30. Januar 2023

Passionstage

Serge Ehrensperger: Passionstage,
Edition Erpf, Bern, 1984
Der Held in diesem Roman, mit den Zügen des einstigen Don Juan, versucht, eine neue Form von Zusammenleben, mit zwei Frauen, durchzuhalten. Eine möglichst unparteiische, aber umso passioniertere Parallel-Beziehung entwickelt sich, wie sie noch selten geschildert worden ist.

Die Handlung dieser «Passionstage» von Serge Ehrensperger setzt unmittelbar nach der Herausgabe seines letzten Romans, der «Prozesstage» ein, aber das Thema in diesem neuen Buch ist eine ausschliesslich private Welt. Für den heiklen und komplexen Stoff wählt der Autor ein Erzählverfahren, das den wechselnden Stimmungslagen ganz besonders entgegenkommt. Die Art, wie der Romanheld, in vorwiegend selbst-therapeutisch gespielter Rücksichtslosigkeit, mit seinen beiden Freundinnen umgeht, mag oft schalkhaft darauf angelegt sein, die Frauenrechtlerinnen auf den Plan zu rufen. Mit einer auf weite Strecken durchgehaltenen komischen Attitüde sucht er sich zu retten, wenn das angestrebte Glück immer wieder in ein auswegsloses Dilemma auseinanderbricht, in dem drei Menschen ihre Liebes- und Hassbindung als eine lähmende Passion empfinden.

So entsteht ein Bekenntnisbuch von grosser Direktheit, das in seinem schnellen, ereignisbezogenen Ablauf den Leser in die Suche nach einer Lösung einbezieht. Überall setzt Serge Ehrensperger die Mittel seiner brillanten Sprache ein, die alles relativieren und bewältigen sollen. Durch ihren reflektierten Stil unterscheiden sich die «Passionstage» grundsätzlich von der heute üblichen rein deskriptiven Autobiographie. Denn die Hauptfigur scheint letztlich auch alles zum Zweck einer Romangrundlage und deren literarischer Auswertung zu arrangieren, was sie ganz besonders ins Zwielicht bringt; aber mit diesem Narzissmus des Helden versöhnt uns seine Selbstironie.
(Klappentext)

24. Januar 2023

Guntens stolzer Fall

Werner Schmidli: Guntens stolzer Fall,
Nagel & Kimche, Zürich, 1989
Eigentlich möchte Gunten nichts anderes, als sich in dem Berghotel an der alten Passstrasse zum Lukmanier erholen und auf Wanderungen das Bleniotal erkunden. Doch es regnet am Lukmanier, Guntens Freundin reist nach zwei Tagen verärgert ab.

Einmal, nach einer schlimmen Erfahrung, hat Gunten sich vorgenommen, sich nie wieder in das Leben anderer einzumischen. Doch mit 65 ist es wohl nicht einfach, sich zu ändern. Auf sich selbst zurückgeworfen, findet sich Gunten schon bald bei seiner Lieblingsbeschäftigung wieder: das Treiben seiner Mitmenschen mit unersättlicher Neugier zu beobachten. Ein alter Zeitungsartikel, eine Kette merkwürdiger Unfälle, die einer alten Dame im Hotel zustossen, verwickeln ihn immer tiefer in die Geschichte zweier Familien aus dem Tal. Am Ende hat Gunten zwei Mordfälle gelöst – und wenig Grund, auf sich stolz zu sein; denn hat er nicht rundum Unheil angerichtet? (Klappentext)

19. Januar 2023

Die Reise auf den Uetliberg

Salomon Schinz: Die Reise auf den 
Uetliberg, Schweizer Verlagshaus,
Zürich, 1978
Im Juni 1774 begaben sich die beiden Universalgelehrten David Breitinger, Professor an der Kunstschule Zürich, und Salomon Schinz, Chorherr am Grossmünster, Arzt und Botaniker, mit ihren Söhnen und deren Freunden auf eine ebenso beschwerliche wie anmutige Reise auf den Uetliberg. Zu der kleinen Reisegesellschaft zählte auch ein junger Mann namens Martin Usteri, der später der durch die Zeitumstände gefährdeten Lebenslust seiner Epoche in dem unsterblichen Lied «Freut euch des Lebens» Ausdruck verleihen sollte.

Es war eine Entdeckungsreise, die ihren Eindruck auf die jugendlichen Begleiter von Schinz und Breitinger nicht verfehlte, so dass der Chorherr daraus ein literarisches Geschenklein für seine Mitbürger gestaltete. Es ist als Glücksfall unprätenziöser Beschreibung des Lebens vor zweihundert Jahren zu unserem Vergnügen erhalten geblieben. In diesem Bändchen wird es wieder zugänglich. (Klappentext)

17. Januar 2023

Der Vampir von Ropraz

Jacques Chessex: Der Vampir von Ropraz,
Nagel & Kimche, München, 2008
Im Februar 1903 wird in Ropraz eine junge und aussergewöhnlich hübsche Frau zu Grabe getragen. Die zwanzigjährige Rosa Gillieron ist an Hirnhautentzündung gestorben, ihr Tod bewegt das ganze Tal. Zwei Tage später ist der Sarg geöffnet, die Leiche von Stech- und Bisswunden entstellt. Die Empörung der Dorfbewohner ist gross. Am nächsten Tag berichtet die Zeitung vom «Vampir von Ropraz», die Nachricht gelangt bis nach New York. In den Schweizer Bergen wird fieberhaft nach dem Täter gefahndet. Hat die Verstorbene, die weit herum begehrt wurde, einen Verehrer abgewiesen? Gilt der Akt dem Vater, der Richter am Obersten Gerichtshof und Abgeordneter ist? Nachdem in der Gegend zwei weitere Fälle von Leichenschändung entdeckt werden, greift sich der Volkszorn einen verrohten Bauernjungen. Ob aber der Täter damit gefasst ist?
(Klappentext)

14. Januar 2023

Im Schnee

Erich Kästner: Im Schnee, dtv, München, 2013

Die schönsten Geschichten, Gedichte und Briefe rund um den Schnee, den Kästner liebte – besonders im Gebirge, wo ihn das im Sonnenschein glitzernde Weiss zu wunderschönen Texten inspirierte. (Klappentext)

«Lawinen sausen dann und wann
und werden sehr gerügt.
Was gehn den Schnee die Leute an?
Er fällt. Und das genügt.»

11. Januar 2023

Auf Schulreise zu Beginn des 18. Jahrhunderts

Friedrich Meisner: Kleine Reisen in
der Schweiz, Bändchen I – IV, Edition
Wanderwerk, Burgistein, 2023
   
Und hier wieder einmal etwas in verlegerischen Belangen: Vor ein paar Tagen ist in meinem Verlag ein neuer Titel erschienen: «Kleine Reisen in der Schweiz» nennt er sich, beinhaltet zwei Bände und stammt von Friedrich Meisner (1765–1825). Meisner gilt als Vater der Schulreise. Wie er zu diesem unsterblichen Ruf gelangte, verdeutlichen seine insgesamt vier Bändchen mit dem bescheidenen Titel «Kleine Reisen in der Schweiz». In der ersten Hälfte der 1820er-Jahre unternimmt Meisner mit seinen Schülern einige mehrtägige Fussreisen. Die langen Märsche werden denn nicht nur zur körperlichen Ertüchtigung genutzt, sondern auch immer wieder zu äusserst anschaulichen und spannenden Natur- und Heimatkundelektionen. Waren Meisners anschliessende Publikationen damals für die Jugend gedacht, sind die vier Reiseberichte in heutiger Zeit durchaus für das erwachsenen Publikum von Interesse. Die vier komplett überarbeiteten Bändchen erscheinen in zwei Bänden und beinhalten folgende Reisen:

Band 1 (Bändchen 1 + 2)
  • Von Bern nach der Petersinsel und die Täler und Gebirge des Kantons Neuenburg
  • Durch das Berner Oberland nach Unterwalden
Band 2 (Bändchen 3 + 4)
  • Durch Unterwalden, Uri und Ursern, über die Furka und Grimsel nach Interlaken
  • Von Bern über die Gemmi und den Simplon nach den Borromäischen Inseln
Der Doppelband kann direkt bei der Edition Wanderwerk oder in einer gut sortierten Buchhandlung bestellt werden.

8. Januar 2023

Die Umschlaglosen V

Nachfolgend ein paar weitere Bücher, die ich in letzter Zeit gelesen habe, ohne sie in einem gesonderten Blogbeitrag zu erwähnen. Der Hauptgrund hierfür liegt darin, dass sie über keinen zitierbaren Umschlag- oder Klappentext verfügen.

Käthi Künzi-Schmalz: Bsinnsch di no?
Emmentaler Druck, Langnau, 1984

Erwin Heimann: Wätterluft, Francke im
Cosmos Verlag, Muri b. Bern, 1989



Diverse Autoren: Wanderlust – Von der Magie des Gehens,
Zur Philosophie und Praxis des neuen Wanderns. Dokumentation
des Kolloquiums am 29. und 30 Juni 2017 in Eisenach, Stadtverwaltung
Eisenach, Kulturamt und Thüringer Museum, 2017

Piero Bianconi: Kreuze und Kornleitern
im Tessin, Büchergilde Gutenberg,
Zürich, 1946

Elisabeth Kopp: Briefe, Benteli, Bern, 1991


W.C. Brögger, N. Rolfsen: Fridtjof Nansen
1861–1896, Fussingers Buchhandlung,
Berlin, 1898

Hermann Aellen: Die Lawine von Gurin,
Wila-Verlag, Wien/Leipzig, 1923
Hansrudolf Schwabe: Schweizer Bahnen damals, Pharos, Basel, 1974


Ernst Zahn: Die Liebe des Severin Imboden,
Deutsche Verlagsanstalt, Stuttgart/Berlin,
1921

5. Januar 2023

Schwärs und Liechts

Beat Jäggi: Schwärs und Liechts, Friedrich
Reinhardt, Basel, 1967
Obschon abstammungsmässig stark den ländlichen Bezirken verhaftet, sprengt Jäggi mit seinen aus dem heutigen Alltag gegriffenen Geschichten den Rahmen der Idylle. Innerstes Anliegen bedeutet ihm, auch mit der Mundart-Novelle neue, modernere Wege zu gehen.

Gleich In der ersten Erzählung, «Uusdienet», wird überzeugend das Ende einer Bauerndynastie geschildert. Der siebzigjährige Knecht Ludi erlebt nach treuen Diensten während drei Generationen den Übergang zu r industriellen Futtermittelversorgung.

Die Humoresken «Alls nume kei Lehreri» und «D Bohnegreth» bringen eine heitere, auflockernde Note in die eher ernst gehaltene Sammlung. Der ablehnende Gärtnermeister Habegger muss es erleben, dass ausgerechnet die ihm verhasste Lehrerin Rösli Läderma ihm an der Gewerbeausstellung aus der Patsche hilft.

Die habgierige, sonst schon mit ausreichendem Gemüsesegen bedachte «Bohnegreth» plündert an einem Herbstabend die Pflanzenanlagen einer Nachbarin und wird vom Aufpasser Chlausi Bänziger bei ihrem heimlichen Tun überrascht.

Menschliche Tragik zeichnet sich ab in der Erzählung «D Stross chunnt». Der Junggeselle Gottfried und seine alternde Mutter zerbrechen an der Expropriation, die wegen eines Strassenbaus über ihren schönen Baumgarten verhängt wird.

Die Probleme der Entlassenenfürsorge im Falle des Brandstifters Toni Zuber werden in der Geschichte «Zrugg is Läbe» lebensnah aufgezeigt. Dank der positiven Einstellung seines Schutzpatrons, Baumeister Lüthy, wird Toni nach Demütigungen und dramatischen Kämpfen noch rechtzeitig zum brauchbaren Glied der menschlichen Gesellschaft.

In der letzten Erzählung «Wider deheime» packt Jäggi mutig ein für die Mundart neues Thema an. Wir begleiten den durch Neid, Missgunst und Verspottung an den Rand der Verzweiflung getriebenen Kunstmaler Lorenz Hänggi nach Paris, wo er seine innere Ruhe wiederfindet und kometenhaft hohes Ansehen und internationale Auszeichnungen gewinnt. Mit dem Erfolg in der weiten Welt kehrt bei ihm der Glaube an das Gute im Menschen zurück.
(Klappentext)