna und Mathis bei sich auf. Als sich bei einem der Söhne die ersten Anzeichen der Krankheit bemerkbar machen, werden die Geschwister wieder verjagt.

Die beiden jungen Menschen treffen auf eine Prozession von Büssern. Mathis besteht darauf, sich dem Geisslerzug nach Bern anzuschliessen. Widerwillig folgt Hanna ihrem Bruder. Die Wächter vor den Toren der Stadt weigern sich, die Büsser einzulassen. Diese dringen trotzdem ein und machen sich auf zur Judengasse, um die angeblichen Verursacher der Pest zu bestrafen. Mit blindem Hass jagen die Geissler die Juden an die Aare und setzen sie in brennende Boote. Als die städtischen Wachen kommen, kann sich Hanna im allgemeinen Durcheinander am Aareufer verstecken.


Ein Fischer findet die junge Frau und nimmt sie bei sich auf. Hanna arbeitet hart und betreut einen Stand auf dem Fischmarkt. Dort beobachtet sie regelmässig ein kleines Mädchen, das an der Hand einer Magd den Markt besucht. Die bereits abgeklungene Pest breitet sich plötzlich wieder aus. Die Augen des kleinen Mädchens lassen Hanna keine Ruhe. Als sie den Namen der Familie des Kindes ausfindig gemacht hat, verlässt sie den Fischer und geht zu nämlichem Haus des Herrn von Gysenstein. Nachdem sie auf die Frage der Magd bestätigt hat, etwas von der Heilkunde zu verstehen, wird sie eingelassen. Das kleine Mädchen heisst Hildi und weicht keinen Schritt von Hannas Seite. Hanna versucht, alles Wissen, das sie von der Grossmutter gelernt hat, anzuwenden, aber die Seuche ist stärker, und Frau von Gysenstein, deren Sohn und die Magd sterben. Der Vater stürzt sich im Wahn und Schmerz von einer Mauer, und Hanna und Hildi sind am Schluss allein in einem wegen der Pestfälle abgeriegelten Haus.


Eingeschoben in die Handlung sind kurze Texte, die den Bezug zur Gegenwart herstellen. Eindringlich wiederholen sich diese kurzen Szenen über Sam Ssenyonja, der in Uganda an Aids gestorben ist, oder über die HIV-positive Fixerin Wanda oder den ebenfalls HIV-positiven Bluter Klaus.
(Inhaltsangabe zum Buch)

BE: Rüeggisberg, Belp, Stadt Bern

23. Februar 2020

Heisse Himmel im September

Beta Steinegger: Heisse Himmel im
September, Zytglogge, Bern, 1984
1970 wurden eine DC-8 der Swissair und zwei Flugzeuge der TWA und der BOAC von palästinensichen Hijackern auf den Wüstenflughafen Zarqa in Jordanien entführt. Passagiere und Besatzungsen wurden dort eine Woche lang als Geiseln festgehalten. Dieser spektakuläre Gewaltakt, der – als die Verhandlungen in eine Sackgasse gerieten – in der Sprengung der drei Flugzeuge gipfelte, hielt die ganze Welt in Atem.

Beta Steinegger, Swissair-Hostess auf diesem dramatischen Flug ins Ungewisse, schrieb ein Buch darüber. Es ist ein ernstes, über das Vordergründige hinaus äusserst nachdenklich stimmendes Buch, ohne  Pathos und zugleich packend geschrieben. Ein Tagebuch, das geradezu banal beginnt und sich dann – angereichert durch Hintergrundinformationen – im Laufe der dramatischen Ereignisse zu einem akuraten Beschrieb der Ereignisse verdichtet. Es ist die Schilderung eines menschlichen Dramas, wie es aus der Sicht eines Besatzungsmitgliedes persönlich erlebt wurde.

Was die Autorin in ihrem Buch vor allem einzufangen sucht, ist das, was in diesen Tagen körperlichen und psychischen Terrors in den Menschen vorgeht, bei dieser Gruppe, die völlig zufällig zu einer Schicksalsgemeinschaft geworden ist. Wie sich, unter Angst und äusserstem Stress, das Verhalten der Menschen verändert. Eindrücklich ist in ihrem Buch vor allem, mit wieviel Sensibilität sie die Ursachen dieses Terrorismus aufzuspüren und – ohne ihn zu billigen – zu verstehen sucht. Die beklemmende Frage über die Zukunft der Palästinenser bleibt am Schluss des Buches – 20 Jahre nach diesem Ereignis – als zeitlose Anklage. (Urs von Schröder in den Swissair-News und als Klappentext)

Filmdokumente vom Schweizer Fernsehen:
Jahre später in der Presse:

Die Recherche über diesen Erlebnisbericht brachte zudem eine bemerkenswerte, leicht verstörend wirkende Rezension ans Tageslicht:

Na ja, eine munter erzählte Geschichte einer Flugzeugentführung, die selbst miterlebt wurde, lässt sich offenbar leicht aufblasen. Von einer jungen Frau geschrieben, lässt sie sich vielleicht sogar gut verkaufen. Allerdings bin ich heute nicht mehr in der Lage,
sämtliche Geschichten in den Himmel zu preisen, nur weil sie zufällig von einer Frau geschrieben worden sind. Erlebnisberichte in der Art dieses Romans einer Flugzeugentführung dürften massenhaft zu finden sein. Gegen den Kauf des Buches konkret spricht nichts, so frau gerade für eine lesefreudige Gotte eine muntere Bettlektüre sucht. Ein munter geschriebenes Buch über etwas was die Gemüter vor einigen Jahren noch erhitzte, in angenehmer Grösse gedruckt, eignet sich allemal noch für weihnachtliche Verlegenheitsgeschenke.
(Aus: Emanzipation – feministische Zeitschrift für kritische Frauen, Heft 10, 1984)

22. Februar 2020

Der andere Niklaus Meienberg

Aline Graf: Der andere Niklaus Meienberg,
Weltwoche ABC, Zürich, 1998
Wer war Niklaus Meienberg wirklich? – Die Autorin hat in Momentaufnahmen ihrer Begegnungen in der Zeitspanne zwischen 1984 und 1993 mit dem wortgewaltigen Journalisten und Schriftsteller festgehalten.

Ihr anfangs harmloses Zusammentreffen im Nachtzug nach Paris stellt sich bald als eine nicht mehr ganz so einfach auflösbare Verkettung heraus. Die zahllosen Zwiegespräche finden jeweils in tagebuchartigen Aufzeichnungen ihren Niederschlag. Leidenschaftliche – mitunter auch zornige und schonungslose – Passagen wechseln ab mit einfühlsamer und begeisterter Anteilnahme. Jeder Abschied impliziert bereits das nächste Rendezvous mit dem «unbequemen und rastlosen Bären». – Dabei klammert Aline Graf das aktuelle Zeitgeschehen keineswegs aus, das besonders von 1989 an entscheidende Veränderungen in der Weltpolitik signalisiert. Und nicht zuletzt ist dieses Buch ein ungewöhnlich lebendiges Zeugnis, indem es die flüchtige Ambivalenz der zweiten Hälfte unseres Jahrhunderts spiegelt. (Klappentext)

21. Februar 2020

Matto regiert

Friedrich Glauser: Matto regiert, Diogenes,
Zürich, 1989, (das Original erschien 1936)
Eine Irrenanstalt im Kanton Bern in den zwanziger Jahren: Der Direktor ist verschwunden, der Patient Pieterlen, ein Kindsmörder, ausgebrochen. Wachtmeister Studer blickt hinter die Kulissen psychiatrischer Theorien und Therapien. Er versucht nicht nur, einem Verbrecher auf die Spur zu kommen, sondern tritt auch eine Reise in die Grenzregionen von Vernunft und Irrationalität an, die keineswegs immer so klar voneinander zu trennen sind – Matto, der Geist des Wahnsinns, regiert überall und spinnt seine silbernen Fäden …

BE: Psychiatrische Klinik Münsingen

20. Februar 2020

Es fängt damit an, dass am Ende der Punkt fehlt

Margrit + Emil Waas: Es fängt damit an,
dass am Ende der Punkt fehlt, dtv,
München, 1973
Natürlich könnte man anhand dieser unfreiwillig komischen Verlautbarungen eine sprachkritische Studie, eine Stilkunde mit negativen Beispielen schreiben. Aber das hiesse denn doch, den Spass an diesen herrlichen Stilblüten unnötig einzuschränken. Sie sprechen ohnehin für sich. Aus einer Fülle von amtlichen Schreiben, aus Polizeiberichten, Schulaufsätzen, privaten Briefen und Leserzuschriften haben die Herausgeber in jahrelanger Sammlerarbeit die lustigsten sprachlichen und gedanklichen Kurzschlüsse herausgesucht. Eine Pointe ist schöner als die andere. Hier nur ein Beispiel: «Ich bitte das turmhohe Gericht, mir meinen Mann auf dem Gnadenwege zu erlassen. Er ist mein einziger Mann.» Karl Valentin lässt grüssen. (Inhaltsangabe im Buch)

19. Februar 2020

Bergfieber

Susanne Reusser: Bergfieber, Schweizer Agrarmedien,
Bern, 2003
Eine Frau im «Bergfieber»: Was der Alpsommer alle Jahre für die Bäuerin Susanne Reusser aus Eriz bedeutet, beschreibt sie in ihren Alptagebüchern auf eindrückliche Weise. Einfühlsam und scharf beobachtend gibt sie ihren Alltag auf der Alp wieder, macht überraschende Entdeckungen in der Natur, berichtet von Begegnungen aller Art. Ihre Tagebuchnotizen zeugen von der Hingabe an das geschriebene Wort, ihre stilvollen Fotografien von der tiefen Beziehung zu ihrer Umgebung. (Klappentext)

18. Februar 2020

Das Blütenstaubzimmer

Zoë Jenny: Das Blütenstaubzimmer, btb,
München, 1999, (Original erschien 1997)
Jo, die Protagonistin des Romans, hat gerade ihr Abitur gemacht. Kurz entschlossen entscheidet sie sich zu ihrer Mutter in das südliche Land zu reisen, in dem sie mit ihrem neuen Mann lebt. 12 Jahre haben sie sich nicht gesehen, die Annäherung erweist sich als schwierig. Ganze zwei Jahre, viel länger als sie geplant hatte, bleibt Jo schliesslich in dem Haus von Alois, dem schwermütigen Maler. Als dieser bei einem Autounfall stirbt und ihre Mutter sich im Blütenstaubzimmer einschliesst, so, als wolle sie sich lebendig begraben, ist es Jo, die sie retten kann. Doch zu grösserer Nähe kommt es nicht. Desillusioniert und abgestossen von den Lebenslügen der Erwachsenen vollzieht Jo Schritt für Schritt die Trennung. Wie eine Schlangenhaut wirft sie die Welt ihrer Kindheit ab. (Inhaltsangabe im Buch)

17. Februar 2020

Opa will zum Nordkap

Heike Denzau: Opa will zum Nordkap, Knaur,
München, 2016
Einmal das Nordkap sehen, das ist Opa Fridos Herzenswunsch. Um ihm den zu erfüllen, hat die junge Esther ihren leicht dementen Grossvater kurzerhand aus dem Pflegeheim entführt. Unterwegs werden die beiden von Audrey und ihrem Bruder aufgelesen, die auf dem Weg nach Nordfriesland sind, um eine ganz eigene Mission zu erfüllen. Audrey nimmt sich Fridos an und gibt ihn als ihren eigenen Opa aus – was sich in seinen lichten Momenten als nicht ganz einfach herausstellt. Auf ihrer gemeinsamen Odyssee quer durch Nordfriesland landet das Quartett mehr als einmal im Chaos, bevor sich jeder seinen Herzenswunsch erfüllen kann. (Klappentext)

D: Autofahrt Frankfurt–Nordfriesland, Dagebüll (Hauptschauplatz), Fährfahrt Dagebüll–Wyk (Föhr), Wyk, Friedrichstadt, Ockholm, St. Peter-Ording Bad, Seehundstation Friedrichskoog, Schlüttsiel, Hallig Hooge, Göttingen

Moors Fazit: Ein als Trivial-Komödie von mässiger Qualität getarnter Roman, bei dem das Nordkap vor allem als reisserischer Buchtitel hinhalten darf. Die Schreibe geht zurück in die Bücherbörse.

16. Februar 2020

Erlebnisse ... als Lokomotivführer

A. Donatsch: Erlebnisse, Ferrovialit-Verlag,
Chur, 1984
Als der Autor mit dem Manuskript an mich gelangte, war ich zwar begeistert, hatte aber doch gewisse Bedenken, das umfangreiche Angebot an Eisenbahnliteratur um einen weiteren Titel zu bereichern.

Diese Bedenken verflogen jedoch bald, denn in dieser Schrift werden Erlebnisse beschrieben, die es bestimmt verdienen, einem breiten Publikum zugänglich gemacht zu werden. Der Autor gehört zu jenen Eisenbahnern, die sowohl das Dampf- als auch das Elektronikzeitalter auf dem Führerstand erlebten, welche eine Brücke schlugen zwischen der Vergangenheit und der Bahn der Zukunft.

Dazu kommt, dass eine Alpenbahn – und ganz besonder die RhB – heute wie damals den Reisenden unvergessliche Erlebnisse vermittel; dies ist sicher mit ein Grund, weshalb so viele Bahnfreunde immer wieder ihr reges Interesse bekunden.

Wenn nun der Leser versucht, sich gedanktlich in jene Zeit zu versetzen, in welcher der Autor seinen Bubentraum Wirklichkeit werden liess, dann wird er eine noch engere Beziehung zur Bahn Graubündens, zur RhB, bekommen. Und nun «Bitte einsteigen!» – Lokführer Donatsch wartet auf den Abfahrtsbefehl. (Vorwort des Verlegers)

15. Februar 2020

Grenzbegehung mit Frau Haller

Gret Haller: Grenzbegung, Zytglogge, Bern,
1983
«Und da ist plötzlich die Idee, mich von einem Ort zum andern, der Schweizergrenze entlang, zu bewegen. Die Schweiz umfahren? Aussenherum?» Ferien einmal anders, nach Gret Hallers Art: Sich bewegen, eine Struktur durchbrechen, haltmachen, nahe der Grenze oder weiter entfernt.

Die Autorin umkreist die Schweiz, im Wissen und in der Sorge, dass das Gleichgewicht zwischen Bewegung und Struktur verlorengegangen ist. Die Strukturen haben sich verselbständigt und bieten keinen Halt mehr für das Bewegte. Die Grenzen sind gezogen, das Prinzip der Patriarchen hat abgegrenzt, abgespaltet, aufgeteilt und eingeteilt. Gret Haller wäre nicht die engagierte Politikerin, resignierte sie vor diesem «P-Prinzip» und machte sie dagegen nicht Kräfte frei. (Klappentext)

Moors Fazit: Ich habe das Buch (vor Jahren) gelesen. Mehr nicht.

14. Februar 2020

Fanpost aus Japan

Adolf Flury: Alle meine Passagiere,
Terra Grischuna, Chur, 1994
Während vierzig Jahren Dienstzeit bei der Rhätischen Bahn ist Adolf Flury schon fast eine Legende geworden. Der beliebte Zugführer – Fanpost kommt sogar aus Japan – hat manches Episödchen mit seinen Passagieren erlebt – und sie mit ihm. Da ist zum Beispiel ein lange gesuchter Verbrecher, der nichtsahnend im Abteil sitzt. Oder jener unbequeme Dauergast, der in einer kalten Nacht eine Lektion erteilt bekommt.

Adolf Flury erzählt diese Geschichten freimütig und ungeschminkt, so wie er sie in Erinnerung hat. 1925 in Trun geboren, fand er über Umwege eine Stelle als Zugführer. Seine spontane Art und seine liebenswürdige Erzählkunst waren bald auch bei Reiseleitungen und beim Radio gefragt. Daneben betätigte sich Adolf Flury bei etwa zwei Dutzend weiteren Aufgaben. Sein grösstes Hobby ist jedoch die Bienenzucht. Er ist als kantonaler Bienenkommissär tätig. Adolf Flury ist in Diesentis im Bündner Oberland wohnhaft. (Klappentext)

13. Februar 2020

Die Tote in Brüggers Dorf

Ueli Schmid: Die Tote in Brüggers Dorf,
Edition Hans Erpf, Bern, 2000
Adjutant Brügger von der Berner Kripo, Abteilung «Leib und Leben», wird in sein Heimatdorf im Berner Oberland gerufen. Eine Krankenschwester ist im dortigen Spital auf mysteriöse Art ums Leben gekommen. Der behandelnde Nachtarzt, mit dem die Tote bis kurz zuvor ein Verhältnis hatte, ist verschwunden und der Fall scheint klar zu sein. Misstrauisch geworden durch allerlei Aussagen und Ungereimtheiten, beginnt Brügger verbissen zu recherchieren und stösst auf eine verworrene Geschichte … (Klappentext)

BE: Frutigen, Stadt Bern

12. Februar 2020

Bäremutz

Erwin Heimann, Bäremutz, Francke,
Bern, 1972
I weiss bigoscht nümm, um was es do i däne Mundartgschichte vom Erwin Heimann geit. Das Büechli isch 1972 usecho u het am 31. Ougschte 2015 Ygang i mini Bibliothek gfunge. Damit jetzt aber doch noch e chlei öppis überen Inhaut gschriben isch, hie ds Inhautsverzeichnis:

Bäremutz
Meissner Porzellan
Ygsperrt
Der Püntel
En anderi Wält
Die einzigi Müglichkeit
Der Paragraph

11. Februar 2020

Von der Dampfromantik zum «Swiss-Express»

Hans Arnold: Von der Dampfromantik
zum «Swiss-Express», Calanda Verlag,
Chur, 1989
«Lokomotive» – das ist für viele Menschen ein Reizwort, ob sie nun an die optisch und akustisch eindrucksvolle Dampflokomotive denken, an die unauffälligere, aber leistungsstarke Elektrolokomotive oder ganz allgemein an die «Lokomotive» als Mittel, das Wesentliches in Bewegung zu setzen vermag.

Hans Arnold ist diesem Reiz in ganz besonderem Mass erlegen: Er wählte den Beruf des Lokomotivführers, verbrachte – wie man so sagt – sein Leben auf dem Führerstand und hat seine Erlebnisse in diesem Buch ungeschminkt zusammengefasst. Wer immer unter den jungen Lesern hier an einen Traumberuf denkt, wird erfahren, dass man auf der Maschine nicht träumen darf, dass die Verantwortung schwer wiegt und man auf viele Annehmlichkeiten des normalen Berufslebens verzichten muss.

Aber trotz Sonntags- und Nachtdienst, trotz der Einsamkeit am Arbeitsplatz und der erschwerten Kontakte mit Familie und Freunden übt dieser Beruf nach wie vor eine starke Faszination aus. Dieser Lebensbericht veranschaulicht dies eindrucksvoll. Hinzu kommt, dass dieser Beruf im Dienste des Mitmenschen auch aktiven Umweltschutz bedeutet und somit an Wertschätzung gewinnt. (Walter Trüb im Vorwort)

10. Februar 2020

Die Einsamkeit des Langstreckenläufers

Alan Sillitoe: Die Einsamkeit des
Langstreckenläufers,
Diogenes, Zürich,
1967
Sein erster Roman, «Samstagnacht und Sonntagmorgen», stellte Alan Sillitoe 1958 an die Spitze einer neuen, engagierten Schriftstellergeneration. «Die Einsamkeit des Langstreckenläufers», seine erste grosse Erzählung, wurde durch die Filmversion von Tony Richardson mit Tom Courtenay in der Hauptrolle weltbekannt. Das Buch, 1967 zum ersten Mal auf deutsch erschienen, prägte viele Leser – darunter auch Joschka Fischer, für den «Die Einsamkeit des Langstreckenläufers», wie es in einem Filmportrait von 2004 heisst, «ein Motor wesentlicher Selbsterkenntnisse war. Ein Kultbuch bis heute.» Er selbst sagt dazu: «‹Die Einsamkeit des Langstreckenläufers› ist so wie ‹Die Angst des Romanns beim Elfmeter› ein Satz, der einen festhält.» Heute ist aus dem Meilenstein der Protestliteratur längst ein moderner Klassiker geworden. (Klapentext)

9. Februar 2020

Expedition Antarctica

Evelyne Binsack: Expedition Antarctica,
Wörterseh, Gockhausen, 2008
«Lieber bei der Verwirklichung eines Traums sterben als kurz vor dessen Verwirklichung scheitern», das schrieb Evelyne Binsack am 23. Dezember 2007 in ihr Tagebuch, setzte den Stift ab und kurz darauf nochmals an: «Es ist», schrieb sie weiter, «als übernähme eine andere Kraft das Zepter.» Kurz vor ihrem großen Ziel fühlte sich Evelyne Binsack am Ende ihrer Kräfte. Die letzten tausend Kilometer zu Fuss durch die Kälte und die Stürme der Antarktis setzten ihr zu. Dass sie am eisig kalten Ende der Welt ankam, verdankte sie vor allem ihren mentalen Kräften. Aber auch ihrer Flexibilität, Ausdauer und Demut.

484 Tage zuvor war sie gestartet. Im Berner Oberland. Mit dem Fahrrad. Die 27.000 Kilometer lange Strecke bis zum Südpol führte sie durch sechzehn Länder, durch Europa, Nordamerika, Südamerika und die Antarktis. Auf dem Fahrrad bis zum Südzipfel Südamerikas begegnete sie der atemberaubenden Schönheit unserer Erde mit all ihren Launen, musste aber auch mit Dieben und aggressiven Hunden fertig werden. Nicht lange, da machte sie grosse Bögen ums Dickicht der Städte und übernachtete in Verstecken. Sie lernte, auf ihre Instinkte zu achten, und fand in der Wildnis eine Heimat.

Markus Maeder hat die Tagebuchaufzeichnungen und die angeregten Gespräche mit Evelyne Binsack zu einem Buch zusammengefügt, das uns mit der Tatsache konfrontiert, dass unser Wille eine Kraft ist, die wir viel zu oft unterschätzen. Ein Buch, das aufzeigt, wie der Glaube an uns selbst und die Machbarkeit der Dinge Berge versetzen kann.
(Website des Verlags)

8. Februar 2020

Heimisbach

Simon Gfeller: Heimisbach, Francke,
Bern, 1955
In seinem Roman Heimisbach beschreibt Simon Gfeller die Landschaft im südlichen Teil von Trachselwald so exakt, dass sich unschwer erkennen lässt, dass es sich um die die Landschaft Dürrgraben handelt. Am hundertsten Geburtstag des Dichters, 25 Jahre nach seinem Tod, änderte die Talschaft Dürrgraben deshalb ihren Namen offiziell in Heimisbach, um den beliebten und bekannten Dichter zu ehren.

Wie sein Vorbild, der ebenfalls in Lützelflüh wirkende Jeremias Gotthelf, beschrieb Gfeller in seinen Büchern das bäuerliche Leben detailreich und realistisch, jedoch ohne die grossen epischen Züge Gotthelfs, und mit wesentlich weniger moralisch-theologischen Exkursen. Dies dürfte mit ein Grund sein, dass Gfeller bereits zu Lebzeiten im Emmental wesentlich beliebter wurde als Gotthelf.

Neben dem in stadtbernischem Dialekt schreibenden Rudolf von Tavel wurde Gfeller zu einem der erfolgreichsten Mundartschriftsteller der Schweiz. Seine Werke werden immer wieder neu aufgelegt und sind in der Schweiz zu eigentlichen Longsellern geworden.

Geboren wurde Simon Gfeller im «Zuguet», einem Einzelhof, der zu der Berner Gemeinde Trachselwald gehörte. Er wuchs in einfachen bäuerlichen Verhältnissen auf. Im Schulhaus Thal im Dürrgraben, einem Tal von Trachselwald, besuchte er neun Jahre lang die Primarschule.

Ab 1884 absolvierte er die Ausbildung zum Lehrer am Seminar Hofwil bei Münchenbuchsee. 1887 begann er als Lehrer im Dorf Grünenmatt zu unterrichten. 1893 heiratete er Meta Gehrig, ebenfalls Lehrerin; ihnen wurden zwei Töchter und ein Sohn geschenkt. 1896 wechselten er und seine Frau in die kleine Schule auf der Egg in Lützelflüh. Mehr als dreissig Jahre wirkte er dort als Lehrer. 1902 nahm er den Pfarrer und Schriftsteller Emanuel Friedli vorübergehend in seinem Haus auf und half diesem beim Verfassen seines ersten Berner-Mundart-Bandes «Lützelflüh». Die beiden wurden enge Freunde.

1910 erschien Gfellers erstes Buch «Heimisbach», ein Roman aus dem bäuerlichen Leben, in dem er unter anderem entschieden gegen die Trunksucht eintrat. Das Buch wurde ein grosser Erfolg. Es war der erste Roman im Emmentaler Dialekt. 1914 veröffentlichte er sein erstes schriftdeutsches Buch, die Geschichten aus dem Emmental. 1929 liess sich Gfeller pensionieren, um mehr Zeit zum Schreiben zu haben, und zog in ein neuerstelltes Haus an der Grabenhalde unterhalb des Schulhauses Egg.

1934 verlieh ihm die Universität Bern die Ehrendoktorwürde. Nach seinem Tod am 8. Januar 1943 wurde er neben den Gräbern von Jeremias Gotthelf und Emanuel Friedli an der Sonnenseite der Kirche von Lützelflüh beerdigt.

Die Simon-Gfeller-Stiftung betreut den Nachlass und führt das Dichtermuseum (die Simon-Gfeller-Gedenkstube) im alten Schulhaus Thal in Heimisbach.