3. Dezember 2013

Nationalsport?

Wir trafen uns in Wynigen, dem Dorf inmitten emmentalisch anmutender Hügel. Mein Lektor und ich. Vergangenen Sonntag. Von der inzwischen als alte Bahnlinie zu benennendem Strang zwischen Mattstetten und Rothrist durch schneeweisse Felder und laublose Wälder. Ich hätte – oh unverhoffte Sonne – die Sonnenbrille einpacken sollen. Erkenntnis des Tages: Im Dreieck Emmental–Oberaargau–Berner Mittelland werden mehr Könige gemacht als anderswo. Der jüngste stammt aus dem nahen Alchenstorf. Matthias Sempach schwang am letzten Eidgenössischen im ebefalls nahen Burgdorf obenaus. Im Bären Ersigen, wo wir gediegen tafelten – Rehgeschnetzeltes mit Spätzli und Rosenkohlgratin –, hing Sempachs Dankesschreiben an die Wirtsleute.

Der Schwingerkönig 2013, Matthias Sempach (blaues Hemd), dankt dem Bärenwirt von Ersigen. Mein Lektor und ich waren uns einig: Das Bild der beiden Schwinger – der Unterlegene ist Christian Stucki – weist eine gewisse homoerotische Komponente auf. Tja.


Es bedankten sich auch ein Daniel von Känel, Schlägerkönig am Eidgednössischen Hornusserfest 2012 in Lyss sowie ein Sandro G., bester Schläger am heurigen Interkantonalen Hornusserfest in Selzach. Sein Dankesschreiben an den spendablen Bärenwirt zeugt von bodenständiger Ehrlichkeit und Authentizität:

Ich möchte mich noch recht Herzlich bei Ihnen Bedanken für die wunderschöne Glocke wo ich in Selzach gewonnen habe. Ich habe sehr Freude daran. Es ist für mich eine grosse Ehre, diese Glocke von Ihnen zu haben.

Sempach und von Känel sind bloss die jüngsten Beispiele dieser königlichen Umgebung. In früheren Jahren machte der Oberböse Adrian Käser Alchenstorf bereits zum Nabel des Schwingeruniversums. Bezieht man die weitere Geografie mit ein, so sei auch auf Silvio Rüfenacht aus Hettiswil bei Hindelbank hingewiesen. Sein Sieg an einem Eidgenössischen datiert aus dem Jahre 1992.

Henu. Was mich am ganzen Hype des sogenannten Nationalsports stutzig macht, ist die Tatsache, dass die Tessiner, Romands und Rätoromanen weitgehend nichts mit der Sache gemein haben. Am ehesten vielleicht noch die Romands. Das schwingerische Nationalgefühl ist also primär ein deutschschweizerisches. So gesehen existiert die Schweiz einmal mehr nicht. Da vermögen auch die Eidgenössischen Schwingfeste in Vevey, Lausanne, Fribourg, Neuenburg, Sion, La Chaux-de-Fonds, Nyon und 2016 in Estavayer-le-Lac nichts Entscheidendes daran zu ändern.

Hat ein Herz für Schwinger und Hornusser: der weitherum bekannte Bären in Ersigen (BE).

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