29. Dezember 2015

Pfui und Hui

Ich kam beinahe gleichzeitig mit den ersten Sonnenstrahlen in Crans-Montana an. Belächelte ich in Siders unten die Leuchtschrift Express in der Standseilbahn, so musste ich am Ende der Fahrt anerkennend feststellen, dass der Wagen in einem Höllentempo den gewundenen Schienenstrang hochgerattert war, ohne einmal an einer der zahlreichen Haltestellen zu stoppen. In Montana war ich das erste und bislang einzige Mal Anfang Sommer 1986, als wir hier vom Wildstrubel kommend die Tour beendeten. Ich hatte also noch eine Netzwerk-Rechnung offen und verpasste dem Ort eine pedestrische Fortsetzung.

Ich hatte die Route nach Leuk so geplant, dass ich möglichst schnell aus dem Ferienhaus-Gürtel mit seinen schrecklichen Appartementkästen raus kam. Gleich neben der Bergstation der Standseilbahn erregte das Restaurant Bellavista Istanbul meine Heiterkeit. Nieder mit den Alpen, freie Sicht auf den Bosporus! Willkommen im kafkaesken Kabarett auf 1470 Meter über Normalnull. Willkommen in einem Ort der einst nicht mehr war als ein bescheidenes Maiensäss!

Ist heute nicht Sonntag?, fragte ich mich eine Viertelstunde später, als ich zwei Müllmänner einen riesigen Abfallsack mittels Kran im Müllauto entleeren sah. Es war Sonntag! Höchste Zeit, mich aus dieser verstörenden Gegend zu entfernen. Über zum Teil alte Verbindungswege stieg ich ab nach Randogne, einem einst kleinen Bergdorf, das in den letzten Jahren eine stattliche Zahl an Ferienhäusern erhalten hat. Im noch tiefer gelegenen Mollens sah es nicht anders aus, und ich war froh, der Agglomeration von Siders endgültig den Rücken kehren zu können. Was dann folgte, war das ziemliche Gegenteil des bislang Gesehenen. Ein Fussweg durch märchenhaft anmutenden Föhrenwald.

Schöne Ferien 1: In Montana (VS) schreckt die Müllabfuhr vor dem Sonntag nicht zurück.

Schöne Ferien 2: Die Agglomeration von Siders überzeugt mit Wohnblöcken in Chaletform.

Schöne Ferien 3: Damit dem Städter das Wohngefühl nicht abhanden kommt (und den Investoren nicht die Rendite). Grosses Lob an den Architekten, die Silhouetten der Hochhäuser von Aminona bilden die Form der darüber gelegenen Trubelstock-Massivs gekonnt ab.


Ich arbeitete mich bis zum Maiensäss von Cordona vor, überschritt dabei den Bergbach La Raspille, der weiter unten die Sprachgrenze bildet. Die Dezembersonne hatte in der Zwischenzeit eine unverschämte Wärme entwickelt. Auf 1200 Metern über Meer kam mir eine Joggerin entgegen, bekleidet mit einem Spaghettiträger-Leibchen. Ein Blick an die Südhänge zeugte vom bislang schneearmen und viel zu warmen Winter. Die braunen Hänge reichten bis über die 2000 Meter-Marke.

Das Weinbaudorf Varen erreichte ich über einen langen Abstieg, vorerst auf einer schnurgeraden Alpstrasse, hernach auf einem wiederum traumhaft schönen Pfad durch zunehmend lockeren Föhrenwald. Im Hintergrund zeigten sich die Gipfel des Simplongebietes. Wenigstens sie trugen Schneekappen und vermittelten einen Hauch von Winter. Von Varen führte mich die Route durch die ausgedehnten Rebberge hinüber nach Leuk, das sich in den letzten Sonnenstrahlen räkelte, derweil der Bahnhof im Talboden bereits im Schatten lag. Ein paar bildliche Eindrücke dieser insgesamt nachahmenswerten Wanderung gibt es auf meiner Fotoseite.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen