30. März 2014

«Solange ich wanderte, war ich am Leben»


Kurt Peipe: Dem Leben auf den Fersen,
Droemer, München, 2008 (vergriffen)
Im Alter von 62 Jahren erhielt der schwäbische Gärtnermeister Kurt Peipe die niederschmetternde Diagnose «Dickdarmkrebs im Endstadium». Ein halbes Jahr gaben die Ärzte dem todkranken Mann noch. Was tun? Peipe war weit davon entfernt, die Flinte ins Korn zu werfen und machte seinen Traum wahr. Er wanderte anno 2007 vom nördlichsten Deutschland auf dem Weitwanderweg E1 bis nach Rom, 167 Tage und 3350 lange, beschwerliche Kilometer. Versehen mit den Ermutigungen seiner Ärztin, einem künstlichen Darmausgang sowie den dazugehörenden Pflegematerialien machte sich der Rentner mit einem eigens konstruierten Wägelchen auf die Reise. Doch schon bald stellte sich heraus, dass das Gefährt seinen Zweck nicht erfüllt. Peipe setzte seine Wanderung mit zwei Rucksäcken fort. Der zum «Sandwichmann »Mutierte begegnete in Deutschland, der Schweiz und Italien unzähligen Menschen. Auffallend dabei ist die grosse Hilfsbereitschaft, die dem Krebspatienten beinahe täglich zuteil wurde, und dies, ohne dauernd auf das Mitleid anderer zu pochen, denn Peipe verheimlichte seine Krankheit weitgehend. 

Der positiv verfasste und sehr lesenswerte Bericht könnte daher vielen Menschen (ob krank oder nicht) zu einem Mutmacher werden, denn wie der Autor mit seiner Diagnose umgeht, verdient grosse Bewunderung. «Der menschliche Körper ist ein hochintelligentes Wesen. Wenn er merkt, dass es ums Ganze geht, mobilisiert er alles, was er hat, und noch mehr», schreibt Peipe. Und: «Ich beherrschte den Schmerz, indem ich ihm keine Aufmerksamkeit schenkte. Ich registrierte ihn, aber ich liess ihn nicht an mich heran.»

Ein wenig Mitleid wird man Kurt Peipe während des Lesens seiner Schilderungen dennoch entgegenbringen. Aus finanziellen Gründen war er oft gezwungen, auf den «Luxus» einer festen Herberge oder eines üppigeren Mahles zu verzichten. Man hätte dem Zeltwanderer daher wirklich mehr materiellen Rückhalt gegönnt. Aber vielleicht war es genau das, was Kurt Peipe auf seiner letzten Wanderung zu einem Individuum gemacht hat, das mit sich und der Welt zufrieden geworden ist, denn, so seine Erkenntnis,«die Menschen sind nicht so schlecht und egoistisch, wie es allgemein geglaubt wird». Fazit: Kurt Peipes Reisebericht ist nicht nur kurzweilig zu lesen, er beeindruckt auch durch den eisernen Willen und die Lebenslust eines sterbenskranken Menschen.

PS. Am 8. August 2008, dem Erscheinungstag seines Buches, hat Kurt Peipe diese Welt im Alter von 67 Jahren für immer verlassen.

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