29. Dezember 2025

Retro 2025– 11

Im zu Ende gehenden Jahr war ich überdurchschnittlich oft zu Fuss in der Jungfrau-Region unterwegs: Schynige Platte, First, Kleine Scheidegg, Grindelwald, Lauterbrunnen, Wengen, Mürren, Zweilütschinen. Was mir indes noch fehlte, war eine Fahrt mit der Standseilbahn von Interlaken auf den Harder Kulm mit anschliessender Wanderung hinab nach Ringgenberg und zurück nach Interlaken.

Weil die Harderbahn bis Ende November fährt, nutzte ich einen sonnigen und überaus milden Spätherbsttag. Man schrieb den 11.11.. Für mich als Nicht-Fasnächtler und Nicht-Katholik ein Tag wie jeder andere. Dennoch entpuppte sich dieser als unglaublich ergiebig, gegensätzlich und befriedigend.

In der proppenvollen Standseilbahn war ich mit grosser Wahrscheinlichkeit der einzige einheimische Fahrgast. Der Rest rekrutierte sich aus der halben Welt, der indes von der Fahrt nicht viel mitbekam. Das zwanghafte Starren auf Smartphones machte auch am Harder keine Ausnahme. Kaum oben angekommen, setzte sich die Manie in der peinlichen Form von Selfies fort. Mir schien, dass die Leute wenig Interesse an der Aussicht hatten, vielmehr ging es darum, auf dem Harder gewesen zu sein und möglichst viele Bilder von sich und seinem Anhang gemacht zu haben, ehe es nach einer Stunde mit der Bahn wieder talwärts und an den nächsten Selfie-Hotspot ging.

Aber was labere ich hier, denn dasselbe Prozedere konnte ich auf jedem meiner diesjährigen Abstecher in die Lütschinentäler beobachten. Ich verstehe diese Art von «Tourismus» längst nicht mehr. – Item, nachdem ich die Leute beim Fotografieren ihrer selbst oder durch spontan angeheuerte dritte fotografiert habe, widmete ich mich dem umwerfenden Tiefblick auf Interlaken, bestaunte einmal mehr die Mehr-oder-weniger-Viertausender im Hintergrund und warf einen Blick in Richtung Voralpen, also den im Rücken des Harders gelegenen Gebiet von Niederhorn, Burgfeldstand und Gemmenalphorn. Sehr gut gefallen hat mir zudem das denkmalgeschützte Panoramarestaurant Harderkulm. Es bietet sage und schreibe 600 Plätze, was auf eindrückliche Weise die touristische Bedeutung des Hausberges von Interlaken veranschaulicht.

Bereits nach einer halben Stunde verabschiedete ich mich vom Kulm, auch, um der nächsten Landung Selfie-Maniacs entfliehen zu können. Nach genau 10 Sekunden war ich auf dem von mir angepeilten Pfad. Und – wen wundert's – auf den kommenden anderthalb Stunden hinab nach Ringgenberg am Brienzersee sollte ich keiner einzigen Menschenseele begegnen. Wunder zu begehende Wege hin, wunderbar zu begehende Wege her.

Nicht weniger beeindruckend war hernach der Abschnitt entlang dem naturgeschützten Burgseewli und über den Goldswilhubel mit Kirchenruine sowie Mini-Friedhof mitsamt herrlichem Blick auf Aare, Interlaken und Umgebung zum Ausgangspunkt an den Bahnhof Interlaken Ost, wo mir die für heute letzten Smartphone-Süchtigen aus Übersee begegneten.

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