20. September 2022

Die Spirale – Etappe 15

Endlich kühlere Temperaturen! Und endlich wieder zurück auf der Spirale, die mich an diesem herbstlich anmutenden Samstag von Schönbrunnen bei Münchenbuchsee nach Krauchthal führte. Bei zaghaftem Sonnenschein widmete ich mich vorerst der Autobahn A6, ehe ich in Richtung ruhigere Gefilde abbog. Auf dem waldreichen Abschnitt von Moosaffoltern nach Ballmoos erwartete mich der Woolibach, den es steglos zu überqueren galt. Ein grosser Schritt reichte, und ich war drüben.

Spätestens an der Peripherie von Jegenstorf hatte mich die Berner Agglo mit all ihren Gegensätzen wieder. Auf den zwischen den Dörfern gelegenen Feldern wurden eifrig Kartoffeln geerntet. Selbstfahrende Traktoren zogen im Schritttempo ein Ernteungeheuer, auf dem eine Handvoll Leute die maschinell aus dem Boden geholten Kartoffeln aussortierte. Kurz vor dem Ende des Ackers schwang sich der Bauer auf den Traktor, übernahm das Steuer und wendete das Ensemble, um sodann eine neue Fuhre in Angriff zu nehmen.
 
Die Route der 15. Etappe der Wanderspirale.

An der grossen Dorfkreuzung in Mattstetten überraschte mich ein historischer Brunnen beachtlicher Grösse. Und nur wenige Schritte weiter gelangte ich an einem kleinen Schloss vorbei, das ein Kleinkunsttheater beherbergt. Vis-à-vis des schmucken Gebäudes befindet sich das Areal des Platzgerklubs Schlössli. – Platzgen? Hier ein kleiner Exkurs:

Platzgen ist ein alter Zielwurfsport, von dem die Chroniken erzählen, dass er schon im Mittelalter in fast allen Gebieten unseres Landes betrieben wurde. Heute wird dieser Sport vorwiegend im Kanton Bern ausgeübt. Die Wurfgeräte nennen sich – nomen est omen – Platzgen und bestehen meist aus gehärtetem Stahl. Jeder Spieler besitzt seine eigene Platzge, die ihm gut in die Hand passen muss. Form und Gewicht sind nicht vorgeschrieben, der Höchstdurchmesser darf jedoch 18 cm nicht überschreiten. Die meisten heutigen Platzgen sind handförmig, mit fünf Zacken, einem Ahornblatt ähnlich. Das Gewicht liegt zwischen 1 und 3 Kilogramm.

Die Wurfdistanz beträgt 17 Meter. Das Ziel («Ries») ist ein mit Lehm («Lätt») gefüllter Stahlring, hat einen Durchmesser von 1,40 m und ist nach hinten um rund 25 cm erhöht. Dieser muss immer gut gepflegt und behandelt werden, darf nicht zu nass, aber auch nicht zu trocken sein. Zur Erzielung guter Resultate muss der Lehm unbedingt in bester Ordnung sein. Für den Platzger spielen der Zustand und die Beschaffenheit des «Lätts» eine wichtige Rolle. In der Mitte des Rieses steckt ein eiserner Stock («Schwirren»), der 35 bis 40 cm aus dem Lehm ragt und leicht nach vorne geneigt ist.

Zum Bewerten eines Wurfes benötigt man einen Meter und ein Messer. Das Messer wird dort in den Lehm gesteckt, wo die Platzge liegen bleibt, und zwar beim nächstgelegenen Punkt der Platzge zum Stock. Zum Messen des Abstandes wird das Ende des Meters (100cm/200cm) an den «Schwirren» gesetzt. Berührt die Platzge den Stock, dann gilt der Wurf 100 Punkte. Pro cm, die die Platzge vom Stock entfernt liegt, gibt es einen Abzug von 1 Punkt. Ein Abstand von 13 cm ergibt beispielsweise 87 Punkte.

Alljährlich finden drei grosse Wettkämpfe statt. Das Frühlingsfest, die Meisterschaft und das Verbandsfest. An einem dieser Anlässe wird seit 2017 auch der Titel eines Schweizermeisters vergeben. Gute Resultate im Einzel- wie auch Vereinswettkampf werden mit schönen Auszeichnungen und wertvollen Ehrengaben belohnt. Während der gesamten Saison (April bis Oktober) werden auch eine Wettspielmeisterschaft mit vier Stärkeklassen sowie Vereins- und Einzelcup ausgetragen. Schliesslich organisieren zahlreiche Vereine für Platzger und Nichtplatzger eigene Wettkämpfe (Volks-, Gönner- oder Passivplatzgen).

Mit der neuen Erkenntnis, dass dieses kleine Mattstetten masslos unterschätzt wird, unterquerte ich die Bahnlinie Bern–Burgdorf, die A1 und unmittelbar danach ging ich am Portal des Grauholztunnels vorbei. Südöstlich von Mattstetten herrscht brutales Verkehrsaufkommen, ergänzt von der alten Bern-Zürich-Strasse. Ich war deshalb nicht unfroh, bald einmal im Wald verschwinden zu können, wo ich mich in Ruhe im Stile eines Orientierungsläufers auch auf weglosen Abschnitten austoben konnte. So war es denn nach dem Verlassen des Waldes nur noch einen Katzensprung ins Ortszentrum von Krauchthal, dem versteckt gelegenen Dorf am Fusse mächtiger Sandsteinhügel und in Sichtweite der Strafanstalt Thorberg. Eine Bildstrecke dieser knapp 16 km langen Etappe gibt es hier zu sehen.

Der aktuelle Stand: In Grün die zurückgelegte Strecke, in Rot die geplante Route.

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