29. September 2016

Ach Wallis!

Das Wallis hat wieder einmal meine hartnäckige Meinung bestätigt: Licht und Schatten wechseln sich ab im Stundentakt. Die Rede ist von unglaublich schön und potthässlich. Vergangene Woche war es, als wir vom Mattmark-Stausee nach Saas Balen gingen. Begonnen hatte es mit Licht, und zwar in zweierlei Hinsicht. Herrschte in Saas Almagell noch morgendlicher Schatten, schien die Sonne bereits auf den Staudamm der Mattmark. Der mit Geröllsteinen errichtete Damm fügt sich harmonisch in die Landschaft ein. Ein Hingucker auch das Restaurant. Ein heller Raum mit 270-Grad Panoramasicht, einem originellen Boden und schönem Mobiliar. Wir waren rundum begeistert.

Begeisterung herrschte auch auf dem Abstieg. Der Weg mied wenn immer möglich die Strasse. Noch waren die Lärchen saftig-grün, und wir stellten uns vor, wie das in einem Monat aussehen muss, wenn alles golden leuchtet. Total verzückt waren wir auf dem Abschnitt Eiu Alp–Zer Meiggeru. Märchenhafter Wald und viel grobes Geröll. Mitten hindurch ein Pfad. Traumhaft! Auf der Höhe von Saas Almagell – die Sonne hatte mittlerweile das Dorf erreicht – trübte sich das Bild. Welch ein stilloser Mix an Architektur! Wir waren froh, auf der Spazierautobahn sanft Richtung Saas Fee anzusteigen. Es herrschte «Grüezi-Verkehr» ohne Ende.

Auf dem Abschnitt zwischen Eiu Alp und Zer Meiggeru, oberhalb von Saas Almagell (VS)


Die Faust aufs Auge dann kurz vor Saas Fee: Eine vermeintliche Fata Morgana entpuppte sich als brutale Realität: das Parkhaus! Welch ein Crème-Schnitten-Beton-Fetischist von einem Architekten! Dasselbe gilt natürlich auch für die Behörde, die ein derartiges Monstrum auf 1800 Metern über Meer zum Bau frei gibt. Wäre ich an der Macht, ich hätte in Visp ein Mega-Parkhaus in den Fels treiben lassen und den Postauto-Viertelstundentakt ins Saastal  angeordnet. Und ja, ich musste gerade pausenlos an Franz Hohlers Die Riesen im Parkhaus denken.

Saas Fee autofrei? Na ja.


Nicht weniger absurd ging es  weiter. Wir teilten uns für wenige Meter den Weg mit Gestalten eines anderen Planeten. Dieser heisst bescheiden Mittel Allalin und wird von Sommerskifahrern bewohnt, die nach vollbrachtem Tagwerk per Metro und Kabinenbahn zurück zu Mutter Erde reisen. In Astronautenbekleidung, mit überdimensionierten Rucksäcken und Skis beladen schleppen sie sich durch das ehemalige Bergbauerndorf, vorbei an den typischen Stadeln aus alten Tagen. Wir kamen uns vor wie Ausserirdische auf Marsbesuch.

Und so trägt ein jeder Mensch sein Kreuz ...


Der totale Kontrast und wieder Wallis vom Feinsten 100 Meter weiter: der Kapellenweg. Er beginnt bei der Terrasse der futuristisch anmutenden Jugendherberge und war, nebst dem oben erwähnten Abschnitt Alp Eiu–Zer Meiggeru, das Glanzlicht dieser Wanderung. Ein zwei Meter breiter Weg, hoch über der Schlucht der Feevispa, zieht sich über zum Teil bemerkenswerte Gletscherschliffe hinab ins Haupttal nach Saas Grund. Kernstück des Weges bildet die 1687 errichtete Wallfahrtskapelle Maria zur Hohen Stiege. Der sonderbar proportionierte Bau wurde 1747 mit einem offenen Vorbau erweitert. Allein schon die Lage der Kapelle auf einer lauschigen Geländeterrasse ist den Abstecher wert. 77 steinerne Stufen, sogenannte Monolithstaffeln von 1704 bilden eine imposante Treppe, die zur Kapelle führt. Der Weg ist mit insgesamt 15 bildstockartigen Kapellchen aus den Jahren 1708 bis 1711 bestückt. Der Schriftsteller Carl Zuckmayer notierte dazu: «Als wir, meine Frau und ich, an einem Juliabend des Jahres 1938 mit unseren Rucksäcken den Kapellenweg von Saas Grund nach Saas Fee hinaufwanderten, wussten wir nicht, dass wir heimgingen.» Zuckmayer erwarb 1957 im Ort ein Haus. Nach seinem Tod, 1977, wurde er daselbst begraben.

Die wunderbar gelegene Wallfahrtskapelle Maria zur Hohen Stiege unterhalb des Parkhauses von Saas Fee.

Einer der insgesamt 15 Bildstöcke des Kapellenwegs. Bemerkenswert die gut erhaltene Pflästerung.

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