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Charles Ferdinand Ramuz: Tagebuch 1896–1947, Huber, Frauenfeld, 1982 |
Charles Ferdinand Ramuz ist nicht nur der Schöpfer der grossen Romane, die seinen literarischen Rang ausmachen. Er hat auch zwei bedeutende Tagebücher verfasst, die in diesem Band zusammengefasst sind. Auf den ersten Seiten seines Tagebuches schreibt er: «Scheu bin ich geboren und empfindlich bis zum Exzess. Ein Nichts erzürnt mich, ein Nichts verletzt mich.» Diese starke Sensibilität durchzieht dieses Tagebuch, das sein Werk wie ein Kommentar, erläuternd, fragend oder rechtfertigend ein Leben lang begleitet hat. Was ihn bewegt, sind nicht nur künstlerische Fragen. Er, der immer um ein tragfähiges künstlerisches Selbstverständnis rang, hat sich, betroffen und beteiligt, auch mit der gesellschaftlichen und politischen Wirklichkeit auseinandergesetzt. Gewichtige Fragen, wie die «bürgerliche Gesellschaft », der sowjetische Kommunismus, neue physikalische Entdeckungen, sein «Heimatverständnis », haben ihn nachhaltig bewegt.
Eine besondere Tragik überschattet sein zweites Tagebuch (1942–1947). Es spiegelt den gegen sein Lebensende mit aller Bitterkeit der Todesnähe beschwerten Menschen. Es sind nicht mehr Aufzeichnungen eines schaffenden, sondern die qualvollen Erkenntnisstationen eines nicht mehr schaffen könnenden Künstlers. Es gibt vielleicht im Werk von C.F. Ramuz nirgends so viel Verzweiflung und Düsterkeit wie in diesen letzten Tagebuchblättern. «Ich stehe nur noch dabei, ich nehme nicht mehr teil», sagt er einmal. Aber das Tagebuch als Ganzes gibt den Blick auf eine grosse Gestalt frei, als die C.F. Ramuz in die Literaturgeschichte eingegangen ist.
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