6. Juni 2016

Doppelschlucht und Hammergrat

Mein Projekt, sämtliche Gemeinden der Schweiz zu begehen, gebiert nicht selten Routen, die ich wohl kaum je begangen hätte. Für die noch fehlenden Kommunen Fehren und Meltingen im Solothurner Jura, konzipierte ich eine Wanderung von Grellingen nach Büsserach. Bei regnerischen Bedingungen zogen wir an der Birs los und schwenkten noch vor dem Chessiloch in den Graben des Chastelbachs ein. Diesem folgend standen wir plötzlich vor einem Schild mit Durchgangsverbot. Dahinter lagen umgestürzte Bäume wirr über dem Pfad. Wir gingen dennoch durch, in der Vermutung, dass sich die Gemeinde Grellingen rechtlich vor irgendwelchen Ungemächern absichern wollte. Die behördlich untersagte Fortsetzung bot, nebst ein paar Kraxeleien durch besagte Bäume hindurch, keinerlei Probleme. 

Der Chastelbach.
Was indes folgte, war ein sensationell schöner Abschnitt durch eine schluchtartige Flusslandschaft. Kleine Wasserfälle, mit Moos üppig bewachsene Kalkblöcke, vermodernde Baumstämme, grün, grün, grün schillernder Wald mit einem sich durch die Pracht hindurchschlängelnden Pfad. Der Chastelenbach zeigte sich von der besten Seite, präsentierte quasi die andere Seite der Regenmedaille. Den inzwischen unbeliebt gewordenen Regenfällen war es zu verdanken, dass das birswärts stürzende Gewässer richtig was her gab. Ich war verzückt, begeistert, glücklich. Nicht zuletzt deshalb, weil der Chastelbach im touristischen Schatten des Ibachs steht. Der Ibach durchfliesst das deutlich bekanntere und nicht minder schöne Chaltbrunnental. Letzterem fehlt der mangelnden Steilheit wegen genau das, was die Schlucht des Chastelbachs zu bieten hat: dieses verspielte Niederfallen zwischen mystisch anmutenden Felsblöcken.

Der Ibach im oberen Teil des Chaltbrunnentals.


Nach Verlassen des Chastelbachs wechselten wir hinüber zum erwähnten Ibach, an dessen Oberlauf wir uns Meltingen näherten. Hier noch einmal Juraschlucht-Feeling par excellence. Das Wetter hatte inzwischen auf eine sonderbare Betriebsart umgeschaltet. Regen und Sonne gleichzeitig. Der Schirm war heute mit Abstand die beste Waffe gegen die pubertierenden Launen der Meteorologie. In Meltingen gingen wir vom Schlucht- in den Gratmodus über, stiegen steil den Mettenberg hinan und wechselten alsbald auf den langgezogenen Rücken des Lingenbergs. Was sich auf der Landeskarte als schmaler Grat zeigt, entpuppte sich vor Ort zu einem Abschnitt allererster Güte. Ein an Abwechslung kaum zu überbietender Pfad zog sich vorerst südlich, wenig unterhalb der Gratschneide, Richtung Westen, um dann auf der Verschneidung, zum Teil leicht ausgesetzt, seine Fortsetzung zu finden. Hierbei galt es, den durchnässten Boden auf Schritt und Tritt aufmerksam zu beurteilen. Wurzeln waren der Rutschigkeit wegen vollkommen tabu, und der Kalk war mal so und mal so. Konzentration war oberstes Gebot. Wir pendelten permanent zwischen Begeisterung über die Szenerie und der Vorsicht vor dem Ausgleiten hin und her. Ein Nervenspiel. Ein emotionales Auf und Ab. Unter dem Strich blieb dennoch die Begeisterung über diesen Gratweg, der lediglich an einer einzigen Stelle – auf der Chemmiflue –, den Blick hinunter nach Büsserach, Breitenbach und das restliche Laufental frei gab.

Auf dem Grat des Lingenbergs.


Item. Nach Überwindung einer kurzen Holzleiter und dem steilen Abstieg zum Schloss Thierstein, kamen wir allesamt heil in Büsserach an. Ich fragte mich indes, was nun objektiv betrachtet gefährlicher war: der wegen Erdrutschgefahr gesperrte Weg entlang dem Chastelbach oder die lediglich als gelb markierte Wanderroute (T3–) über den Lingenberg? So oder so: Eine im Vorfeld als eher wenig spektakulär eingestufte Wanderung wurde zu einer der schönsten Touren im Solothurner Jura, mit Bestimmheit zur schönsten im Schwarzbubenland. Fazit der Tour: Brutal viel Grünfutter für die Seele!

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