30. August 2019

Vom Glück des Wanderns

Albert Kitzler: Vom Glück des Wanderns,
Droemer, München, 2019
Wandern ist die beliebteste Freizeitaktivität in Deutschland, Österreich und der Schweiz – einer der erfolgreichsten deutschen Philosophie-Coaches verknüpft diese Liebe zur Natur erstmals mit dem Trend-Thema Sinnsuche und Philosophie.

Wandern bedeutet: Dem Alltag entfliehen, Abstand gewinnen, Natur erleben, Seele und Körper stärken und damit die Gesundheit fördern. Doch Wandern ist mehr als das, sagt der Philosoph Albert Kitzler. Wandern ist ein Spiegelbild des Lebens – es geht ums Aufbrechen und Loslassen, und Anstiege und Abstiege, um Durststrecken und das erhebende Gefühl, ein Ziel zu erreichen. Damit besitzt das Wandern eine natürliche Verbindung zur Philosophie.


«Wenn wir wandern und uns den eigenen Gedanken hingeben, beginnen wir, über uns selbst nachzudenken, über unsere Lebenssituation, unser Verhältnis zu anderen Menschen, über Dinge, die uns belasten oder viel Freude bereiten. Das ist der Anfang aller Philosophie», sagt Albert Kitzler, der das Wandern jeder anderen Freizeit-Beschäftigung vorzieht.


Albert Kitzler verbindet in diesem Sachbuch die Sehnsucht nach Natur mit der Suche nach dem Sinn des Lebens ebenso unterhaltsam wie anregend. Er lädt ein zum Nachdenken über das Wandern und das Leben und erschließt dabei die stille Kraft, die beidem innewohnt – und natürlich kommen dabei jede Menge Philosophen aus allen Epochen der Geistesgeschichte zu Wort.
(Inhaltsangabe zum Buch)

Moors Fazit: Wäre das Wandern so kompliziert wie die Philosophie, ich hätte mich längst dem Dolce far niente hingegeben.

28. August 2019

Zu Fuss als Ehepaar nach Jerusalem

Hanspeter + Annemarie Obrist: Zu Fuss als
Ehepaar nach Jerusalem,
obrist-impulse,
Arlesheim, 2013
Annemarie und Hanspeter Obrist, damals beide 45 Jahre alt, starteten im August 2010 mit Zelt und Rucksack in Basel. Nach dem Gotthardpass ging es weiter Richtung Italien, Kroatien, bis Albanien, über Griechenland, die Türkei und Zypern nach Israel. Fast elf Monate waren sie unterwegs und erreichten ihr Ziel, den Ölberg in Jerusalem, im Juli 2011. Die Autoren schildern eindrücklich ihre Erfahrungen und Begegnungen auf dem Weg nach Jerusalem, berichten von Strapazen und Führungen, von Ängsten und Freuden.

Moors Fazit: Wer sich für lange Pilgerwanderungen und biblisch bedeutsame Orte entlang der Route interessiert, liegt mit diesem Bericht richtig. Einzig das Thema Israel und Palästina ist für meinen Geschmack zu einseitig behandelt worden. Schade hat die christliche Sichtweise der Autoren nicht mehr Worte für die «andere Seite übrig», denn es gäbe einiges darüber zu schreiben.

27. August 2019

Der Sandmaler

Henning Mankell: Der Sandmaler, Zsolnay,
Wien, 2017
Stefan und Elisabeth treffen sich auf dem Flug nach Afrika kurz nach dem Abitur wieder. Gegen Ende der Schulzeit hatten sie eine flüchtige Beziehung. Während Stefan das Strandleben geniesst, will Elisabeth das fremde Land in Afrika verstehen. Sie freundet sich mit einem Lehrer an, der ihr die historischen Hintergründe erklärt, und der einheimische Guide Ndou führt sie durch die ärmsten Viertel. Elisabeth lernt, die Welt und ihr eigenes Leben mit anderen Augen zu sehen. Bereits in Mankells erstem Afrika-Roman sind seine späteren grossen Themen versammelt: die Schönheit der Natur, die Überlebenskunst der Einheimischen, die Gedankenlosigkeit der weißen Touristen und die Nachwirkungen des Kolonialismus. (Klappentext)

Moors Fazit: Dieser Roman erschien 1972, sieben Jahre nach der Unabhängigkeit Gambias von Grossbritannien. Dass die Geschichte 45 Jahre nach ihrer Erstveröffentlichung wieder neu verlegt wurde, mag ein weiteres Zeugnis dafür sein, wie wenig sich bis heute das afrikanisch-europäische Verhältnis verändert hat. Leider geht in heutiger Zeit der geschichtliche Hintergrund zu oft vergessen, weshalb es derart viele Afrikaner in den Norden zieht. Und Millionen weiterer Afrikaner hätten Gründe genug, nach Europa oder Nordamerika zu flüchten, um ihrer Misere zu entfliehen, die wir letztlich dem kolonialistischen Gebaren gewisser westlicher Staaten und dem daraus resultierenden Machtgehabe Afrikanischer Potentaten zu verdanken haben. Henning Mankell schafft es, in seiner einfachen und dennoch literarisch treffenden Sprache darzustellen, mit welcher Arroganz die westliche Welt indigenen Völkern anderer Kontinente mitunter begegnet.

S: Landskrona, Stockholm, Limhamn DK: Kastrup b. Kopenhagen E: Teneriffa Gambia: Banjul und Umgebung

19. August 2019

Das Faulhorn und die Damen

Neulich ist mir eine Tourismusbroschüre aus dem Jahre 1902 in die Hände gefallen. Das Büchelchen widmet sich der Gegend Schynige Platte – Faulhorn – Rosenlaui und ist in zweierlei Hinsicht von Interesse: 1. Der einleitende Text widerspiegelt den touristisch-gesellschaftlichen Geist von damals. 2. zeigen die nachfolgenden Bilder die damalige Situation sowie die Druckqualität von Fotos von vor beinahe 120 Jahren.


«Nicht die Tatsache, dass dicht unter dem Gipfel des Faulhorns sich eine der höchsten menschlichen Wohnungen Europas befindet, verleiht dieser Bergspitze ihre Bedeutung; vielmehr begründet sich ihr Ruhm auf die grandiose Aussicht, welche sich dem Besteiger oben, auf der höchsten Zinne, 2683 Meter über Meer, bietet. Dieselbe umfasst sozusagen die ganze Schweiz von den glänzenden Firnhäuptern der Berner Alpen nordwärts. Dabei ist die Wanderung nach dieser Aussichtswarte von  Interlaken oder Grindelwald aus, samt der Rückreise, in einem Tag ausführbar. Damen empfiehlt es sich freilich, die Fusstour in zwei Tagen auszuführen, um so mehr, als eine Nacht und ein Morgen auf dem Faulhorn (Hotel) die grossartigsten Naturschauspiele, wie Sonnenuntergang und -aufgang, Alpenglühen etc. zu bieten vermögen.
 
Ich habe diese Bergwanderung schon in Begleitung von einem Dutzend amerikanischer Damen gemacht, ohne diese allzu sehr zu übermüden. Ihr Dank für die erlebten Genüsse kannte keine Grenzen. Damen sollten die Tour immerhin nur unter Mitbenutzung der Schynige Platte-Zahnradbahn unternehmen. Von deren Kulmstation führt ein prächtiger Alpweg an den wechselvollsten Szenerien vorüber nach dem Faulhorngipfel. Auf diesem Weg entwickeln sich bei immer neuen Überraschungen die Bilder der nachfolgenden Blätter Schlag auf Schlag. Der Abstieg kann sowohl nach Grindelwald als auch nach Rosenlaui, oder aber nach der Bahnstation Schynige Platte zurück ausgeführt werden.»

Hermann Hartmann


Das Gumihorn bei der Schynigen Platte
Schynige Platte

Schönenbühl mit Wetterhorn und Schreckhorn

Schafgatter – Felspassage am Faulhornweg

Laucherhorn mit den Karrenfeldern an der Heimenegg

Winteregg mit Winterfreuden im Hochsommer

Eiger, Mönch, Jungfrau am Abend auf dem Faulhornweg

Faulegg mit Schreck- und Finsteraarhorn

Faulhorn von Süden

Hotel Faulhorn auf dem Gipfel des Faulhorns (2681 m)

Schreck- und Finsteraarhorn vom Hotelfenster aus gesehen

Blick vom Faulhorn nach Osten

Simelihorn – Schlittelpartie im August

Am Bachalpsee

Am Bachalpsee – Holztransport nach dem Faulhorn-Hotel

Schreckhorn vom Abstieg zur Grossen Scheidegg
Grosse Scheidegg
Schwarzwaldalp mit Wetterhorn

Weissbachschlucht in der Rosenlaui

Rosenlaui mit Well- und Wetterhorn

Auf dem Abstieg nach Grindelwald mit dem Wetterhorn

14. August 2019

Vom Arktisreisenden zum Menschenretter

Walter Bauer: Die langen Reisen, 332 S.,
Kindler Verlag, München, 1956
«Die langen Reisen» hat der deutsch-kanadische Autor Walter Bauer seine Biografie über den Arktisforscher, Meereszoologen, Hochkommissar für Flüchtlinge und Friedensnobelpreisträger Fridtjof Nansen (1861–1930) benannt. Ich habe das Buch soeben zu Ende gelesen und war einmal mehr beeindruckt über das Leben und Wirken Fridtjof Nansens. Von seiner ersten Fahrt ins arktische Meer ist die Rede und wie nachhaltig ihn diese beeindruckt hat. Bald darauf folgte 1888 die legendäre Durchquerung Gröndlands auf Schneeschuhen (Skis). Es war die erste, die je von Menschen vollbracht wurde.

Einen grossen Stellenwert nimmt in Bauers Buch die dreijährige Polarexpedition (1893-96) ein, mit der Nansen in einem im Eis eingekeilten Schiff den Nordpol «überqueren» wollte. Der unerschrockene Norweger wollte damit aufzeigen, dass das Polareis der Meeresdrift unterworfen und es lediglich eine Frage der Zeit sei, bis seine «Fram» über den Pol drifte. Nansens Theorie schien anfänglich zu funktionieren, doch mit der Zeit ergaben die Positionsmessungen, dass sich die «Fram» wieder südwärts, also vom Pol weg bewegt. Was tun?

Nansen entschloss sich nach Rücksprache mit den Expeditionsteilnehmern, den Nordpol, zusammen mit einem weiteren Gefährten, sowie mit Schlittenhunden und Kajaks zu erreichen. Doch auch dieser Versuch misslang. Die beiden Forschungsreisenden suchten sich unter unglaublichen Strapazen und Entbehrungen einen Weg durch die endlose Eiswüste, überwinterten in einer kleinen Hütte an der Küste von Franz-Josef-Land und stiessen im Frühjahr weiter südlich auf die Mitglieder einer englischen Expedition, deren Versorgungsschiff sie schliesslich nach Spitzbergen brachte, von wo die Reise zurück nach Norwegen ging. Und die «Fram» und seine Crew? Das eigens für diese Expedition gebaute Schiff schaffte den Weg aus dem Polareis ebenfalls und gelangte fast gleichzeitig mit Nansen und seinem Begleiter im Herbst 1896 nach Norwegen. In einem zweibändigen Werk mit dem Titel «In Nacht und Eis» beschreibt Nansen das drei Jahre dauernde Abenteuer, das trotz Misserfolg glücklicherweise keine Menschenleben forderte.
Fridtjof Nansen im Alter von 36 Jahren
Dennoch wurde Nansen in ganz Norwegen wie ein Nationalheld gefeiert. Als sich in dieser Epoche auf politischer Ebene die Situation zwischen Norwegen und Schweden zuspitzte, wurde von norwegischer Seite nach einer Persönlichkeit gesucht, die in der Lage war, die Unabhängigkeit gegenüber dem dominanten Schweden, zur Sprache zu bringen und nach einer Lösung zu suchen. Schnell kam der Name Fridtjof Nansens ins Spiel. Der politisch und religiös unabhängige Forscher wurde aufgrund seiner risikofreudigen und dennoch besonnenen Art als der geeignete Diplomat angesehen. Nansen war gewillt, die Aufgabe anzugehen und brachte sie schliesslich mit Erfolg zu Ende: Norwegen erlangte, wenn auch unter gewissen Bedingungen, die Unabhängigkeit Schwedens.

Eine weitere grosse Reise, die Walter Bauer beschreibt, ist jene nach Sibirien, welche Nansen die Augen für das wirtschaftliche Potenzial dieses riesigen Landes öffnete. Aus dieser Reise resultierte das Buch «Sibirien, ein Zukunftsland». Die Gegenwart Sibiriens, ja ganz Russlands zeigte sich dann alles andere als zukunftsträchtig. Hungersnöte, der 1. Weltkrieg und die Revolution trugen zu unermesslichem Leid bei. Hinzu kamen Hundertausende von Flüchtlingen. Für den noch jungen internationale Völkerbund – Vorläufer der heutigen UNO – musste dringend etwas geschehen. Und auch in dieser Situation erinnerten sich die führenden Kräfte an den erfahrenen Nansen. Dieser wollte jedoch vorerst nichts von einem Mandat als Hoher Kommissar für
Armenische Briefmarke von 1996 mit Nansen und
der «Fram» im Hintergrund
Flüchtlinge wissen. Ein Insistieren von Seiten des Völkerbundes brachte indes den Umschwung: Nansen sagte zu und begann zu wirken. Und wie! Unzählige Reisen führten den Menschenfreund in all die Krisengebiete im Osten und Südosten Europas. Nansen organisierte Geld, Lebensmittel, Flüchtlingstransporte, medizinische Hilfe. Er setzte sich unermüdlich dafür ein, dass das Leid nicht noch grösser wurde, als es schon war. Er verhandelte sowohl mit den Russen als auch mit den USA, die dem russischen Volk mit Getreidelieferungen unter die Arme griffen. Nansen intervenierte aber auch in Armenien, als die Türken drauf und dran waren, ein halbes Volk auszurotten. Mitunter als Folge seiner Bemühungen entstand schliesslich der armenische Staat. Die Armenier haben den Einsatz Fridtjof Nansens bis zum heutigen Tag nicht vergessen.

Nansen als Hoher Kommissar für Flüchtlinge des internationalen Völkerbundes
Die Liste jener Taten und Erfindungen (Nansen-Schlitten, Nansen-Pass etc.), die der 1922 zum Friedensnobelpreisträger Ernannte vollbracht hat, könnte mühelos weitergeführt werden. An dieser Stelle sei daher die Lektüre des antiquarisch gut erhältlichen Buches von Walter Bauer all jenen empfohlen, die sich für arktische Expeditionsgeschichte, skandinavische Politik und das internationale Flüchtlingswesen in den ersten zwei Jahrzehnten der 20. Jahrhunderts interessieren. Letzteres Thema ist deshalb besonders spannend, weil es zur aktuellen Flüchtlingssituation unglaubliche Parallelen gibt. Es scheint, als hätte sich in dieser Frage in 100 Jahren Menschheits- und Politgeschichte nicht viel verändert.

In diesem Zusammenhang weise ich gerne auf eine Publikation von Fridtjof Nansen in der Edition Wanderwerk hin: «Im Eise begraben / Abenteuerlust» nennt sie sich und kann hier bestellt werden.

9. August 2019

Hunkeler und die Augen des Ödipus

Hansjörg Schneider: Hunkeler und die
Augen des Ödipus,
Diogenes, Zürich, 2010
Wo steckt der Theaterdirektor Bernhard Vetter? Sein Hausboot ist herrenlos beim Stauwehr von Märkt aufgefunden worden, von ihm selbst fehlt jede Spur. Und das wenige Tage nachdem eine Inszenierung von König Ödipus in Basel die Gemüter erhitzt hat. Kommissär Peter Hunkeler steht sechs Wochen vor der Pensionierung. Aber ist er bereit, von der Bühne abzutreten? Mit gemischten Gefühlen taucht er ein ins Theatermilieu, zu dem er als junger Mann selbst gehört hat.

BS: Stadt Basel F: Elsass (Sundgau) D: Märkt

7. August 2019

Die Steinflut

Franz Hohler: Die Steinflut, Luchterhand,
München, 1998
Am 9. September 1881 in einem kleinen Dorf hoch oben in den Schweizer Bergen: Die kleine Katharina wird zusammen mit ihrem jüngeren Bruder zu den Grosseltern geschickt. Dort sollen beide die nächsten Tage verbringen, bis die Mutter ihr sechstes Kind zur Welt gebracht hat. Doch es kündigt sich noch ein anderes Ereignis an. Von einem Hang sind einige Felsbrocken ins Tal hinabgestürzt und der ganze Berghang könnte sich lösen und das Dorf unter sich begraben. Daran möchte niemand glauben, am allerwenigsten die Arbeiter im Schieferbruch, die mit ihren Händen ganze Familien ernähren. Aber der Berg führt in Franz Hohlers hochgelobter, in der Tradition der besten Schweizer Literatur stehenden Novelle sein Eigenleben. (Klappentext)

GL: Elm und Umgebung

5. August 2019

Spätholz

Walther Kauer: Spätholz, Benziger, Zürich,
1976
Zu allem entschlossen, wartet der 70jährige Tessiner Bauer Rocco Canonica in der Küche seines Bergbauernhofs auf die Gemeindearbeiter. Um sieben Uhr werden sie kommen und das Gerichtsurteil vollstrecken: Der grosse alte Nussbaum vor dem Haus – Roccos Lebensbaum – soll gefällt werden, da er einem reichen zugezogenen Villenbesitzer den Blick auf den See versperrt.

Während Rocco sein Gewehr reinigt, erinnert er sich an Stationen seines Lebens: an die harte Arbeit auf dem kleinen Bauernhof seiner Kindheit, den Waldbrand, dem seine Eltern zum Opfer fielen, die Jahre mit seiner Frau Teresa, den Wegzug seiner beiden Söhne, die verheerenden Veränderungen im Tal, die die alten Strukturen zerstörten.
(Inhaltsangabe zum Buch)

TI: Verzascatal

3. August 2019

Die Waise

Urbain Olivier: Die Waise, Verlag Mon Village,
Vulliens, 1977
«Die Waise» ist nicht ein moderner Roman, handelt er doch im verflossenen Jahrhundert. Zu jener Zeit sprach man noch nicht von Autobahnen. Anstelle der heutigen Düsenflugzeuge war die Kutsche das schnellste Verkehrsmittel, das Reisende und Post von einer Region zur andern brachte.

In der Hast und Betriebsamkeit unserer Tage ist es schwer, sich die idyllische Gemächtlichkeit von Anno dazumal vorzustellen. Gerade hierin liegt aber der Haptvorzug des Werkes «Die Waise».Die hervorstechende Eigenschaft des Buches liegt im Zauber, mit dem es uns mit einem Schlag in jene vergangene Zeit zurückversetzt. Es wurde damals von einem Schriftsteller verfasst, der die Bauern kannte. Er schildert uns ihren Charakter, ihre Eigenheiten, ihre Gedankenwelt und Lebenshaltung mit unübertrefflicher Genauigkeit.

Wenn uns «Die Waise» das Bild einer vergangenen Epoche vor Augen führt, so ist es doch vor allem ein fesselnder Roman, der den Leser von Anfang bis zum SChluss in Atem hält. Wenn diese Erzählung den Vorzug hat, uns unversehens in die Hälfte des letzten Jahrhunderts zu versetzen und uns zugleich von Anfang bis Ende wahrhaft fesselt, wobei die prächtigen Bilder von Burnand den Text bereichern, dann sagt man nicht zuviel, wenn man behauptet, dass dieses schöne Buch den Leser hinreissen wird. (Klappentext)

VD: La Côte

Urbain Olivier wurde am 3.6.1810 in Eysins (VD) geboren und verstarb am 25.2.1888 in Givrins (VD). Er war der Sohn des Jean-Michel-Louis, Bauer, und der Marianne-Madeleine. Olivier absolvierte das Progymnasium in Nyon, danach Mitarbeit auf dem elterlichen Hof. 1831 wurde Olivier für die militärische Intervention der Tagsatzung während der Basler Trennungswirren aufgeboten und hielt seine Eindrücke in einem Tagebuch fest. 1832 war er Notariatsangestellter, 1838 Gemeindepräsident von Eysins, 1839-61 Domänenverwalter der Familie de Saint-Georges in Changins und Duillier. 1842 liess sich Olivier in Givrins nieder, wo seine Frau ein kleines Gut geerbt hatte. Während des Sonderbundskriegs 1847 entstand sein zweites Tagebuch. 1854-87 erschienen 35 Romane und Erzählungen (ab 1857 im Verlag von Georges-Victor Bridel), in denen Olivier Land und Leute beschrieb. Sein religiöses Denken war von der Erweckungsbewegung (Réveil) geprägt. Dank dem Zuspruch eines breiten Publikums konnte Olivier ab 1861, wenn auch bescheiden, von der Schriftstellerei leben.