20. Mai 2017

Wie Mann zum Gramm-Fetischisten wird

Westlich von Yvonand (VD).

Böses Erwachen während der Hauptprobe. Geplant waren zwei Wandertage mit Übernachtung im Zelt. Ich packte den Rucksack dergestalt, als ob es für mehrere Wochen Richtung Nordkap ginge. Voller Stolz verstaute ich mein 1000 Gramm leichtes Einmannzelt, beschränkte mich bei der Wahl von Ersatzwäsche auf ein Minimum und hielt mich auch bei der Tranksame mit einem Liter eher knapp. Statt nach Norden fuhr ich indes westwärts in die Romandie an den Neuenburgersee. Ausgehend von Yvonand zog ich durch mir bislang unbekannte Provinz. Hier gibt es Ortschaften mit klingenden Namen: Villars-Epeney, Pomy, Cronay, Donneloye, Bioley-Magnoux, Orzens, Oppens, Pailly, Rueyres, Bercher, Fey. Diese phonetischen Perlen bildeten gleichsam meine Wanderroute, die einem sonderbaren Slalomlauf über Hügel und durch Gräben glich.

1000 Gramm Zelt am Flüsschen Le Lombrax bei Donneloye.


Bereits kurz nach Wanderstart die Ernüchterung. Ich hatte Mühe mit dem Gewicht. Nicht der Rucksack drückte, nein, schlicht und einfach die Schwere dessen Inhaltes machte mir zu schaffen. Die nachfolgenden 16 Kilometer wurden, vor allem bergauf, zunehmend zur Qual. Ich erkannte mich nicht wieder. Anderntags, ich hatte die Nacht über im Zelt an idyllischer Lage am Flüsschen Le Lombrax verbracht, verschärfte sich die Situation. Dabei hatte ich nun noch weniger Last am Rücken als beim Start in Yvonand. Was war bloss los? Auf halber Strecke folgte mir plötzlich ein Hund. Der Border Collie schien wild entschlossen, mich, wohin auch immer, zu begleiten. Erst als ich ihm mit den Worten «Vas chez ton chef à la maison! Vas-y!», bedachte, blickte er mir direkt in die Augen, drehte sich um und zog von dannen.

Tag 2: Das frühe Aufstehen hat sich gelohnt. Morgenstimmung bei Bioley-Magnoux.


Das Hundeepisödchen liess mich für eine gewisse Zeit die Traglast vergessen, ehe sich erneut der Quälgeist bemerkbar machte. Immerhin widerstand ich der Versuchung, in Bercher die Bahn nach Lausanne zu nehmen und hängte noch eine Wanderstunde an, um das geplante Ziel Fey dennoch zu erreichen. Der direkte Weg nach Fey stellte indes eine Abkürzung dar, denn ursprünglich wollte ich von Bercher über Boulens an den Endpunkt gelangen, was die Strecke um drei Kilometer verlängert hätte. Auf der langen Rückfahrt ins traute Heim schwor ich mir, meine Leichtgewichtsausrüstung genaustens unter die Lupe zu nehmen. Will ich mein Vorhaben, das Nordkap zu Fuss zu erreichen, in die Tat umsetzen, darf es zu keiner Quälerei kommen. Und so bin ich nun seit Tagen daran, das Web minutiös auf Ultraleichtgewichtsausrüstung zu durchforsten. Von nun an zählt jedes Gramm, das eingespart werden kann. Ja, ich bin innert Kürze zum veritablen Gramm-Fetischisten verkommen. Die ersten Käufe sind bereits getätigt und weitere werden folgen. Zwei Beispiele gefällig? Mein neues Zelt wird gerade mal 500 Gramm wiegen, also die Hälfte meiner bisherigen Stoffhütte. Dasselbe gilt übrigens auch für den Schlafsack: 530 Gramm statt bislang 1100. Und so weiter und so fort.

Mein Spontanbegleiter, kurz bevor ich die richtigen Worte fand, damit er zurück nach Hause ging.

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