17. Januar 2015

Zu Fuss von der Arktis ans Mittelmeer

Christine Doerfel, Thomas Specker, Markus
Stromer: Gotthard–Ponte Tresa, Appenzeller
Verlag, Herisau,  2007
Seit 2007 gibt es im Tessin eine Alternative zu Autobahn A3, Gotthardbahn, Veloplausch und Strada Alta! Dabei hat das Kind weder einen werbeträchtigen Namen, noch sind vor Ort zusätzliche Wegmarkierungen vorhanden. Der im Appenzeller Verlag erschienene Wanderführer «Gotthard–Ponte Tresa» befasst sich unmissverständlich und konsequent mit dem, was das Gebiet beidseits des Ceneris so unwiderstehlich faszinierend macht: dem unglaublichen, kulturlandschaftlichen Reichtum. Um diesem auf die Spur zu kommen, eignet sich indes – wen wundert’s? – eine Reise zu Fuss am Besten. Tut man dies mit dem vorliegenden Führer, dann hat man zudem die Gewähr, auf klug gewählter Route beinahe sämtliche Vegetations- und Klimazonen zu durchwandern, allen denkbaren historischen und neuzeitlichen Transitwegen durchs Tessin zu begegnen sowie mit der schier endlosen Fülle an kulturhistorischem Gut auf Tuchfühlung zu gehen. Die in acht Etappen eingeteilte Strecke führt vom Gotthardpass über Airolo–Dalpe– Giornico–Biasca–Bellinzona zum Monte Ceneri und anschliessend durchs Vedeggiotal nach Ponte Tresa am Lago di Lugano. Die Höhendifferenz zwischen Start- und Endpunkt beträgt satte 2000 Meter mit nicht wenigen Zwischenauf- und Abstiegen.

Die drei Autoren waren seinerzeit allesamt an der Bearbeitung des Inventars der historischen Verkehrswege der Schweiz (IVS) beteiligt, konnten also punkto Thematik aus dem Vollen schöpfen. Dem Benutzer des Führers wird daher ein Tessin zu Füssen gelegt, das weit mehr zu bieten hat als Boccalino- und Piazza-Grande-Romantik. Ergänzt werden die jeweiligen Etappen durch äusserst informative Fachbeiträge zu Themen wie Hausbau in der Leventina, Maiensässe und Alpen, Aus- und Einwanderung im Tessin, Agrarwirtschaft und Wanderbewegungen, Kastanienselven, Bauen mit Stein, und und und. Die Route basiert grösstenteils auf dem markierten Wanderwegnetz und wird im Führer mit der Landeskarte im Massstab 1:50 000 dokumentiert. Dabei findet das bewährte System mit im Text angegebenen und in der Karte eingezeichneten Verweisungsziffern Anwendung.

Wenn es etwas zu bemängeln gibt, dann sind dies die fehlenden Telefonnummern bei den angegebenen Übernachtungsorten, wobei im gleichen Atemzug lobend erwähnt werden muss, dass auf ausserhalb von Ortschaften gelegene Herbergen speziell hingewiesen wird. Nietenzähler werden zudem feststellen, dass die Höhendifferenzen pro Etappe fehlen. Statt dessen wird einem ein Streckenprofil geboten, das mit etwas rechnerischem Geschick zahlenmässige Schlüsse auf allfällig bevorstehende Schweisstreibereien zulässt. Speziell ist auch die Fertigung des Buches. Die Macher des Werkes haben sich für die Spiralbindung entschieden, was den Vorteil hat, dass der Führer auch aufgeklappt nicht grösser ist als zugeklappt. Als eventueller Nachteil sei auf die Verwechselbarkeit mit Kochbüchern eines landesweit bekannten Verlages hingewiesen, was beim Packen des Rucksackes besondere Vorsicht erheischen dürfte ...

Fazit: Autoren und Verlag ist die Herausgabe eines erstklassigen Wanderführers gelungen, dem im übrigen der Band «Basel–Gotthard» vorangegangen ist. Sowohl die Texte als auch die zahlreichen Abbildungen lassen jederzeit Vorfreude auf einen Gang durch Leventina, Riviera und Vedeggiotal aufkommen und erfüllen die Hoffnung der Verfasser, « ... Ihren Blick zu schärfen für interessante Details und grosse Zusammenhänge, Beobachtungslust zu wecken und zum sorgfältigen Umgang mit der Kulturlandschaft anzuregen», vollauf.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen