30. November 2013

Rosas Blut

Peter Hänni: Rosas Blut,
EMH Schweizerischer Ärzteverlag,
Basel, 2008
Als Luca Clemente, Chirurg an der Berner Aareklinik, mitten in einer OP ans Telefon gerufen wird, ahnt er bereits, dass etwas passiert sein muss. Was er jedoch nicht ahnt, ist, dass dieses Gespräch sein bisheriges Leben komplett verändern wird. «Nur Carlo, Gott sei Dank!», ist das Erste, was ihm durch den Kopf geht, als sein Vater ihm mitteilt, Onkel Carlo sei in Italien an einem Herzversagen gestorben. Schon am nächsten Tag reisen Vater und Sohn zur Beerdigung ins süditalienische Montella. Doch kaum dort angekommen, beginnt die ländliche Dorfidylle zu bröckeln – und Luca sieht sich plötzlich in einen rätselhaften Mordfall verstrickt.  Jede Menge Geld unbekannter Herkunft, eine Mauer aus Schweigen und scheinbar makellose Alibis lassen die Ermittlungen zunächst ins Leere laufen. Erst als ein lange gehütetes Familiengeheimnis nach und nach ans Licht kommt, spitzt sich die Situation – nicht nur für Luca – dramatisch zu. Die Ereignisse fordern weitere Opfer, und die Zeit wird allmählich knapp. (Klappentext)

BE: Hauptschauplatz: Stad Bern (Spitalgasse 2, Institut für Rechtsmedizin an der Bühlstrasse, Polizeikaserne am Waisenhausplatz, Rathaus Parking, Gerechtigkeitsgasse 29, Marktgasse 28, Laubeggstrasse, Rosengarten, Hotel Bellevue), Deisswil, Ostermundigen, Hahnenmoospass, Flughafen Bern-Belpmoos SG: Flughafen Altenrhein SO: Stadt Solothurn ZH: Stadt Zürich (General-Guisan-Quai 12), Zürich Flughafen, Herrliberg I: Hauptschauplatz: Montella (Provinz Avellino); Guardiaregia, Flughafen Capodichino Napoli

29. November 2013

Tor süssi wi as kari

Internationale Vereinigung für Walsertum:
Wir Walser – eine Anthologie, Brig, 2012
Es war der Aufsteller des Tages. Eine Walliser Arbeitskollegin übergab mir das nebenan abgebildete Buch. Ein 324 Seiten dicker Band mit Geschichten, Bildern und Gedichten in einer unglaublichen Fülle an Walseridiomen. Auf die Frage, wann sie denn das Buch zurückhaben möchte, meinte sie schlicht, dass sie es mir schenke. Ich war baff.

Als Liebhaber der Walsergegenden und der Wege, die sie miteinander verbinden, freute mich diese unverhoffte Gabe gewaltig, denn der Inhalt birgt linguistische Schätze, die man sich auf der Zunge zergehen lassen muss, wobei vielmehr die Ohren auf ihre Rechnung kommen. Der 2012 aus Anlass des 50-Jahr-Jubiläums der Internationalen Vereinigung für Walsertum erschienenen Anthologie ist nämlich eine CD beigelegt. Die 129 nicht immer einfach zu lesenden Texte werden von deren Schöpferinnen und Schöpfern vorgetragen. Und weil auch hier nicht immer alles verständlich ist, liefert das grandiose Buch gleich noch die jeweilige deutsche Übersetzung mit. Als kleines Beispiel diene nachfolgendes Gedicht von Irene Alby Tregsch aus Eischeme (Issime) im Aostatal (I).

Dar Winn

Dar winn
Tor stoarchi wi a winn
Tor süssi wi as kari
Wüschpilljit tur d'liarchien grampi
As gsanh
Das schméckjt van liartschonu un schwitzini
Das chlöpft wi aksch in grünn rinni
Das zéllt van süttig chuchini
Van strawini bétti
Van moarvlljigi héntschini
Mit wüerter das lljitzenen
Wi triéni
Im volle moane.
Der Wind

Der Wind
Manchmal stark wie ein Wind
Manchmal süss wie ein Streicheln
Bläst zwischen den Ästen der Lärchen
Ein Gesang
Der nach Harz und Schweiss schmeckt
Der schlägt wie eine Axt in grüne Rinden
Der erzählt von heissen Suppen
Von Betten aus Stroh
Von steifen Händchen
Mit Worten die glänzen
Wie Tränen
Im Vollmond.

27. November 2013

Mord in Stein am Rhein

Jon Durschei: Mord in Stein am Rhein,
orte verlag, Oberegg, 1998
Wie in früheren Durschei-Krimis wird in «Mord in Stein am Rhein» mit der Umgebung des Untersees eine Landschaft ins Wort umgesetzt, die durch ihre Harmonie Leserinnen und Lesern gefallen dürfte. Aber ausgerechnet in dieser Ambiance ereignet sich Schlimmes. Gäste eines in den Rebbergen gelegenen wunderhübschen Garni-Hotels sind darin verwickelt und ebenso Menschen, die unten im von Touristen überfluteten Bilderbuchstädtchen leben. So die legendäre Wirtin Rösli Schwarzenegger, der Kauz Jim, ein junger Galerist oder die Honoratioren von Stein. Gerüchte beschäftigen über Tage hin nahezu alle Bewohner. Dem Benediktinerpater Ambrosius jedenfalls ist es mehr als recht, als er in sein Kloster nach Disentis zurückfahren kann; sein Abt freilich ist darüber kaum entzückt. Wiederum hat sein Pater gegen den eigenen Willen ein übles Verbrechen entwirrt — statt sich in Stein am Rhein von einer Operation zu erholen. (Klappentext)

SH: Stein am Rhein und Umgebung

25. November 2013

Wir basteln uns einen Zensurbalken

Seit ein paar Tagen tickt in diesem Blog der Countdown bis zum Tag meiner voraussichtlichen Pensionierung am 31. August 2028. Leserin Ursula fand das «witzig», wie sie in einem Kommentar schrieb. Nicht so Leser HU. aus O. (AG):

«Es macht mir nicht mehr die gleiche Freude wie noch vor ein paar Tagen, bei Dir bzw. bei Deinem Blog kurz hereinzuschauen. Mir sticht diese täglich wechselnde Zahl ins Auge. Tage bis zur Fussball-WM? Nicht so wichtig. Tage bis zum (nächsten) Weltuntergang? Uninteressant. Tage bis zur Pensionierung? In der Hoffnung, dann (noch) mehr zu Fuss unterwegs zu sein? Hat das Wandern mehr Bedeutung als das, wofür man sich täglich einsetzt, versucht weiter zu kommen (weiter als zu Fuss)?

Die Tage zählen? Für mich geht etwas verloren, wenn ich die Tage zu zählen beginne. Freue ich mich auf etwas und zähle ich die Tage, nimmt die Freude ab. Zähle ich die Tage, bis eine unangenehme Zeit vorbei ist, gewinnt das Unangenehme an Bedeutung.

Zählen, rückwärts, Rück-wärts, Ziel Null. Ende. Neubeginn? Ist nicht das Unterwegssein das Schöne und Interessante, beim Wandern wie im täglichen Leben? Vielleicht verrätst Du mir, wie ich den Zähler auf meinem PC ausschalten kann.»

Tja, lieber HU, dein philosophischer Ansatz hat etwas. Allein, mein Beweggrund, den Zähler ticken zu lassen, fusst auf anderen Überlegungen. Einerseits hat das Ganze galgenhumoresken Charakter und ist in Zeiten, wo sowieso alles und jedes gemessen, bewertet und ausgewertet wird, als Provokation zu verstehen. Wer auf die Zahl klickt, gelangt übrigens auf eine Website, wo der Countdown in seiner vollen Pracht betrachtet werden kann. Man ergötze sich an den rückwärtsrasenden Tausendstelsekunden!

Andererseits hat bekanntlich alles seine Endlichkeit. Ob ich indes tatsächlich am 31. August 2028 pensioniert werde, steht auf einem anderen Blatt, ebenso, ob ich überhaupt meine Pension erlebe. Auch bin ich mir nicht sicher, ob diese Countdown-Website noch 15 Jahre läuft. Und ja, was geschieht eigentlich mit all den Blogs, wenn deren Bearbeiter ableben und niemand, ausser der Verstorbenen, über den Zugang verfügen? Alleine diese Fragen machen den Rückwärtszähler zu einem spannenden Unterfangen.

Auf einen Punkt sei zudem noch hingewiesen. Es lohnt sich, früh genug Gedanken über die Zeit «danach» zu machen. Dies führt mir der Zähler nun regelmässig vor Augen. Nur soviel vorneweg: Als Pensionist immer nur wandern zu gehen, dürfte mit der Zeit auch langweilig werden, abgesehen davon, dass der Faktor Gesundheit eine zentrale Rolle spielen wird.

Damit also kein falscher Eindruck entsteht: Ich lebe sehr wohl im Hier und Jetzt, was meine Bloggereien hoffentlich beweisen mögen. Überdies freue ich mich auf die kommenden 15, 14, 13, 12, 11, ... Jahre, sei es beruflich oder privat. Und insgeheim hoffe ich natürlich, dass im Versteckten die Tage ab dem 1. September 2028 in gleichem Masse hochgezählt werden, auf dass ich mit 80 noch rüstig durch die Lande streife.

Deine Frage nach dem Ausschalten des Countdowns kann ich wie folgt beantworten: Es gibt zwei Möglichkeiten, sich dieser Anzeige zu entziehen. 1. Du betrachtest den Blog auf einem Smartphone. Dort fehlt der Zähler gänzlich. Weil sich am PC die Sache freilich nicht ausschalten lässt, kann 2. das Problem  mit einer kleinen Bastelei  perfekt behoben werden.

Man messe Höhe und Breite der Anzeige, nehme ein Stück Karton und schneide dieses entsprechend zu. Anschliessend suche man nach einem Stück dünnen Faden und klebe diesen mittig auf den Karton. Die zu überdeckende Position kann nun vom oberen Bildschirmrand abgemessen und der Faden daselbst angeklebt werden. Vor dem Aufrufen von www.schrittler.blogspot.ch wird nun der Zensurbalken – er lässt sich nach eigenem Gusto bemalen – hinter dem Monitor hervorgeholt und solange hängen gelassen, bis der Blog verlassen wird. Ich rate dringend davon ab, die vorgeschlagene Lösung mittels Tipp-Ex zu umgehen.

Ein Stück Karton, Faden und zwei Klebestreifen: Fertig ist der Zensurbalken.

24. November 2013

Die Innovationskraft des Durschnitts



Bereits vor anderthalb Monaten fielen mir in Herzogenbuchsee (BE) die weissen Bänkli auf. Und nun, bei einem erneuten Besuch im Oberaargau, stiess ich auf weitere Sitzgelegenheiten in dieser doch eher ungewohnten Aufmachung. Man mag diesem Herzogenbuchsee eine gewisse schweizerische Durchschnittlichkeit nachsagen, doch was die Kolorierung der Bänke anbelangt, hat Buchsi die Nase vorn.


22. November 2013

Tanner

Urs Schaub: Tanner,
Pendo, Zürich, 2003, neu aufgelegt
bei Piper, München, 2005
Die Spur eines ungewöhnlichen Verbrechens führt den suspendierten Kommissar Simon Tanner von Marokko ins romantische Grenzland zur französischen Schweiz: die grausamen Morde an kleinen Mädchen. Mithilfe des dicken Kommissars Michel und des zwergenhaften Butlers Honoré, der bei der reichen und verdächtigen Familie Finidori arbeitet, wühlt Tanner die Provinzidylle schnell auf und gerät dabei selbst in Lebensgefahr ... Ein Kriminalroman von hinreissender Üppigkeit und seltener erzählerischer Kraft. (Klappentext)

FR: Courgeveaux, Greng, Muntelier, Murten (Hauptschauplätze) BE: Stadt Bern ZH: Flughafen Kloten, Stadt Zürich

18. November 2013

Der Regimentsarzt

James Schwarzenbach:
Der Regimentsarzt, Thomas-Verlag,
Zürich, 1965
Dieser Rückblick in Romanform auf die Anfänge des Kurortes St. Moritz stützt sich auf zeitgenössische Briefe und Aufzeichnungen, Gästebücher, Zeitungsnotizen und mündliche Überlieferungen. Der Verfasser hat es sich zur Pflicht gemacht, durch die Fülle der belegten Begebenheiten und Details den mutigen Pionieren der St. Moritzer Hotellerie, den Kurärzten, sowie den ersten Gästen des Kurhauses und des Engadiner-Kulms ein sinnvolles Denkmal zu setzen.

Die markante Persönlichkeit des zielstrebigen Johannes Badrutt, der die Pension Faller aus bescheidensten Anfängen zum international bekannten Kulm-Hotel entwickelte, fand ihre Ergänzung in der Patrizierfamilie der von Flugi, die ihre ganze Initiative in die Nutzung der seit dem grauen Altertum bekannten Mauritius-Quellen legten. Nicht zuletzt aber gewannen die St.-Moritz-Bäder ihren internationalen Ruf dank der bewährten Tätigkeit ihrer ersten Kurärzte Dr. Brügger und Dr. Berry.

Im Mittelpunkt des Romans steht die faszinierende Persönlichkeit des Kurarztes Dr. med. Peter Berry aus Chur, der als junger Leutnant den Sonderbundskrieg miterlebte, als Regimentsarzt in der Swiss-British-Legion während des Krimkrieges diente, dann von seinem Schwager Badrutt nach St. Moritz gerufen wurde, wo er sich nach mehrjähriger Praxis als Bezirksarzt in Splügen endgültig als Kurarzt des 1865 eröffneten Kurhauses etablierte. Sein malerisches Talent, seine Liebe für Musik und Dichtung vererbten sich auf seinen Sohn der neben Segantini zu den bedeutendsten Malern des Engadiner-Hochgebirges zählt und dessen reiches Leben in einem kommenden Bande erzählt werden soll. (Klappentext)

GR: St. Moritz (Hauptschauplatz), Alp Giop, Alp Ober Alpina, Oberengadin, Julierpass, Chur, Splügen, Rheinwald, Lürlibad, Fahrt von St. Moritz via Lenzerheide nach Chur

14. November 2013

Eiger, Mord & Jungfrau

Paul Wittwer: Eiger, Mord & Jungfrau,
Nydegg Verlag, Bern, 2004
Im azurblauen Wasser vor Nizza schwimmt eine Wasserleiche. Kurze Zeit später stirbt an der Côte d’Azur ein Assistenzarzt der renommierten Berner Parkklinik Eiger. Alles deutet auf einen Segelunfall hin. Frau Knecht, die Mutter des verstorbenen Arztes, glaubt nicht an einen Unfall. Sie vermutet einen Zusammenhang zwischen den beiden Todesfällen. Sie bittet den ehemaligen Studienfreund ihres Sohnes, Dr. Franco Weber, viel versprechender und ehrgeiziger Herzchirurg des Berner Inselspitals, um Rat und Unterstützung. Gemeinsam mit einem Freund stellt Weber Frau Knecht zuliebe ein paar halbherzige Nachforschungen an.

Statt klare Antworten auf einfache Fragen zu bekommen, stossen die beiden auf komplizierte Widersprüche und dunkle Flecken – auch auf blendend weissen Arztkitteln. Dr. Franco Weber legt sein Skalpell aus der Hand und riskiert Kopf und Kragen, um die Todesfälle zu klären. Dabei stösst der unerwartet auf übelste Machenschaften in der modernen Spitzenmedizin. (Klappentext)

BE: Stadt Bern (Altstadt, Bärenplatz, Bremgartenfriedhof, Elfenau, Inselspital, Kirchenfeld) GE: Stadt Genf (Bahnhof, Unispital) F: Südfrankreich

12. November 2013

Albin Indergand

Ernst Zahn: Albin Indergand,
Huber, Frauenfeld, 1901,
neu aufgelegt bei Ex Libris, Zürich
1981
Albin Indergand sieht sich gezwungen, seinen Vater, der den Wildhüter ermordet hat, zu verraten. Der Verfemung durch die Dorfbewohner aber kann er dadurch nicht entfliehen. Tapfer bebaut der Ausgestossene ein steiniges Gütchen hoch über dem Dorf, bis er nach einer Erdrutschkatastrophe als mutiger Helfer gebraucht wird. Als die Franzosen das Land überfallen, wird Albin, dem die Tochter des Dorfvorstehers zur Seite steht, zum Anführer. Von den heranrückenden übermächtigen Truppen geschlagen, verliert Albin erneut das Vertrauen seiner Landsleute. Erst nach dem Kriege gelingt es ihm mit stetigem Fleisse einen geachteten Platz in der Dorfgemeinschaft zu erarbeiten.

In dieser wundervoll in die Urner Bergwelt eingebetteten Geschichte eines Aussenseiters, der sich trotz vieler negativer Voraussetzungen durchzusetzen vermag, ist dem Urner Volksdichter der Typus des Bauern- und Heimatromans, der ihn weit über die Schweiz hinaus berühmt gemacht hat, am reinsten und schönsten gelungen. (Klappentext)

UR: Wassen und Umgebung, Altdorf, Erstfeld, Seedorf

10. November 2013

Der Steinbaum

Herbert Squindo: Der Steinbaum,
Edition Hans Erpf, Bern-München, 1993
Leben am Berghang: Den einen ist es die Idylle schlechthin, den andern aber wird alles abgefordert. Karges, schroffes Land – und so sind auch seine Besiedler: Zäh, kantig, zornig. In dieser «hängenden Welt» wird Alois gross und schnell erwachsen. Und er beginnt zu träumen: Er will hinaus, ins Fernblau. Einige Erwachsene, allen voran, sein Lehrer und ein Kunstmaler, öffnen ihm die Augen, und Alois bekommt eine Vorstellung von seinem eigenen Leben, das nicht nur von Schulden und von Mühsal bestimmt sein würde. Alois ein in sich gekehrter Junge, der nichts so liebt wie seine Bäume, seine Tiere, seine Berge, entdeckt die Weite der Welt.

In ganz eigener, der Landschaft, dem Wesen der Bergler entsprungener Sprache schildert der Autor das Schicksal des heranreifenden Alois, dessen Liebe zu seiner Natur, die Not am Berg und den Hader unter den Menschen, den drohenden und unaufahltsamen touristischen Forschritt; er führt uns eine Welt vor Augen, die er selber gesehen und in der er gelebt und gearbeitet hat. Seine Erzählung ist geprägt vom Verständnis für die Menschen im Oberland, besonders aber für Alois, der es anders haben will und der jetzt schon dasteht wie sein geliebter Steinbaum: hart, trotzig, sich dem «Schicksal» entgegenstemmend. (Klappentext)

BE: Hasliberg

8. November 2013

Kalter Abschied

Roger Strub: Kalter Abschied
Pendragon, Bielefeld, 2007
Ein Polizeichef, kurz vor der Pension, kann nicht verwinden, dass er einen Fall nie aufklären konnte. Nun bittet er die junge Kollegin Lena Bellmann um Hilfe. 1976 hatte man in Bern die Leiche einer ertrunkenen Frau gefunden. Bei ihr zu Hause fand die Polizei ihre beiden toten Kinder und einen Abschiedsbrief. Der Fall wurde als erledigt zu den Akten gelegt. Aber war die Tote wirklich die Mutter? (Klappentext)

BE: Stadt Bern (Kleine Schanze), Eichholz bei Bern LU: IMAX-Kino im Verkehrshaus Luzern USA: Manhattan, Elmsford, Miami, Apalachicola, St-George-Island, Tallahassee, New Orleans Bahamas: Elbow Cay, Abaco Island (Hauptschauplatz)

7. November 2013

Bankenfusion

Das Jahr neigt sich unaufhaltsam dem Ende entgegen. Zeit, sich mit den letzten gut zehn Monaten ein bisschen zu befassen, damit dies noch vor Weihnachten erledigt ist. Dazu gehört auch das Aufräumen. Ich liebe das: Nützes von Unnützem zu trennen, zusammen zu fügen, was zusammen gehört und ganz einfach Ordnung zu schaffen. Geistig und materiell.

Bei einer dieser Aktionen ist mir unten stehendes Bild durch die Hände geglitten. Erhalten habe ich es im Sommer von Bänklisammlerin Monika. Aufgestöbert hat sie es im aargauischen Bremgarten. Das Monstrum muss das Resultat einer Fusion zweier Eisenhandlungen sein, welche nach erfolglosem Geschäftsgang und den darauf folgenden Liquidationsverhandlungen Jean Tinguely damit beauftragten, aus der Konkursmasse für die Nachwelt etwas Brauchbares zu kreieren; nicht zuletzt dem langjährigen Geldgeber wegen, der Aargauer Kantonalbank (im Bildhintergrund), welche jedoch auf die Platzierung der Bank vor der Bank verzichtete. Die Bank passe nicht in das Erscheinungsbild der Bank, liess das Bank-Marketing verlauten. Die Bank steht nun am Rande eines kleinen Pärkleins gegenüber der Bank. Über Mittag lassen sich ab und zu zwei Jünglinge in Schale und Kravatte auf der Bank nieder, fingern aus fetttriefenden Tüten ihren Döner und schweigen sich eisern an.


6. November 2013

Teufel und Beelzebub

Werner Schmidli: Teufel und Beelzebub,
Cosmos, Bern-Muri, 2002
Gunten wird siebzig, das Herz mag nicht mehr recht. Dem Wein abzuschwören, wie es der Arzt will, kommt ihn hart an. Doch möchte er noch ein wenig leben, nur schon wegen Eugenie, der Witwe, die er im Car kennen lernt und mit der etwas werden kann. Altmeister Schmidli führt den Melancholiker Gunten vom Murtensee bereits zum vierten Mal vor: mit dessen Selbstzweifeln, der Angst vor dem Tode, der beharrlichen Hoffnung auf neue Anfänge. Und mit dem detektivisch genauen Blick auf die Menschen rundum. (Thomas Widmer, Facts)

BE: Ins  FR: Galmiz, Kerzers, Môtier, Mont Vully, Muntelier, Murten, Ried BS: Stadt Basel

4. November 2013

Die Rückfahrt

E.Y. Meyer: Die Rückfahrt
Suhrkamp, Frankfurt, 1973
Der junge Lehrer und Schriftsteller Albin Berger leidet an einer schweren seelischen Krise, die durch einen Autounfall ausgelöst worden ist. Symptome der Krise: Er erinnert sich nicht mehr an den Hergang des Unglücks, und seine Hand ist empfindungslos geworden, so dass er sich nicht mehr schreibend zu äussern vermag. Im Sanatorium «Sonnmatt» versucht er sich von seinem seelischen Leiden zu kurieren. Er muss lernen, sich in seiner alten Umgebung, in der Realität «des reichsten landes der Erde» wieder zurechtzufinden, indem er mit sich selbst ins reine kommt.

Er forscht in sich selbst, um zu sich zurückzufinden. Was er an wirklichem Geschehen aufzeichnet, ist somit vor allem Spiegelbild von Vorgängen in seinem Innern. Eine äussere Handlung gibt es kaum; sie löst sich immer wieder auf in lange Gespräche, in Erinnerungen an Gespräche, in Reflexionen und in rekonstruierte Gedankenmonologe, die ein Freund, bevor er tödlich verunglückte, gehalten hatte. In allen diesen Erinnerungen und Gespächen wird immer wieder die Frage nach dem richtigen Leben gestellt. Dabei wird unsere Gesellschaft in der die Suche nach dem richtigen Leben für alle unabwendbar geworden ist, anhand vieler minutiös geschilderter Details kritisch dargestellt.

«Die Rückfahrt» führt in die eigene Vergangenheit, und nachdem sich Berger von seiner seelischen Krise erholt hat, vermag er seine Vergangenheit schreibend zu bewältigen. Zugleich gilt seine tiefste Besorgnis der von Zerstörung bedrohten Welt und unserer von Reglementierungen immer stärker eingeschränkten persönlichen Freiheit. (Klappentext)

BE: Stadt Bern, Gabelspitz, Jerisberghof, Kiesen, Mühledorf, Saanen, Schloss Landshut, St. Johannsen, Sumiswald, Trachselwald, Tschugg LU: Dietschiberg, Stadt Luzern TI: Carona und Umgebung, Lugano

2. November 2013

Schattenberge oder Das gottverdammte Entlebuch

Jon Durschei: Schattenberge oder
Das gottverdammte Entlebuch,
orte-Verlag, Oberegg, 1996
Sechs Kriminalromane hat der Bündner Jon Durschei bereits veröffentlicht (alle im orte-Verlag). Mit «Schattenberge oder Das gottverdammte Entlebuch» erscheint sein erster «normaler» Roman. Aber Durschei wäre nicht Durschei, wenn er ohne Abstecher ins Kriminelle auskommen würde. «Ist alles fiktiv oder nicht?», muss sich allerdings der Leser, die Leserin immer wieder fragen. Und ob Gian Derungs, der Wanderer ins Unbekannte, tatsächlich jener Held sei, der er glaubt zu sein? Der Mode gewordene Begriff multipler Persönlichkeiten drängt sich jedenfalls bald auf. Die Spannung wird dadurch nicht geringer: Was soll die nahezu sinnlose Wanderung, was bringt der Tick, immer nach einem bestimmten Muster zu gehen, im Regen, im Nebel, im Sonnenschein, was ist mit dem Kunstmaler Stauffiger passiert? Landschaften werden zudem vor unsern Augen immer plastischer, hässliche Ortschaften bleiben hässliche Ortschaften und in den Kneipen und Wirtshäusern, die Derungs aufsucht, dominiert nicht nur Stumpenrauch, sondern auch Geschwätz, Intrigen, Neid und Begehren. Das Buch gibt nicht frei, bevor man weiss, wie alles endet. Und obwohl kein Pater Ambrosius (wie in den Kriminalromanen) die Lösung offeriert, werden die Rätsel allmählich gelöst; und im Schatten der Berge dürfte sich entscheiden, wie die Zukunft des Wanderers aussieht. (Inhaltsangabe im Buch)

AG: Sins LU: Inwil, Eschenbach, Rain, Hellbühl, Malters, Werthenstein, Entlebuch, Hasle, Schüpfheim, Heiligkreiz, Farneren ZG: Kloster Frauental ZH:  Stadt Zürich, Uetliberg, Stallikon, Affoltern a.A., Mettmenstetten

1. November 2013

Ungefähre Landschaft

Peter Stamm: Ungefähre Landschaft
Arche Verlag, Zürich-Hamburg,
2001, daselbst vergriffen jedoch im
Fischer Taschenbuchverlag
erhältlich.
Ein kleines norwegisches Dorf nördlich des Polarkreises. An diesem Rand der Welt lebt Kathrine. Sie ist achtundzwanzig, hat aus erster Ehe ein Kind und unterbricht nur selten das Einerlei ihrer Tage. Sie lernt Thomas kennen und heiratet ihn. Er ist das, was man eine gute Partie nennt, er gibt ihr Halt. «Sein Leben war ein Strich durch die ungefähre Landschaft ihres Lebens.» Doch dann macht Kathrine eine Entdeckung, die sie tief verletzt. (Klappentext)

Eine wunderbar erzählte Geschichte. Stamm wählte mit dem kleinen Fischerdorf Båtsfjord im höchsten Norden Norwegens einen speziellen Hauptschauplatz, der auf gekonnte Weise mit dem mondänen Paris kontrastiert. Wer die Melancholie Skandinaviens mag, ist mit diesem Roman bestens bedient, nicht zuletzt der aufwühlenden Handlung wegen.

N: Båtsfjord (Hauptschauplatz an der Nordküste), Tromsö, Bergen, Polarlys (Schiff der Hurtigroute), Narvik DK: Århus F: Paris, Boulogne