28. Juni 2015

Die Rückeroberer



Beim Anblick dieses Bänklis in der Nähe von Goldiwil (BE) musste ich unweigerlich an die 1982 erschienene Erzählung Die Rückeroberung* von Franz Hohler denken. Ich jedenfalls überliess den Ort frohgemut den Ameisen. Sie sind hier zu Hause und nicht wir.

*Ein Adler taucht in der Stadt auf und verschwindet wieder. Dann aber kommt dieser Adler, der eigentlich in den Bergen zu Hause ist, mit einem zweiten zurück. Wenig später finden Passanten auf einem belebten Platz ein mächtiges Hirschgeweih. Um unerklärliche Zufälle allein kann es sich nicht mehr handeln. Besonders, da nun ein ganzes Rudel Hirsche durch die Stadt trabt und jemand schon einen Wolf gesehen haben will. Aber auch das ist erst der Anfang. Den Stadtbewohnern bleibt nichts anderes übrig, als zuzusehen, was geschieht.

26. Juni 2015

Hans Grünauer

Jakob Senn: Hans Grünauer, Limmat
Verlag, Zürich, 2006
In seinem autobiografischen Roman schildert Jakob Senn mit umwerfendem Charme das Heranwachsen des Hans Grünauer, Bauernsohn und früh an den Webstuhl gesetzt fürs Auskommen der Familie. Seine Leidenschaft aber gilt den Textgeweben: Süchtig liest er jedes gedruckte Wort, das er auftreiben kann, und bald beginnt er selber zu schreiben, mangels Papier auf jede erdenkliche Unterlage von der Hemdmanschette bis zum Webstuhlrahmen. Der Roman endet mit dem Entschluss zum Leben als freier Schriftsteller. (Klappentext)

ZH: Tösstal, Stadt Zürich, Zürichsee TG: Kloster Fischingen

Das Buch erschien erstmals 1888, postum herausgegeben von Otto Sutermeister, der es allerdings umtaufte in «Ein Kind des Volkes – Schweizerisches Lebensbild». Entgangen ist ihm die Gestaltung des Lebensberichtes als Bildungsroman nach dem Vorbild des «Grünen Heinrich» von Gottfried Keller – auf den der Originaltitel anspielt – und der freie Umgang mit den Fakten zu Gunsten der motivischen Geschlossenheit.

Jakob Senn (1824–1879), geboren in Fischenthal, Kanton Zürich. Nach dem Besuch der Primarschule Arbeit auf dem väterlichen Hof. Erste literarische Versuche mit zwanzig Jahren, Bekanntschaft mit dem Volksschriftsteller Jakob Stutz. 1856 angestellt in einem Zürcher Antiquariat, ab 1862 freier Schriftsteller, 1864 Heirat und Übersiedlung nach St.Gallen. 1867 Ausreise nach Südamerika, Rückkehr 1878, 1879 Freitod im Zürichsee.

21. Juni 2015

Kavernen zur Sommersonnenwende

Heute ging es ins Aargauische. Vom solothurnischen Schönenwerd startend führte die Route durch viel Wald hinüber nach Kölliken, wo mich der Gasthof Bären mächtig beeindruckte. Im wegen der Sondermülldeponie leidgeprüften Ort hätte ich nie ein derart hübsch hergerichtetes Restaurant vermutet. Überhaupt scheint mir dieses Kölliken über eine nebenher gute Wohnqualität zu verfügen. Mitten durch ein Wohnquartier führt zum Beispiel der Köllikerbach, darin sich gleich mehrere Entenpaare tummelten.

Der eigentliche Kracher waren indes die Kavernen des ehemaligen Sandsteinbruchs Friedlistall südwestlich von Staffelbach. Sie standen schon seit einiger Zeit auf der Menüliste der noch auszuführenden Wandertaten. In der Gegend wurde schon im 16. und 17. Jahrhundert Sandstein abgebaut. Der «Staffelbacher Marmor» war im ganzen Aargau und den umliegenden Kantonen ein Begriff. Vielfach wurden die Felsblöcke in der Staffelbacher Steinsäge bearbeitet. Vier- bis sechsspännige Steinfuhren brachten das Baumaterial auf dreitägigen Fahrten bis in die Ostschweiz. Um die Jahrhundertwende ging der Sandsteinabbau stark zurück. Die letzten Blöcke wurden in den 1960er-Jahren auf dem Böl gebrochen.

Die Sandsteinkavernen von Staffelbach (AG) sind auf ausgeschildertem Weg zu erreichen. Staffelbach liegt an der Buslinie Schöftland–Sursee.


Beim Steinbruch Friedlistall handelt es sich um eine grossartige, in den Molassefels hineingeschnittene Anlage mit einer Gesamtlänge von 180 Metern. Sie ist unterteilt in etwa ein Dutzend 18–20 Meter hohe und bis zu 20 Meter tiefe Kavernen. Schätzungsweise wurde hier ein Volumen von mehreren 10'000 m³  Sandstein abgebaut. Zudem sind verschiedene Stadien des Abbaus sichtbar, so dass die damalige Abbautechnik veranschaulicht wird. Wie sich die Kavernen mitten im Wald präsentieren zeigen die Fotos.

18. Juni 2015

Keine Kunst! V



Gestern ging ich eine Flachetappe durch mitunter erhabene Thuner Wohnquartiere. Gerade südlich des Bahnhofs gibt es Prachtsvillen aus dem vorletzten und letzten Jahrhundert. Sie stehen meist in grosszügig angelegten Pärken mit imposanten Baumbeständen. Mit fortschreitender Projektdauer nehmen auch die kurzen Abschnitte zu, die mir noch fehlen. Diese manifestieren sich optisch als Hin-und-Zurück-Abstecher. Virtuelle Sackgassen sind es, die ich an durchgehenden Strassen und Strässchen abschreite. Wer mich auf offener Strasse sieht, wie ich plötzlich rechtsumkehrt mache, mag annehmen, dass sich da einer verirrt hat. Das Gegenteil ist der Fall, liebe Thuner! Der Moor weiss jeweils ganz genau, wo er sich befindet und wann er auf einen bereits begangenen Strassenabschnitt stösst, den er nicht ein zweites Mal zu begehen gedenkt.

16. Juni 2015

Den Uhrwald gibt's tatsächlich


Als wir neulich von der Vallée des Ponts im Neuenburger Jura über die Anhöhe des Mont Racine nach Neuenburg wanderten, entdeckten wir den mir bis dato unbekannten Sentier des sculptures. Dieser zickzackt den Wald südlich von La Sagne hoch und endet in superber Juraweide. Die Holzschnitzer haben auf humorvolle und mitunter kunstreiche Art einen Weg geschaffen, der nicht nur Kinder begeistert. Mir jedenfalls ist es so ergangen. Und seither weiss ich auch, dass der Uhrwald nicht bloss eine Wortspielerei ist, es gibt ihn wahrhaftig! Weitere Bilder gibt es auf meiner Fotoseite.

Ausgehend vom Bahnhof La Sagne (NE), wird der Skulturenweg am Mont Racine in 20 Minuten erreicht.

13. Juni 2015

Cholere gesperrt

Im Rahmen meines Projekts, sämtliche Strassen und Wege der Gemeinde Thun zu begehen, absolvierte ich heute Etappe 2 eines Mini-Teilprojekts. Es geht darum, die Thuner Gemeindegrenze möglichst nahe an deren Verlauf abzuwandern. Von Allmendingen bis zur Kirche Scherzligen ging ich bereits. Und nun also der Abschnitt von der Seematte (Grenze Thun/Hilterfingen) via Cholerenschlucht–Goldiwil zum Berntor in Thun.

Ich legte wegen der angekündigten Hitze früh los. Am Eingang zur beeindruckenden Cholerenschlucht las ich, dass der Weg gesperrt ist. Später umging ich gar eine Bauabschrankung mit einer Fahrverbotstafel. Natürlich stach mich der Hafer. Ich wollte wissen, was der Grund der Sperrung war. Wie ich im Nachhinein erfuhr, zerstörten die heftigen Gewitter vom Wochenende des 6./7. Juni 2015 an mehreren Stellen den ansonsten gut begehbaren Weg. An einer Stelle war dieser gerade mal noch 20 cm Breit. Die Seitengräben lagerten zudem viel Geschiebe auf der Trassee ab. An zwei Stellen lag knöcheltiefer Matsch. Nun, ich kam dennoch ohne Probleme durch, Otto und Emma Normalspaziergänger wären indes überfordert, weshalb die Schliessung der Schlucht gerechtfertigt ist. Das Thuner Tiefbauamt, welches den Schaden beheben wird, sprach am vergangenen Donnerstag von einer Sperrdauer von circa zwei Wochen. Und ja, einmal mehr war ich beeindruckt, welchen Schaden ein starkes Gewitter in der Nagelfluhkerbe der Choleren anrichten kann.

Die am stärksten beschädigte Stelle in der Cholerenschlucht bei Thun.

Dieselbe Stelle wie oben, gesehen nach deren Passage.

Auf einer Länge von circa 20 Metern liegt knöcheltiefer Matsch. 
Mehrere Seitenbäche haben den Weg mit Geschiebe und Fallholz bedeckt.

11. Juni 2015

Ein Berg in Tibet

Colin Thurbon: Ein Berg in Tibet, Dumont,
Ostfildern, 2014
Der Kailash ist für ein Fünftel der Weltbevölkerung der heilige Berg dieser Welt. Isoliert hinter dem Zentral-Himalaya liegend, ist er nie bestiegen worden, wird aber seit Jahrhunderten von hinduistischen und buddhistischen Pilgern rituell umkreist. Colin Thubron unternimmt eine mühevolle Fußreise von Nepal über die Pässe Tibets zu den magischen Seen unter dem heiligen Berg und mischt sich dort unter die Pilger. Er spricht mit den Bewohnern abgelegener Dörfer, mit Mönchen in verfallenden Klöstern und erzählt die Geschichte Vertriebener und exzentrischer Entdecker aus dem Westen. Und dabei ist er auch selbst auf Pilgerschaft. Nachdem erst kürzlich das letzte Mitglied seiner Familie gestorben ist, erweckt seine Umrundung des heiligen Berges eine eigene Landschaft aus Liebe und Trauer zum Leben. (Klappentext)

Colin Thubron, 1939 in London geboren, gilt in Grossbritannien als Grossmeister des Travel Writing. Seine literarischen Reisereportagen machten ihn landesweit bekannt. Er gewann mit seinen schriftstellerischen Arbeiten, darunter auch mehreren Romanen, zahlreiche Preise.

7. Juni 2015

Neulich in 8038


Zürich Wollishofen. Neapolitanische Verhältnisse in der Entlisbergstrasse.

4. Juni 2015

Zu Fuss durch Nordamerika

Stephen Pern: Zu Fuss durch Nordamerika,
Frederking & Thaler, München, 1989,
vergriffen
Die Wasserscheide Nordamerikas zieht sich fast 5000 Kilometer lang von New Mexico nach Kanada. Den grössten Teil dieser Strecke abzuwandern, hat sich Stephen Pern vorgenommen. Sechs Monate dauert diese gewaltige Tour. Obwohl kein Neuling auf diesem Gebiet, ist er doch kein fanatischer oder routinierter Trekkingexeperte. Wichtig ist ihm vor allem, dass das Ganze Spass macht, und so gestattet er sich hin und wieder auch eine Busfahrt oder lässt sich mit dem Auto in die nächste Stadt mitnehmen.

So hat er die merkwürdigsten Erlebnisse mit oft recht rüden, aber auch sehr herzlichen Vertretern des wilden Westens. Streckenweise ist er tagelang allein, überwältigt von der Schönheit der unberührten, wilden Natur. Von der ausgetrockneten Erde der südlichen Wüsten über windgepeitschte Berggrate, durch blühende Frühlingswiesen und eisige Schneefelder im Norden führt ihn seine anstrengende Tour. (Klappentext)

2. Juni 2015

Dahinden, Moor und die A1

Als mich vor ein paar Monaten die Redaktion der Sendung Schweiz aktuell des Fernsehens SRF mit der Frage konfrontierte, was mich mit der Autobahn A1 verbinde, dachte ich zuerst an einen schlechten Scherz. Doch dann konkretisierte sich das Thema zu einer für mich spannenden Angelegenheit, die gestern in die Tat umgesetzt wurde.

In einer dreiteiligen Sommerserie wird sich Schweiz aktuell der Autobahn A1 widmen. Die Moderatorin, Sabine Dahinden, legt hierbei die Strecke St. Margrethen–Genf unter anderem als Anhalterin, auf dem Sozius im Pulk eines Motorradclubs oder als Mitfahrerin im Lastwagen zurück. Mir kam nun die Ehre zuteil, mit Sabine Dahinden zu Fuss von Murten nach Avenches zu gehen, entlang der A1, wohlverstanden! Eine Route also ganz in meinem Sinne.

Eine Sicht von aussen, wahrgenommen vom Fussgänger Moor. Um dieses Thema drehte sich der Drehnachmittag. Hierbei endeckten wir in unmittelbarer Nähe der Asphaltschneise nicht nur einen 430 Jahre alten Grenzstein am Dreiländereck Bern-Freiburg-Waadt, wir beobachteten auch zwei Störche, zahlreiche Greifvögel, Möwen und Krähen, wir hörten den Kuckuck, rochen frisch gerösteten Kaffee aus der nahen Nespresso-Fabrik und standen zuletzt am Gehege einer stattlichen Bison-Herde, die, wenn sie nicht auf der Weide friedlich Gras frisst, unter dem Autobahnviadukt ihr zu Hause hat. 

Gespannt warte ich nun auf das Ergebnis der sympathischen Produktions- und Redaktionscrew. Zu sehen ist das Ganze am Montag, 17. August 2015, um 21 Uhr auf SRF 1.

Kameramann Beat, Sabine Dahinden, ich. A1 bei Clavaleyres (BE). Foto: Fabian Bucher
Selfie über der A1 bei Clavaleyres mit Sabine Dahinden.
Tonmann Peter, Kameramann Beat, skeptischer ich und Sabine Dahinden unweit der A1 vor Avenches (VD). Foto: Fabian Bucher
Moderatorin Sabine Dahinden mit Produzent Fabian Bucher, dahinter die Protagonistin.