28. Oktober 2017

Wilde Wölfe

Ian McAllister: Wilde Wölfe, Frederking + Thaler, München,
2009
Einst durchstreiften Wölfe weite Teile Europas und Nordamerikas. Heute findet man sie nur noch in entlegenen Landstrichen. Ian McAllister folgt den Spuren der letzten wilden Wölfe des Great Bear Rainforest an der schwer zugänglichen Westküste Kanadas. Über einen Zeitraum von 17 Jahren näherte er sich immer wieder den scheuen Tieren, die sich an das Leben im Innern des Regenwaldes angepasst haben. Beim herbstlichen Lachsfischen, auf ihrer Seehundjagd im Winter und bei der Aufzucht ihrer Jungen im Frühling. Intime Einblicke in das Verhalten eines der faszinierendsten Raubtiere unserer Erde, dessen Lebensraum akut bedroht ist. (Inhaltsangabe zum Buch)

Ein begeisterndes Buch mit einzigartigen, grossformatigen Fotos. Schade ist es vergriffen, schön gibt es wenigstens noch eine Taschenbuchausgabe.

20. Oktober 2017

Obere Hauptgasse


Typisch Thuner Altstadt: Weder das Berntor noch das hier erwähnte Lauitor existieren noch. Henusode, Hauptsache, der Fulehung findet jedes Jahr im gewohnten Rahmen statt.

19. Oktober 2017

Obere Wart



Aus der Warte des Ortsunkundigen, eine dankbare Sache, dieses Verweisen auf Hausnummern.

16. Oktober 2017

Was ist bloss mit der Kripo los?

Ingrid Noll: Der Hahn ist tot,
Diogenes, Zürich, 1991
Sie hält sich für eine Benachteiligte, die ungerecht behandelt wird und zu kurz kommt. Mit zweiundfünfzig Jahren trifft sie die Liebe wie ein Hexenschuss. Diese Chance muss wahrgenommen werden, Hindernisse müssen beiseite geräumt werden. Sie entwickelt eine bittere Tatkraft: Rosemarie Hirte, Versicherungsangestellte, geht buchstäblich über Leichen, um den Mann ihrer Träume zu erbeuten. (Klappentext)

Mein erster Kriminalroman von Ingrid Noll, der zugleich ihr erster Kriminalroman war. Und ich bin von der Lektüre sehr angetan, denn 1. ist die Geschichte klug und witzig konstruiert und ebenso geschrieben, 2. wird sie aus der Sicht der Mörderin erzählt, 3. wird keines der Tötungsdelikte aufgeklärt und 4. wird sogar gewandert!

D: Mannheim, Ladenburg, Bickelbach, Weinheim, Schriesheim F: Wissembourg, Ruine Burg Fleckenstein, Elsass

12. Oktober 2017

Die Eiswanderung

Thomas Röthlisberger:
Die Eiswanderung, Cosmos, Muri, 1998
Albert Winter, verwittwet, Architekt im Ruhestand, ist ins Altersheim Sonnegg gezogen; sein Haus mit grossem Garten hat er dem Enkel übergeben. Um nicht wie viele Heimbewohner in Gleichgültigkeit zu versinken, verordnet sich Winter eine «tägliche Turnübung des Geistes». Er erzählt seinem gebrechlichen Wohnungsnachbarn Fritz Dürrenberger die liebevoll ausgeschmückte Geschichte vom Leben und Sterben des alten Finnen Eino Saarinen: Dieser zieht heimlich aus dem Haushalt seiner Tochter weg nach Ostfinnland und richtet sich in einer ehemaligen Wochenendhütte am See ein. Dort lebt er für sich und mit der Natur und ist niemandem Rechenschaft schuldig. Saarinen – der lebt, bis er stirbt.

Winter verstrickt sich immer mehr in die Geschichte, von der er sagt, sie sei «hoffnungslos, aber sie lässt hoffen». Die Geschichte verselbständigt sich und folgt ihren eigenen Gesetzen. Erinnerungen und Bilder überlagern und verschieben sich, Erlebtes und Erfundenes verschmelzen zu einem dichten und wehmütig-schönen Verwirrspiel. (Klappentext)

BE: Stadt Bern FIN: Südostfinnland

6. Oktober 2017

Reise in die Steinzeit

Patrice Franceschi: Reise in die Steinzeit,
Bastei-Verlag, Bergisch-Gladbach, 1996,
vergriffen
Patrice Franceschi stellt sich einer ungewöhnlichen physischen und moralischen Herausforderung: Er will ein völlig unerforschtes Gebiet, das indonesische Irian Jaya in der Westhälfte Neuguineas, zu Fuss und ohne technische Hilfsmittel durchqueren. Die erste Etappe führt ihn über 4000 Meter hinauf in die Berge, durch Urwald und Sümpfe, in Kälte, strömenden Regen und dichten Nebel. Dann geht es weiter in die Ebene, zum Fluss Brazza. Hier droht Gefahr durch Insekten, Blutegel, Schlangen, Krokodile und nicht zuletzt durch die Eingeborenen. Hier leben 250 verschiedene Papuastämme – teils noch Kannibalen, teils von Missionaren befriedet –, die sich durch ihre Isolation eine vorgeschichtliche Kultur bewahren konnten. Nach einem Marsch von 500 Kilometern fährt Franceschi mit dem Schlauchboot 200 Kilometer den Brazza hinunter und kehrt nach über fünf Wochen in Jahrtausende alter Flora und Fauna in die Zivilisation zurück.

Der Autor unternahm diese Expedition 1989. Seither hat sich in Papua-Neuguinea einiges verändert zu haben. Das politisch instabile Land ist geprägt von Stammesfehden, weshalb in heutiger Zeit eine Reise in dieses von Mord- und Totschlag geprägte Land mit noch höheren Risiken verbunden ist, als es bei Franceschis Abenteuer der Fall war. Bedenkenswert ist zudem, was der Autor in der Buchmitte über seine Bedürfnisse niedergeschrieben hat:

Meine Prioritäten haben sich denen der primitiven Menschen in meinem derzeitigen Umfeld angenähert. Essen, schlafen, nicht frieren, nicht nass sein. Gibt es etwas Wichtigeres? Wie sollte man hier anders denken? Mein Lebensrhytmus hat sich umgekehrt, meine Sorgen sind dem, was sie früher einmal waren, diametral entgegengesetzt. Mein Leben wird von anderen Dingen beherrscht: Vom Regen, der vom Himmel herabfällt, von Lagerfeuern, die mir ein wenig Trost und Wärme spenden, vom Rauch, der in den Augen brennt, von verschiedenen Geräuschen, vom feuchten Boden, der mir als Lager dient, von frischem, kristallklaren Wasser und von fremden Menschen. Sogar die Erinnerung an die Menschen, die mir nahestehen, ist von einem diffusen Gefühl der Unwirklichkeit getrübt.

Auch meine Werteskala verschiebt sich nach und nach. Der kleinste Bissen der mitgebrachten Nahrung, die ich in meinem Rucksack aufbewahre, ist mir jetzt unbeschreiblich kostbar, während ich dieselben Lebensmittel zu Hause kaum zu würdigen wüsste. Auch messe ich den vertrauten Gegenständen einen unermesslichen Wert bei, der ihnen woanders nicht zukommen würde. Mein Rucksack und mein Messer sind meine treuesten Freunde geworden, und meine Hängematte, meine Hängematte, meine Taschenlampe und meine Machete sind mir ans Herz gewachsen. Diese Kleinigkeiten sind zum Mittelpunkt meines Daseins geworden. Ich lächele, amüsiere mich darüber.

Nur Bücher und Musik bleiben von diesen neuen Wertkriterien verschont. Sie bleiben unveränderliche Fixpunkte, Grundbedürfnisse, in denen ich mein wahres Ich wiederfinde. Einige geliebte Seiten, einige sublimierte Töne geben mir in schweren Augenblicken mehr Kraft als jedes andere Stimulans.

Patrice Franceshi beschreibt hier exakt mein eigenes Empfinden, wenn ich mit dem Zelt – und sei es auch nur für zwei Tage – unterwegs bin. Es begründet indes auch, weshalb ich seit meiner Jugend immer wieder die völlig autarke Form des Wanderns bevorzuge: die Reduktion auf das Wesentliche im Leben eines Menschen.