1. August 2009

Es muss nicht immer Kaviar sein

Fredy Joss, Sabine Joss, GenussWandern –
Region Bern
, hep Verlag, Bern, 2009
Der GR 20 auf Korsika, der Treck ins Mount Everest Basislager, die Pfade in den Cinque Terre, die Besteigung des Ayers Rock: Wanderklassiker, die heutzutage bestens vertraut sind. Wie verhält es sich indes mit den heimatlichen Gefi lden? Der ehemaligen Hohwacht auf dem Belpberg, den mächtigen Findlingen in der Solothurner Exklave Steinhof oder dem mystisch anmutenden Zisterzienserkloster Hauterive?

Frei nach dem Sprichwort: «Weshalb denn in die Ferne schweifen? Sieh, das Gute liegt so nah», präsentiert das Autorenpaar Sabine und Fredy Joss 25 mehr oder weniger bekannte Wanderungen in der Grossregion Bern, die im vorliegenden Falle vom Seeland über das Greyerzerland, den Jura-Südfuss bis ins Emmental, das Entlebuch und den Oberaargau reicht. Das mittelformatige Wanderbuch trägt den vielversprechenden Titel «Genuss-Wandern» und ist laut Klappentext «der erste Wanderführer, der dem Bedürfnis nach Wanderungen über kurze Strecken und geringe Höhendifferenzen entgegenkommt». Die vorgeschlagenen Touren dauern daher maximal drei Stunden und folgen ausgeschilderten Wegen. Zum echten Genusswandern gehören zudem die komfortablen An- und Rückreisemöglichkeiten mit öffentlichen Verkehrsmitteln sowie die gelegentliche Einkehr in eine Wirtschaft. Auf beides nimmt der Führer Rücksicht, wenn auch eine ausführlichere Beschreibung der Restaurants willkommen gewesen wäre. Als genussorientierter Wanderer lässt man sich durch die Schilderung exquisiter Gaststätten doch gerne im Voraus auf die Folter spannen. Ein weiterer Kritikpunkt betrifft ausgerechnet den Lesegenuss. Hier wünschte man sich durchaus ein wenig mehr sprachliche Raffinesse oder zumindest ein Lektorat, das die Texte stilistisch ein wenig aufgepeppt hätte.

Die durchgehend mit reichlichen Farbfotos bebilderten Wandervorschläge eignen sich in vorzüglichem Masse auch für Schulklassen oder Familien mit Kindern. Nicht zuletzt deshalb, weil die Routen praktisch das ganze Jahr über begehbar sind. Einzelne Kapitel beinhalten gar kleine Exkurse zu geschichtlichen oder naturhistorischen Besonderheiten, so etwa zu den bereits erwähnten Findlingen in Steinhof, den Dinosaurierspuren im Steinbruch von Lommiswil oder zu Avenches, das als Aventicum einst die Hauptstadt des römischen Helvetiens darstellte.

Es muss also nicht immer Kaviar sein, um entdeckerischen Gehgelüsten nachkommen zu können. Ein Gang dies- und jenseits der Aare vermag dank der neusten Produktion aus dem Hause Ott gar manch dergestaltiges Bedürfnis zu befriedigen. Und sei es bloss als Vorbereitung und Training für grössere Unternehmungen. Der Begehung des GR 20 zum Beispiel.

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