30. November 2019

Lob der guten Buchhandlung

Mark Forsyth: Lob der guten Buchhandlung,
S. Fischer, Frankfurt/Main, 2015
Was gibt es Schöneres, als unverhofft auf die grosse Liebe zu stossen? Oder auf ungeahnte Lesefreuden?

Über das grosse Glück, das zu finden, wonach man nicht gesucht hat, schreibt Mark Forsyth in seinem charmanten und witzigen Essay, der zugleich eine Liebeserklärung an die gute Buchhandlung ist. Denn nur dort kann man zufällig genau das Buch entdecken, von dem man noch gar nicht wusse, wie sehr man es lieben wird. (Klappentext)

Moors Fazit: 20 vergnüglich-philosophische Leseminuten, die ich hiermit gerne weiterempfehle.

29. November 2019

Liebe in Deutschland

Doris Dörrie: Love in Germany, Diogenes,
Zürich, 1992, (vergriffen)
Liebe, mehr Liebe, noch mehr Liebe! Doris Dörrie geht das Thema dokumentarisch an. Dreizehn Fotos und dreizehn Gespräche über heisse Themen wie Eifersucht, Vertrauen, Fremdgehen, Partnersuche, Nähe, Freiräume glück, Wut, Illusionen und Phantasien … ein Buch zum Lachen und zum Weinen, aber auch ein Buch, in dem man sich wiedererkennen kann. (Klappentext)

Moors Fazit: Das Beruhigende an dieser Lektüre ist, dass es anderen Menschen ebenso geht, wie einem selbst. Was heisst anderen Menschen? Allen Menschen! (Vermutlich.)

24. November 2019

Das Café am Rande der Welt

John Strelecky: Das Café am Rande der Welt,
dtv, München, 2007
Ein kleines Café mitten im Nirgendwo wird zum Wendepunkt im Leben von John, einem Werbemanager, der stets in Eile ist. Eigentlich will er nur kurz Rast machen, doch dann entdeckt er auf der Speisekarte neben dem Menü des Tages drei Fragen:

– Warum bist du hier?
– Hast du Angst vor dem Tod?
– Führst du ein erfülltes Leben?

Wie seltsam – doch einmal neugierig geworden, will John mithilfe des Kochs, der Bedienung Casey und eines Gastes dieses Geheimnis ergründen.

Moors Fazit: Endlich ein Buch, das sich auf eine spielerische Art mit der Sinnfrage des persönlichen Lebens auseinandersetzt. Kein philosophisch trockenes Gebrabble, keine hochkomplizierten Sätze, kein psychologisches Herumgetue sondern eine einfach verständliche, handfeste und wirkungsvolle Lektüre.

22. November 2019

Mit Nik National über Stock und Stein – 2

Nik Hartmann: Über Stock und Stein 2, Fona,
Lenzburg, 2010
Und weiter geht's! - Diesmal von Nordwest nach Südost. Nik Hartmann und Hündin Jabba pilgern durch die Schweizer Alltagsgegenden. Das Schöne daran ist, dass sie durch die Augen des kommunikationsfreudigen Radio- und Fernsehmannes ihren Reiz enthüllen, den man normalerweise gestresst oder gedanklich abwesend kaum wahrnimmt. Nik Hartmanns Tagebuch-Kommentare kommen gewohnt leichtfüssig, scharfzüngig und witzig daher. Ungewohnt ist immer wieder der Tiefgang des genauen Beobachters, die Poesie des emotional bewegten, staunenden Medienmachers. Einmal mehr: Entdeckenswert! Mit Wanderrouten, Kartenausschnitten, Adressen und Schweizer Kochrezepten. (Klappentext)

19. November 2019

Kein Schritt umsonst

Philipp Fuge: Kein Schritt umsonst, Books on Demand,
Norderstedt, 2018
Zu Fuss von Berlin zum Nordkap, 3325 km in 150 Tagen. Anfangs ist das nur eine spinnerte Idee, aber sie lässt Philipp Fuge nicht mehr los. Ohne so recht an sich zu glauben, fängt er an zu planen und zu organisieren – Auszeit auf der Arbeit, nächtelanges Brüten über Landkarten, das Reisebudget zusammensparen und vieles mehr. Am 13. März 2016 ist es endlich so weit. Bei frostigem Vorfrühlingswetter bricht er auf, mit 25 kg auf dem Rücken. Schon kurz hinter Berlin kommen die ersten Zweifel – Kälte, Hunger, Erschöpfung, Einsamkeit. Doch Schritt für Schritt wird er sich seiner Sache sicherer. Ob Sonne, Regen, Sturm, Nebel, Hagel oder Gewitter, Morgen für Morgen schultert er den Rucksack und geht weiter zum nächsten Schlafplatz – meistens das eigene Zelt, hin und wieder ein Unterstand oder eine kleine Hütte, selten mal ein Hostel und in klaren Nächten direkt unterm Sternenhimmel. Ein Leben nur mit dem Allernötigsten und ganz langsam. Oft ist er selbst erstaunt, dass ihm nichts fehlt. Im Gegenteil, er fühlt sich unendlich reich. Er nimmt uns mit auf eine Reise voller farbenprächtiger Sonnenuntergänge, tiefblauer Seen, rauschender Wälder, karger Hochebenen und schroffer Gebirgslandschaft. Er kraxelt über Blockfelder, schlägt sich mit Heerscharen von Mücken herum, überquert eiskalte Flüsse und wandert durch tiefen Schnee. Mit jedem Tag fühlt er sich draussen in der Natur ein bisschen mehr zu Hause. Er schildert sein demütiges Staunen angesichts der Herrlichkeit der Schöpfung. Doch er schwärmt nicht nur, er kritisiert auch – sich selbst und uns alle für unseren energiehungrigen, profitorientierten und zerstörerischen Lebensstil, mit dem wir uns und künftigen Generationen ein Überleben auf diesem Planeten immer schwerer machen. Wiederholt kommt er auf die vielfältigen und verworrenen Probleme unserer Zeit zu sprechen, nicht schulmeisterlich, sondern selbst ratlos. Aber eines hat er gelernt auf seiner Reise: Nicht den Mut verlieren, denn jeder Schritt zählt! (Inhaltsangabe zum Buch)

Moors Fazit: Philipp Fuges Bericht lässt einem vom ersten bis zum letzten Satz nicht mehr los. So unermüdlich wie Fuge die unglaublich lange Strecke von 3325 Kilometern bewältigt hat, so unermüdlich schreibt er über jeden Tag seines Abenteuers. Die bildhafte Sprache des 35-jährigen Arztes aus Berlin kommt ohne grosse Effekthascherei aus. Und genau dies macht den Text stark. Fuge ist kein Mann der lauten Worte, dennoch hat er einiges zu sagen, das uns zum Nachdenken und Handeln anregen sollte, ja muss. Seine jeweils kurzen Einschübe über das Wesen und Wirken des Menschen auf unserem Planeten sind glaubhaft und nachvollziehbar. Hier ist einer Zugange, der es ernst meint und auch danach handelt. Hinzu kommt die wirklich phänomenale Leistung, lückenloss zu Fuss – die Fährfahrt nach Schweden ausgenommen – und mit allem, was ein campender Nordlandwanderer zum Leben und Überleben benötigt, von Berlin durch ganz Schweden, einen kleinen Teil Finnlands und die schier endlose Weite von Norwegens Norden zu gehen. Chapeau! Und was mir ganz am Ende seiner Wanderung besonders gut gefallen hat: Der Mann war sich nicht zu schade, nebst dem «falschen» Nordkap auch noch das echte zu erwandern: die Landzunge mit dem zungenbrechenden Namen Knivskjelloden.

18. November 2019

Weltquell des gelebten Wahnsinns

Henry Glass: Weltquell des gelebten
Wahnsinns,
Kein & Aber, Zürich, 2008
Muss Wissenschaft staubtrocken sein? Keineswegs, meinte Henry Glass. Mehr als zwanzig Jahre lang berichtete der Spigel-Redakteur über allerlei verblüffende Entdeckungen und Erkenntnisse. So vergleicht Glass mit Schalk und britischem Humor die Zeichensprachen der europäischen Völker. Er präsentiert neue alte Ergebnisse zum Thema «Frau am Steuer», porträtiert Exzentriker und die dümmsten Feldherren der Geschichte, und er geht der Frage nach, wie der Geschmack in den Malt Whisky kommt. In einer Zugabe wendet sich der Heimweh-Ire Henry Glass an seine Herzensstadt Dublin – eine Hommage an eine Stadt der Träumer, Säufer und Dichter, wie es sie heute nicht mehr gibt. (Klappentext)

Moors Fazit: Glass ist krass im allermöglichsten positiven Sinne. Ich habe mich selten mit einem Buch so amüsiert wie mit diesem. Und Henry Glass (1951–2000) verstand es meisterhaft, skurrile Themen wie die Furzforschung, Flugzeugabstürze, Murphys Gesetz, das Sexleben der Päpste und vielem mehr zu Papier zu bringen. Köstlich, einfach köstlich. Hier ein Beispiel vom rückseitigen Buchumschlag:

Männer neigen im ehelichen Miteinander dazu, beschränkte Einsicht mit grossem Widerspruchsgeist zu verbinden; dazu kommt ihre geradezu stupende Unfähigkeit, sich des Hochzeitstages zu erinnern, wozu nur knapp 35 Prozent regelmässig in der Lage sind. Offenbar verstehen die Männer von Partnerschaft ungefähr so viel wie die Vögel von der Ornithologie.

Henry Glass, 1951 als Sohn einer rumänisch-deutschen Mutter und eines nordirischen Vaters in München geboren, arbeitete von 1978 bis zu seinem Tod im Jahr 2000 im Wissenschaftsressort des «Spiegel». Er war ein liebenswürdiger Chaot, der seinen angelsächsischen Spleen mit dem Tragen von knielangen Shorts, James-Joyce-Brillen und Capes darzutun pflegte. 

12. November 2019

Der Ketzer ist da

Gerhart Hauptmann: Der Ketzer von Soana,
Edition Wanderwerk, Burgistein, 2019,
154 Seiten, Broschur.
Etwas Werbung in eigener Sache: «Der Ketzer von Soana» ist heute aus der Druckerei eingetroffen. Gerhart Hauptmann erzählt uns in seinem Werk von den Tücken eines Priesters, der sich in eine junge Frau verliebt und was der gute alte Eros mit dem Gottesmann alles anstellt. Ort des Geschehens ist Rovio (Soana) am Fusse des Monte Generoso im schönen Tessin. Das Buch kann ab sofort auf der Website meines Verlages bestellt werden.

Die Erzählung wird ergänzt mit einer Kurzbiografie Gerhart Hauptmanns, zahlreichen Anmerkungen, vier Fotos sowie mit zwei Wandervorschlägen zu den Schauplätzen zwischen Luganersee und Monte Generoso.

9. November 2019

Gericht im Lager

René Gardi: Gericht im Lager, Sauerländer, Zürich,
1964
Das Lager, Lebensgemeinschaft junger Menschen, verlangt von jedem die Zurücksetzung seines Eigenwollens. Kameradschaft wird zur Notwendigkeit, deren Bedeutung auch den Kleinsten erfüllen muss. Was in der Schule zum Alltäglichen gehört: Das Bemühen, die gute Bewertung der Leistung um jeden Preis zu erlangen, ist im Lager eine Unmöglichkeit, wenn es gegen das für alle gültige Gesetz verstösst. Gegen dieses Gesetz der Kameradschaft hat sich Fritz, das ehrgeizige Vatersöhnchen, im Schullager am See vergangen. Es wird die Aufgabe nicht nur seines Gegenspielers Res, sondern aller, den Schuldigen zu überführen, um dem Recht und der Wahrheit zum Sieg zu verhelfen und das schwer gestörte Gemeinschaftsleben neu entstehen zu lassen.

Die Szene der Ereignisse, in die uns René Gardi in packenden Bildern führt, ist die Ried- und Auwaldlandschaft des südlichen Bielerseeufers, jene köstliche letzte Wildnis, wo jeder Bub zum naturverbundenen Praktiker werden muss – ist das sommerliche Wasser und die lockende Petersinsel, hinter welcher sich die Waldberge des Juras erstrecken. Herrliche Lagerszenen erleben die Buben und vorallem den Bau eines stolzen Seglers, auf dem sie zu grossen Taten die Wasser durchfurchen. (Klappentext)

BE: Südliches Bielerseeufer, Bielersee, St. Petersinsel

7. November 2019

Ein Mann, ein Mord

Jakob Arjouni: Ein Mann, ein Mord,
Diogenes, Zürich, 1991
Ein neuer Fall für Kayankaya. Schauplatz Frankfurt, genauer: der Kiez mit seinen eigenen Gesetzen, die feinen Wohngegenden im Taunus, der Flughafen. Kayankaya sucht ein Mädchen aus Thailand. Sie ist in jenem gesetzlosen Raum verschwunden, in dem Flüchtlinge, die um Asyl nachsuchen, unbemerkt und ohne Spuren zu hinterlassen, leicht verschwinden können. Was Kayankaya dabei über den Weg und in die Quere läuft, von den heimlichen Herren Frankfurts über korrupte Bullen und fremdenfeindliche Beamte auf den Ausländerbehörden bis zu Parteigängern der Republikaner mit ihrer Hetze gegen alles Fremde und Andere, erzählt Arjouni klar, ohne Sentimentalität, witzig, souverän. (Klappentext)

D: Frankfurt und Umgebung

Moors Fazit: Arjounis Werk zu kritisieren grenzt schon fast an Blasphemie. Schade, weilt der Gott unter Deutschlands Krimiautoren nicht mehr unter uns.

6. November 2019

Frei. Luft. Hölle.

Are Kalvø: Frei. Luft. Hölle. Dumont,
Ostfildern, 2019
Alle Menschen lieben es, in der Natur zu sein. Alle? ... Nein! Ausgerechnet ein Norweger hat ihn verpasst, den Zug ins Freie. Are Kalvø zog in die Stadt und blickte nie zurück. Doch dann kommt der Tag, an dem er zu seinem Entsetzen feststellt: Er hat alle seine Freunde an die Natur verloren. Früher kamen sie mit ihm in den Pub, um Unsinn zu reden, jetzt gehen sie plötzlich in die Berge und posten Bilder von Skispuren, tragen Klamotten mit zu vielen Taschen und sagen humorfreie Sätze wie «Es gibt kein schlechtes Wetter, nur schlechte Kleidung». Zum ersten Mal, seit er auf der Schule zu so etwas gezwungen wurde, geht Kalvø deshalb auf Tour, zu Fuss, auf Skiern und im Auto, um seine Freunde zu finden. Und um herauszufinden, was eigentlich mit uns los ist. (Klappentext)

Moors Fazit: 360 Seiten gespickt mit zu vielen running Gags und wenig lustigen Wahrheiten über das Wandern und Skiwandern in Norwegen. Vom «bekanntesten Entertainer und Comedian Norwegens» hätte ich etwas mehr Witz und Abwechslung erwartet. Gerne hätte ich mir einen selbstironischen Text über den «Outdoor-Wahnsinn» zu Gemüte geführt. Nun, vielleicht verstehe ich den norwegischen Humor nicht, oder aber das Buch ist schlecht übersetzt, oder aber ich bin zu abgebrüht. Are empfehle ich, sich eine lebenslange Mitgliedschaft in einem trendigen Fitnessstudio zuzulegen, die Mitglieschaft im DNT aufzukündigen und den Hüttenschlüssel in der Osloer Zentrale persönlich vorbeizubringen.

5. November 2019

Wie wir älter werden

Ruth Schweikert: Wie wir älter werden,
S. Fischer, Frankfurt/Main, 2015
Wie spät ist es? Draussen liegt Schnee. Drinnen bereitet der 87-jährige Jacques wie jeden Morgen das Mittagessen für sich und seine Frau Friederike vor. Neun Jahre lang lebte er zwischendurch mit Helena zusammen, seiner Jugendliebe; dann kehrte er in seine Ehe zurück. Jacques und Friederike, Helena und ihr Mann Emil sind untrennbar miteinander verbunden durch den Pakt des Schweigens, den sie vor langer Zeit miteinander geschlossen haben. Dieser Pakt prägt das Leben der Kinder und Enkel. Doch irgendwann beginnt er brüchig zu werden ...

In wechselnden Perspektiven umkreist «Wie wir älter werden» die Geschichten mehrerer Generationen, die vom Zweiten Weltkrieg bis in die unmittelbare Gegenwart reichen. Ein grosser Roman über Liebe und Verrat und die Frage, wie unser Blick sich im Lauf des Lebens verändert.
(Klappentext)

AG: Aarau BE: Bern-Bümpliz, Biel BS: Stadt Basel FR: Châtel-St-Denis GE: Stadt Genf GR: Sils-Maria, St. Moritz LU: Schüpfheim SZ: Grosser Mythen, Stadt Schwyz TI: Comologno, Locarno, Spruga, Centovalli, Intragna, Pizzo Centrale ZH: Stadt Zürich, Winterthur RUS: Grozny D: München, Stuttgart, Berlin, Dresden I: Bagni di Craveggia USA: San Francisco, Albuquerqe F: Provence


4. November 2019

Erlebtes Wandern

Christoph Müller: Erlebtes Wandern, Verlag Bündner
Monatsblatt, Chur,
Christoph Müller, geboren 1933, verbrachte seine Jugendzeit in Basel. Nach Abschluss des Studiums als Bauingenieur an der ETH Zürich folgten vierzig Jahre Berufstätigkeiten im In - und Ausland. Mit 63 Jahren entschloss sich der Autor, dem beruflichen Alltagsleben vorzeitig ein Ende zu setzen, um seine Kreativität auf musischem Gebiet zu entfalten.

Auf einer Vielzahl von Bergwanderungen im Sommer 1996 erlebte er seine Heimat auf eine neue, intensive Art. Die daraus resultierenden Texte sind persönliche Wanderbeschreibungen und Beobachtungen von Landschaft und Natur, Flora und Fauna. Diese nachhaltigen Eindrücke finden auch ihren Niederschlag in den Aquarellen, mit denen Christoph Müller die Aufzeichnungen illustriert und bereichert hat. (Klappentext)

3. November 2019

Hölloch

Urs Möckli: Hölloch, AS-Verlag, Zürich, 2000
Das Hölloch im Muotatal - Faszination des Verborgenen. Im Jahr 1875 entdeckte der Bergbauer Alois Ulrich bei Stalden im Muotatal den Eingang zu einer Höhle, deren Ende er damals trotz ausgedehnter Exkursionen mit Seil, Pickel, Leiter und einer einfachen Handlaterne nicht bestimmen konnte. Er nannte sie Hölloch, «das dreckige, lehmige Loch». Ulrichs Forschungsfahrten bildeten den Auftakt zur wechselvollen Geschichte des Höhlensystems: Eine belgisch-schweizerische Gesellschaft erschloss es zu Beginn des 20. Jahrhunderts für Touristenbesuche im grossen Stil und erstellte dafür eine umfassende Infrastruktur, scheiterte aber letztlich an der zerstörerischen Gewalt des Wassers in der Höhle. Dann geriet das Hölloch für Jahrzehnte in Vergessenheit, bis es in den Vierzigerjahren zum Objekt wissenschaftlicher Erkundung wurde. Immer wieder warten die Höhlenforscher mit neuen Entdeckungen auf; das System ist inzwischen auf 190 Kilometer bekannte Länge angewachsen. Während der vordere Bereich des Höllochs heute im Rahmen von ein- oder mehrtägigen Exkursionen für alle zugänglich ist, bleibt der hintere Teil des weit verzweigten Höhlensystems, der nur durch tagelanges Klettern, Kriechen und Waten erreicht werden kann, weiterhin den Forschern vorbehalten. Die Vielfalt der Formen im Hölloch ist einmalig: Riesige Hallen wechseln ab mit engsten Gängen und unterirdischen Seen von zum Teil beträchtlichem Ausmass. Tropfsteinformationen leuchten in den verschiedensten Farben. Faszinierend ist auch die Erdoberfläche über dem Höhlengebiet. Der weitläufige Bödmerenwald gilt als der älteste und grösste Urwald der Schweiz, und die Silberen, ein weites, auf den ersten Blick nacktes Karrenfeld, überrascht mit ihrer reichen Flora und Fauna.

2. November 2019

Jakobsweg für Esoteriker

Shirley MacLaine: Der Jakobsweg,
Goldmann, München, 2001
Seit Jahrhunderten pilgern Menschen auf dem berühmten Jakobsweg im Norden Spaniens nach Santiago de Compostela. Shirley MacLaine interessierte am Jakobsweg vor allem die Energie der Ley-Linien, aber auch die Herausforderung, 800 Kilometer zu Fuss zu gehen. So nahm sie sich einen Monat Zeit für die Wanderung auf dem «Weg unter der Milchstrasse». Sie spürte, dass sie damit eine Reise in die Geheimnisse ihrer eigenen Geschichte antreten würde. Doch Shirley MacLaine war nicht im Geringsten auf die Wirkung vorbereitet, die der Jakobsweg auf sie haben würde. In erstaunlichen Visionen offenbaren sich ihr die Geheimnisse alter Kulturen, die Ursprünge der Menschheit, die Bedeutung von Geschlecht, Sexualität und einer allumfassenden Liebe. Auf ihre unvergleichliche Weise berichtet Shirley MacLaine von ihrer aussergewöhnlichen Reise, einer Reise der Seele. (Inhaltsangabe zum Buch)

1. November 2019

Mit dem Esel durch die Cevennen

Robert Louis Stevenson: Reise mit dem
Esel durch die Cevennen, Büchergilde
Gutenberg, Frankfurt, Olten, Wien, 1986
Robert Louis Stevenson: Reise mit dem
Esel durch die Cévennen, Éditions La
Colombe, Moers, 2001
Aussteiger hat es schon immer gegeen. Einige haben es zu Weltruhm gebracht. Zum Beispiel Digenes von Sinope, der zugleich einer der ersten «Hausbesetzer» war; bekanntlich nistete er sich in eine leerstehende Tonne ein. Der Amerikaner David Thoreau predigte und praktizierte in Massachussetts die Waldeinsamkeit.

In seiner «Cevennenreise» schreibt der Schotte Robert Louis Stevenson, bekannt durch seinen unsterblichen Abenteuerroman «Die Schatzinsel»: «Ich besitze einige Erfahrung mit Wohngemeinschaften … und hae bei mehr als einer Gruppe erlebt, wie sie sich leicht bildete und noch leichter zersplitterte.» Er war eben auch ein Aussteiger und blieb es sein Leben lang. Und nur ein speleeniger Einzelgänger konnte auf die Idee kommen, mit einem Esel durch die Cevennen zu trampen – ein merkwürdiges Pärchen, das bisweilen an Don Quichotte und Sancho Pansa erinnert.

Wenn man von ihren gemeinsamen Erlebnissen und Abenteuern liest, möchte man am liebsten die gleiche Reise nachvollziehen, wenn es noch Eselchen wie Modestine gäbe. Alle Unbilden der Witterung, alle Strapazen werden klaglos und humorvoll ertragen. Ob sich der Erzähler stets geschickt bei seiner Orientierung, beim Beladen des Esels und im Umgang mit den Bergbauern verhielt, sei dahingestellt. Jedenfalls wunderte es ihn in seinem sonderbaren Aufzug immer wieder, dass man in ihm nie den Dichter, sondern meist den Tramp oder Hausierer sah und vor ihm auf der Hut war.

Über die Prosa des Reisebereichts breitet sich ein Netz von Poesie. Das Lied der Landschaft wird in kräftigen und pochenden Tönen gesungen, und gelegentlich schleicht sich eine elegische Note der Sehnsucht nach der fernen Geliebten ein. In Momenten der Rast und Ruhe regen sich Gedanken über die Zwänge der Gesellschaft und die Zwanglosigkeit der Natur. (Klappentext Ausgabe Büchergilde Gutenberg)

Moors Fazit: Pflichtlektüre für all jene, die sich mit historischen Reiseberichten befassen.

Quer durchs «Schweizerland»

André Roch, Guido Piderman: Quer durchs
Schweizerland, Amstutz & Herdeg, Zürich/
Leipzig, 1941
Sieben junge Schweizer – drei Welsche, drei Deutschschweizer und ein Rätoromane – fahren nach Grönland. Ziel der Expedition ist das im Jahre 1912 von Prof. Dr. A. de Quervain entdeckte und nach ihm benannte «Schweizerland», das gewaltige Gebirgsmassiv an der Ostküste der arktischen Insel. Die kleine Schar wagemutiger Bergsteiger erschliesst in den wenigen Sommerwochen, welche die Polarsonne dem Lande im ewigen Eise beschert, erstmals dieses herrliche Reich jungfräulicher Gipfel und Firne, welche in Form und Gestalt unseren Schweizer Bergen sehr oft täuschen ähnlich sind. Von Angmagssalik aus dringen sie mit ihren Eskimos und ihren tapferen Zughunden über eine der gewaltigsten Gletscherzungen ins Innere des «Schweizerlandes». Hindernisse drohen den kühnen Vorstoss zum Scheitern zu bringen. Die Eskimos lassen die Forscher plötzlich im Stich – bis auf einen Einzigen. Der Transport der schweren Schlitten über erstarrende Gratabbrüche wird immer waghalsiger. Die täglichen Marschleistungen stellen starke Anforderungen an die jungen Männer. Doch unbeirrbar stossen sie vor, erlegen unterwegs einen Eisbären, stellen sich selbst an das Hundegespann und der Erfolg geht mit ihnen. Heil erreichen sie den Fuss des Mont Forel, des stolzesten Gipfels dieses an Hörnern und Kämmen so reichen Bergmassivs. In schwierigem, aber meisterhaft bezwungenem Aufstieg erreichen sie den Gipfel. Die Schweizerfahne flattert auf diesem zweithöchsten Berg Grönlands, und ein paar Tage später blinkt das weisse Kreuz im roten Feld auf der höchsten Erhebung des Inlandeises. Zwei alpinistische Taten, die in den Annalen der Erdforschung für immer aufgezeichnet sind.

Die zwei Expeditionsteilnehmer, André Roch und Guido Piderman, erzählen in frischem, lebendigem Schwung von den Taten und Erlebnissen der sieben Schweizer in Grönland. Sie erzählen ohne Hemmung und ohne Absicht. Darum wirkt dieses Buch so fesselnd wie das Leben selbst. Den Bergsteiger wird es natürlich sehr interessieren, jeden wachen Menschen wird es begeistern. (Klappentext)